Frage an Armin Schuster von Ernst S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Schuster,
weshalb muss das Demonstrationsrecht eingeschränkt werden?
Welche Straftat begingen Masken Verweigerer?
Corona: Wie sind die Relationen von/zu ...:
Infizierte mit Symptome / Getestete (Absolute Zahlen zu Beidem)?
" ohne " / "
Falsch postiv Getestete / Getestete?
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift, in der Sie sich zu meiner Haltung bezüglich der stärkeren Reglementierung von Großdemonstrationen ähnlich denen am vergangenen Wochenende äußern. Erlauben Sie mir Ihnen meinen Standpunkt nochmals zu erläutern.
Die steigenden Infektionszahlen lassen keinen Zweifel, dass die Corona-Pandemie weiterhin ernst ist. Wer bei Demonstrationen dicht zusammenkommt und AHA-Regeln missachtet, gefährdet sich und andere. Die grundgesetzlich verankerte Demonstrationsfreiheit ist ein wertvolles Gut, beinhaltet aber nicht das Recht, andere in Gefahr zu bringen, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten zu begehen. Geschweige denn, dass bei Großdemos mit zehntausenden Teilnehmern im Infektionsfall der Hauch einer Chance auf Kontaktnachverfolgung bestünde. Der Rechtsstaat muss zum Schutz der Bevölkerung gegen dieses Fehlverhalten Autorität und auch Grenzen aufzeigen.
Deshalb bin ich der Auffassung, dass solche Demonstrationen nur unter sehr strengen Auflagen der Versammlungsbehörden durchgeführt oder bei mangelnder Kooperationsbereitschaft der Veranstalter und zu erwartenden Verstößen bereits im Vorfeld untersagt werden sollten, so wie im Verbotsfall Attila Hildmann in Berlin. Es muss konsequent darauf geachtet werden, dass für jede Demonstration angemessene Hygieneschutzkonzepte vorliegen und dass von Veranstaltern überzeugend dargestellt werden kann, wie alle Veranstaltungsauflagen, beispielsweise Mindestabstand, Mund-Nasen-Bedeckung, Begrenzung der Teilnehmerzahlen, Verzicht auf Sprechchöre und anderes mehr, überhaupt eingehalten werden sollen. Wenn die Versammlungsbehörde nach der Prüfung keine Einwände erhebt, kann eine Demonstration wie angemeldet stattfinden. Wenn im Vorfeld einer Demonstration daran begründete Zweifel bestehen und sogar Straftaten oder andere Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu erwarten sind, wie es aus meiner Sicht am Wochenende in Berlin mit rund 20.000 Teilnehmern der Fall war, dann sollte eine Versammlung auch vorab untersagt werden können.
Es geht bei einer Pandemie um die Abwehr von Gefahren, die vor allem erst nach einer solchen Versammlung für unsere Sicherheit relevant werden, dann aber kaum noch nachverfolgbar sind, wenn die teilweise von außerhalb angereisten Demonstrationsteilnehmer wieder nach Hause zurückgekehrt sind. Einer solchen Situation waren der Gesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht bei der Auslegung der Versammlungsfreiheit noch nie ausgesetzt, und ich erhoffe mir entsprechende Signale auch durch die Justiz.
Prinzipiell sind die Haltungen der Gerichte und des Bundesverfassungsgerichts unter normalen Bedingungen völlig nachvollziehbar, dass das Begehen von Rechtsverstößen während einer Versammlung nicht deren sofortige Auflösung rechtfertigt. Allerdings haben die Gerichte dabei eben stets Ordnungswidrigkeiten im Sinn gehabt, die direkt im Verlauf der Demonstrationen begangen wurden. Heute diskutieren wir unter Corona-Bedingungen eine völlig neue Lage: Es geht um mögliche weitreichende Auswirkungen für die Bevölkerung, die die Durchführung von Demonstrationen ohne angemessenen Infektionsschutz erst im Nachgang der Versammlung entwickeln können. Es muss eine Güterabwägung getroffen werden zwischen dem sehr bedeutenden Grundrecht der Versammlungsfreiheit und der Gefahr für Leib, Leben und die Existenz von Menschen, die durch die Pandemie bedroht sind. Die Frage ist, ob der Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts diese Situation noch abbildet. Ich plädiere daher für eine differenzierte Diskussion darüber, welche Risiken zur Wahrung der Versammlungsfreiheit als akzeptabel definiert werden können und welche nicht, wie die Situation der ca. 20.000 Menschen am Wochenende in Berlin, und gegebenenfalls über gesetzliche Nachjustierungen nachzudenken.
Mir geht es weder um die Beschränkung von politischen Inhalten dieser Demonstrationen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, noch der Meinungsfreiheit, so lange sie keine strafrechtliche Relevanz haben und von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gedeckt sind. Mir geht es darum die Versammlungsfreiheit so zu definieren, dass es auch in einer Pandemie verantwortbar bleibt.
Im Übrigen habe ich mich bereits in der Vergangenheit an kritischen Diskussionen zum Demonstrationsgeschehen der letzten Monate geäußert, ob zu Stuttgart, Frankfurt oder auch zu den Verstößen gegen Corona-Auflagen bei der Black-Lives-Matter-Demonstration Anfang Juni am Berliner Alexanderplatz, bei der die Veranstalter das Tragen der Maske nach meinen Informationen überwiegend durchsetzen konnten ( https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/corona-diskussion-ueberleben-merkels-regeln-diese-demos-71123816.bild.html ).
Bei Interesse können Sie gerne mein Gespräch im ARD-Morgenmagazin unter folgendem Link nachschauen: https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-738899.html?fbclid=IwAR19Nnx5sM1FLVQ_3qiT67QPAAOBJrWpcBInuJeyaD8mUDsFZJ-kZfF8ONc
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster