Frage an Arnold Vaatz von Johann E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Vaatz,
ich möchte Sie bitten, mir hier eine Frage zu beantworten.
Viele Bürger dieses Landes mußten in letzter Zeit häufig politische Entscheidungen ertragen, denen sie nicht zugestimmt hätten. Beispiele hierfür sind der Afghanistan-Krieg, die Einführung des Euro, der Lissabon-Vertrag, die "Bankenrettung" und die Griechenlandhilfe (und deren angeschlossene Maßnahmen).
Bei der Einführung des Euro hat sich inzwischen herausgestellt, dass es schon "Geburtsfehler" gab. Wie inzwischen belegt ist, wurde der Beitritt Griechenlands zum Euro-Raum politisch durchgesetzt, obwohl die dazu notwendigen Vorraussetzungen nicht erfüllt waren. Der Angriff auf Afghanistan ist ein Desaster. Er war genauso politisch, und wie sich nun herausstellt, auch wirtschaftlich motiviert.
Eine Mehrheit der Politiker, die damals entschieden haben, haben offensichtlich die schlimmen Folgen für die Bürger unseres Landes nicht vorhergesehen.
Nun können Politiker sich natürlich nicht auf Umfrageergebnisse verlassen, eine Volksbefragung wollen sie nicht und auf berechtigte Einwände (z.B. beim Euro-Beitritt Griechenlands) reagieren sie, politisch oder ideologisch motiviert, auch nicht.
Natürlich sind Bundestagsabgeortnete auch nur Menschen und ausschließlich ihrem Gewissen verpflichtet.
Sie haben aber die Pflicht, Schaden von den Bürgern abzuwenden.
Nun ist es zu Entscheidungen gekommen, an denen Sie mitgewirkt oder die Sie sogar vorangetrieben haben. Einige halten Sie vielleicht inzwischen für falsch. Andere sind immer noch Ihre innerste Überzeugung. Und wieder andere haben sich inzwischen als verfassungwiedrig herausgestellt.
Und damit komme ich zu meiner Frage.
Sind Sie bemüht, Ihre Fehler wieder gut zu machen, und falls Ja, wie machen Sie das?
Hochachtungsvoll
Johann Erler
Sehr geehrter Herr Erler,
Ihre Frage liest sich, als ob wir in einem Ein-Parteien-Staat leben. Deutschland ist eine parlamentarische Demokratie. Das Parlament setzt sich aus miteinander konkurrierenden Parteien zusammen, deren Vertreter durch personalisierte Verhältniswahlen gewählt werden. Die Zusammensetzung der Parlamente spiegelt somit den Mehrheitswillen der Bevölkerung wieder, die ihre politische Macht an die Volksvertreter auf Zeit delegieren. Zur Regierungsbildung sind seit Jahrzehnten Koalitionen zwischen verschiedenen Parteien erforderlich, um die notwendige Stimmenmehrheit für die Durchsetzung von Gesetzen zu erreichen. Selbst innerhalb der einzelnen Parteien gibt es zu zahlreichen Themenfeldern verschiedene Auffassungen. Hinzu kommt das föderale System, durch das die Bundesländer bei der Gesetzgebung des Bundes mitwirken. Politische Entscheidungen sind daher immer Kompromisse. So gibt es für mich Entscheidungen, die ich im Idealfall für komplett richtig halte, welche, die ich im Kern als richtig betrachte, deren inhaltliche Ausgestaltung meines Erachtens aber verbesserungswürdig wäre und eben solche, die ich für falsch halte. Diesen verweigere ich dann meine Zustimmung oder drohe damit, um noch Veränderungen zu erreichen.
Hat eine Entscheidung Gesetzeskraft erlangt und erweist sich nach einiger Zeit als nicht ausreichend oder unpraktikabel, kann diese verändert oder abgeschafft werden. Dafür sind wieder entsprechende Mehrheitsverhältnisse erforderlich, für die geworben werden muss. Wenn ich eine Entscheidung mitgetragen habe, die sich rückwirkend als falsch herausstellt, bleibt mir nur dieser Weg, um eine Änderung zu erreichen.
Im Gegensatz zu Ihnen halte ich die von Ihnen genannten Entscheidungen wie den deutschen Einsatz in Afghanistan, die Einführung des Euro oder den Vertrag von Lissabon für richtig und notwendig.
Mit freundlichem Gruß
Arnold Vaatz