Frage an Armin Schuster von Erich B. S. bezüglich Soziale Sicherung
Fragen zur r ü c k w i r k e n d e n Kürzung der D i r e k t v e r s i c h e r u n g durch d o p p e l t e Sozialabgaben seit 2004
Sehr geehrter Herr Schuster,
seit ca. 1982 konnten auf Empfehlung der Politik Bürger Vorsorge in Form einer D i r e k t v e r s i c h e r u n g betreiben - der Arbeitgeber führte Versicherungsbeiträge und die dazu pauschal erhobenen Steuern (erst 10 %, am Ende 20%) ab. Vereinbar war eine einmalige Kapitalauszahlung bei Fälligkeit, ohne Abzüge auszahlbar.
Diese Verträge wurden Ende 2003 von allen großen Parteien für Auszahlungen ab 2004 einvernehmlich und additiv zu den bei Beitragszahlung abzuführenden Abgaben r ü c k w i r k e n d mit Sozialabgaben belastet, 18,5%, ohne Übergangsregelung für den Bestand - wie bei anderen und auch Steuer-Gesetzen üblich. Die Versicherten wurden zu betrieblich Altersversicherten befördert, s e l b s t f i n a n z i e r t.
D.h., wer € 50.000 € erspart hatte, bekam ca. € 41.000 heraus, so können Vertragsänderungen 20 Jahre rückwärts wirken.
Für die Rettung der Gesetzliche Krankenversicherung, die mehrere Milliarden € jährlich versicherungsfremde Leitungen aus Beitragsgeldern erbringen muss (s.a. Prof. Raffelhueschen, Freiburg), wurde diese private Vorsorge also r ü c k w i r k e n d gekürzt.
Meine Fragen zum Thema allgemein mit Dank für Ihre Bemühungen:
1. Warum werden erkannte Fehler nicht korrigiert und einer überschaubaren Zielgruppe (ca. 4 Millionen + Partner) ohne Lobby zum Stopfen von GKV-Löchern in die Tasche gelangt, vornehm ausgedrückt?
2. Warum müssen GKV-Versicherte Leistungen finanzieren, die alle Bürger angehen?
3. Die Deutsche Rentenversicherung erbringt jährlich versicherungsfremde Leistungen über 15 Milliarden € (s.a. Teufel - Liste) - kann es sein, dass dieser Missbrauch von Beiträgen zu weiteren Rentenkürzungen führen wird?
4. Wäre es für Sie als Kandidat überraschend, wenn die Betroffenen Ihre Partei nicht wählen könnten?
E. S.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 28. August 2017. Ich nehme dazu gerne Stellung. Ihre Kritik an der Verbeitragung von Versorgungsbezügen aus der betrieblichen Altersvorsorge teile ich nicht.
Wiederkehrende Versorgungsbezüge aus der betrieblichen Altersvorsorge pflichtversicherter Rentner unterliegen seit 1983 der Beitragspflicht. Bei freiwillig Versicherten werden Einkommen aus der betrieblichen Altersvorsorge insoweit der Beitragspflicht unterworfen, als dass sie in die Betrachtung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mitglieds als zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Einnahmen einfließen.
Bei pflichtversicherten Rentnern wurde bis zum 31.12.2003 nur der halbe allgemeine Beitragssatz erhoben. Bei freiwillig versicherten Rentnern wurde seit dem 01.01.1993 der volle Beitragssatz erhoben, soweit sie nicht von einer Besitzstandsklausel profitierten, aufgrund derer nur der ermäßigte Beitragssatz erhoben wurde. Gegen diese Ungleichbehandlung bestanden von Seiten des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtliche Bedenken.
Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz wurde im Jahr 2003 die bestehende Ungleichbehandlung von freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten beendet. Seit dem 1. Januar 2004 wird einheitlich der volle Beitragssatz angewendet. Zudem wurde eine weitere Ungerechtigkeit beseitigt, indem nunmehr auch auf eine einmalige Auszahlung einer Kapitalabfindung Beiträge zur Krankenversicherung erhoben werden.
Grundsätzlich dient die Verbeitragung von Versorgungsbezügen der Stärkung der Beitragsgerechtigkeit und der Solidarität. Eine niedrige Rente bedeutet keineswegs eine entsprechend geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Sie hat sich auch an weiteren Einkünften aus einer früheren beruflichen Betätigung, die der Sicherstellung der Altersversorgung diente, zu orientieren. Es ist gegenüber den übrigen Beitragszahlern ungerecht, wenn ein Rentner aufgrund von Beiträgen, die allein nach seiner niedrigen Rente bemessen und daher gering sind, in den vollen Genuss der Vorteile der Krankenversicherung kommt, während seine weiteren beschäftigungsbezogenen Einnahmen, die beträchtlich sein und seine eigentliche Lebensgrundlage bilden können, außer Betracht bleiben. Unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit ist zu vermeiden, dass die in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Kassenmitglieder den Krankenversicherungsschutz auch solcher Rentner mittragen, die sich mit ihren gesamten Einnahmen zur Altersversorgung möglicherweise in einer besseren wirtschaftlichen Lage befinden als der Durchschnitt dieser „aktiven“ Mitglieder.
Die Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes auf Betriebsrenten und Versorgungsbezüge im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes im Jahr 2003 ist damit begründet worden, dass die eigenen Beitragszahlungen der Rentner nur noch gut 43 Prozent ihrer Leistungsausgaben in der Krankenversicherung abdeckten. Im Jahr 1973 seien die Leistungsaufwendungen der Krankenkassen für Rentner in den alten Ländern noch zu rund 72 Prozent durch die für sie gezahlten Beiträge gedeckt worden. Es war daher ein Gebot der Solidarität der Rentner mit den Erwerbstätigen, den Anteil der Finanzierung der Leistungen durch die Erwerbstätigen nicht noch höher werden zu lassen
Eine Expertenanhörung des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag am 27. Januar 2016 hat gezeigt, dass ein Beibehalten der jetzigen gesetzlichen Regelung weiterhin notwendig ist.
Es wurde deutlich, dass wir ein Gesundheitswesen haben, das allen Versicherten eine moderne und gute Versorgung zur Verfügung stellt. Um dies auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschritts zu gewährleisten, wird der heutigen Generation von Beitragszahlern aber ein größerer Solidarbeitrag für die heute älteren Versicherten abverlangt als den vorangegangen Generationen. Mit dem Blick auf die Generationengerechtigkeit kann ein noch größerer Solidarbeitrag, wie er bei einer Abschaffung der Beitragspflicht auf Betriebsrenten und Versorgungsbezüge zwangsläufig nötig wäre, nicht gerechtfertigt werden. Insbesondere nicht, da die älteren Versicherten heute aufgrund des medizinischen Fortschritts eine spürbar qualifiziertere Gesundheitsversorgung als die von ihnen mitfinanzierten vorangegangen Generationen erhalten. Und das, obwohl der Finanzierungsanteil der Rentner an den von ihnen verursachten Ausgaben - nach einem zwischenzeitlichen Anstieg – wieder auf jenes Niveau gesunken ist, aufgrund dessen die kritisierten Maßnahmen ergriffen wurden.
Im Rahmen der Anhörung kam auch der Aspekt der Doppelverbeitragung zur Sprache. Hierbei wurde deutlich, dass es zwar rein theoretisch die Möglichkeit für solche Fälle gibt, bisher hiervon aber nur eine geringe Zahl von Versorgungsberechtigten betroffen ist, weil eine Entgeltumwandlung in der Anwartschaftsphase nach § 1 Abs.2 Nr. 3 BetrAVG in Höhe von bis zu 4 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rente gemäß § 14 Abs. 1 S.2 SGB IV bei Direktzusage und Unterstützungskasse bzw. gem. § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV bei Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen beitragsfrei bleibt.
Schließlich möchte ich noch auf den Aspekt des Vertrauensschutzes eingehen. Mit dem GMG wurden Veränderungen mit Wirkung für die Zukunft vorgenommen. Da das System der gesetzlichen Krankenversicherung bereits seit langem unter erheblichem Kostendruck steht und es daher auch immer wieder Bemühungen des Gesetzgebers auf Einnahmen- und Ausgabenseite gibt, auf diese Entwicklung zu reagieren, konnten Versicherte nicht auf den Fortbestand privilegierender Vorschriften vertrauen. Sie mussten und müssen ihren Beitrag zur Erhaltung der Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung leisten und damit jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner entlasten. Dazu werden sie entsprechend ihres Einkommens verstärkt zur Finanzierung herangezogen. Vor diesem Hintergrund hat auch das Bundesverfassungsgericht keinen Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes erkennen können.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster