Frage an Arnold Vaatz von Sven R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Vaatz
in Ihrer Antwort auf die Frage von H. W. nach Ihrer Zustimmung zur sogenannten "Schuldenbremse" hatten Sie geschrieben, daß man immer nur das Geld ausgeben könne, was da wäre. Meinen Sie nicht auch, daß sich, volkswirtschaftlich gesehen, für die Ingangsetzung von Investitionen immer jemand verschulden muß, entweder private Wirtschaftssubjekte oder der Staat? Die Geldschöpfung der privaten Geldinstitue beruht ja auf der Aufnahme von Krediten durch diese Wirtschaftssubjekte bei privaten oder öffentlichen Finanzinstituten, die sich dann bei der Zentralbank refinanzieren. Die Frage bezog sich auf die Rolle des Staates in Krisenzeiten wie jetzt, wenn sich die Unternehmen aufgrund hoher Instabilität der Finanzmärkte mit Investitionen zurückhalten und ihr Geld horten, da sie die Ertragsaussichten dieser Investitionen nicht mehr sicher kalkulieren können. In diesem Fall ist es die Aufgabe des Staates, durch die Aufnahme von Schulden öffentliche Investitionen in die Wege zu leiten, um die Wirtschaftstätigkeit wieder zu beleben, bis sich die allgemeine Unsicherheit auf den Märkten wieder legt.
Des weiteren möchte ich Sie fragen, ob sie sich dessen bewußt sind, daß mit der Aufnahme von öffentlichen Schulden gleichzeitig auch Vermögen geschaffen werden, weil diesen aufgenommenen Schulden in exakt gleicher Höhe Forderungen von Gläubigern inklusive Zinsen gegenüberstehen in Form von öffentlichen Anleihen, Bundesschatzbriefen etc. Im Fall Deutschlands ist der Staat hauptsächlich an inländische Gläubiger verschuldet, sowohl an Banken, Unternehmen wie auch Privatpersonen. Es werden somit nicht nur Schulden, sonder auch entsprechende Vermögen an die nächste Generation weitergegeben.
Zu ihren Aussagen über die Geldentwertung durch zu hohe umlaufende Geldsummen möchte ich Sie fragen, wie sich diese Auffassung mit der Tatsache verträgt, daß im Moment trotz der Aufwendung enormer öffentlicher Mittel deflationäre Tendenzen zu verzeichnen sind?
MfG
Sven Rüger
Sehr geehrter Herr Rüger,
um Investitionen in Gang zu setzen muss man nicht unbedingt in die Verschuldung gehen. Zum einen können Private aus laufenden Überschüssen Investitionen finanzieren, d.h. auch aus Rücklagen. Dies ist in der Wirtschaft üblich. Zum anderen sollte die öffentliche Hand im Bereich der Ausgaben zunächst eine Aufgabenkritik durchführen und auch durch eine überarbeitete Prioritätensetzung bei den Ausgaben so reagieren können, dass Mittel frei für Investitionen werden. Sicherlich stellt die aktuelle Krisensituation eine Besonderheit dar, weshalb die neu im Grundgesetz verabschiedete Schuldenbremse in solchen Zeiten vorübergehend eine zusätzliche Verschuldung ermöglicht. Davon hat die unionsgeführte Bundesregierung durch die Maßnahmenpakete zur Überwindung der Krise Gebrauch gemacht. Jedoch ist der Staat verpflichtet, nach Beendigung der Krise wieder auf den Konsolidierungspfad zurückzukehren.
Wenn der Anteil der Zinslasten bereits mehr als 10 Prozent des jährlichen Haushalts umfasst, so wird deutlich, dass die Verschuldung die politische Handlungsfähigkeit immer mehr einschränkt. Statt z.B. die Mittel in Sozial- oder Umweltprojekte zu investieren, müssen aus Sicht des Bundes unproduktive Zinszahlungen geleistet werden. Unklar ist, was die institutionellen und privaten Empfänger der staatlichen Zinszahlungen mit diesen machen, somit sind diese indirekten Wirkungen mehr oder weniger spekulativ. Leider ist Ihre Vermutung nicht zutreffend, dass die Schulden weitgehend im Inland und z.B. via Bundesschatzbriefe bei unseren Bürgern aufgenommen werden. Die bundeseigene Bundesfinanzagentur in Frankfurt/Main, die das Schuldenmanagement für den Bund durchführt, nimmt auf den internationalen Finanzmärkten insbesonder über institutionelle Großanleger die benötigten Mittel auf; im Übrigen auch in Konkurrenz mit anderen Industriestaaten, die sich ebenfalls verstärkt verschulden. Darüber wird dem deutschen Bundestag regelmäßig berichtet, so dass die parlamentarische Kontrolle gewährleistet bleibt.
Wichtig ist folgendes: Über die zurzeit expansive Fiskalpolitik des Bundes und der Länder hinaus, besteht eine weitere große Unsicherheit. Unklar ist, wie es die Europäische Zentralbank schaffen wird, die im Rahmen der Bankenkrise massiv ins System eingespeiste Liquidität rechtzeitig und umfassend zum Ende der Krise wieder vom Markt zu nehmen. Nur wenn dies gelingt, wird es im Euro-Raum und damit in Deutschland keine nennenswerte Inflation als Folge dieser Maßnahme geben. Jedoch ist das Verhalten auch anderer internationaler Akteure - zum Beispiel das der amerikanischen Zentralbank (die im Übrigen nicht wie die EZB ausschließlich der Preisstabilität verantwortlich ist) - nicht unerheblich für unsere nationale Inflation. Insoweit sehe ich das Thema Inflation ggf. etwas kritischer als Sie.
Gemeinsam müssen wir in den vor uns liegenden Jahren an sehr vielen finanz- und wirtschaftspolitischen „Schrauben“ drehen, damit wir am Ende die Krise gut starten können, ohne eine nennenswerte Inflation. Nur durch geschickte Investitionen schaffen wir heute schon die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und damit für Arbeitsplätze in der Zeit nach der Krise.
Mit freundlichem Gruß
Arnold Vaatz