Frage an Armin Schuster von Katja R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schuster,
mich hat eine Aussage des Finanzministers sehr irritiert, vielleicht können Sie den Gegensatz auflösen:
Es geht um den deutschen Aussenhandelsüberschuss, dazu ist auf Tagesschau.de zu lesen:
"Um diesen Vorwürfen zu begegnen, will Schäuble in Washington ein entsprechendes Argumentationspapier vorlegen, das Experten aus seinem Haus und dem Wirtschaftsministerium erarbeitet hätten, berichten deutsche Medien.Darin wird offenbar argumentiert, der Exportüberschuss lasse sich nur in sehr begrenztem Rahmen durch politische Maßnahmen beeinflussen."
Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/exportueberschuss-debatte-101.html
Wie passt das zur Aussage von Frau Merkel:
"Europa solle „der wettbewerbsfähigste und wissensbasierteste Kontinent auf der Welt sein“ – das hätten die EU-Staaten im Jahr 2000 bereits ausgemacht."
Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschland/article156757361/Jetzt-will-Angela-Merkel-die-EU-optimieren.html
Wenn die Politik keinen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit hat, wie Herr Schäuble meint, wieso dann diese Aussage und die ganzen "Strukturanpassungsprogramme" in den Krisenländern? Kann die Politik das beeinflussen? Wenn ja, stimmt die Aussage zu den Überschüssen nicht, wenn Nein, sind die Anpassungsprogramme falsch. Meine Logik streikt, können Sie mir weiter helfen?
MfG
Katja Rauschenberg
Sehr geehrte Frau Rauschenberg,
vielen herzlichen Dank für Ihre Anfrage vom 24.04.2017, in der Sie sich zum Thema "Außenhandelsüberschuss der Bundesrepublik Deutschland" äußern. Gerne werde ich Ihnen im Folgenden antworten.
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der von Ihnen zitierten Aussage, Europa "solle der wettbewerbsfähigste und wissensbasierteste Kontinent auf der Welt sein", auf eine Entscheidung des Europäischen Rates bezieht: Dieser war am 23.-24.03.2000 in Lissabon zu einer Sondertagung zusammengetroffen, um neue strategische Ziele festzulegen, in deren Rahmen Beschäftigung, Wirtschaftsreform und sozialer Zusammenhalt als Bestandteil einer wissensbasierten Wirtschaft der EU gestärkt werden sollten. Die Europäische Union sollte sich im Rahmen dieser Ziele für den Zeitraum von 2000-2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt entwickeln. Nach dem britischen Votum für einen Austritt aus der EU wollte die Bundeskanzlerin mit Ihrer Aussage an eben diese Zielsetzungen erinnern. Gemeint sind damit aber nicht - wie von Ihnen geäußert - politische Eingriffe in den Außenhandel, sondern vordergründig Investitionen in den Bereichen Forschung und Entwicklung. Diesen Anspruch muss jedes Mitgliedsland der EU selbst haben; dies kann nur schwer politisch beeinflusst werden. Einen direkten Widerspruch zu den Aussagen von Finanzminister Wolfgang Schäuble kann ich daher nicht erkennen.
Mit Sicherheit spielen zahlreiche Faktoren in Bezug auf das deutsche Außenhandelsvolumen eine Rolle. Viele davon sind aber von Deutschland alleine nicht zu beeinflussen. Gegenüber den USA ist beispielsweise ein Exportüberschuss auch damit zu begründen, dass eine schwache europäische Währung den deutschen Export stark ankurbelt. Die Bundesregierung hat dabei allerdings im Gegensatz zu den USA keinen direkten Einfluss auf die Steuerung des Euro-Kurses. Meiner Meinung nach kann es nicht darum gehen, wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Senkung des deutschen Leistungsbilanzüberschusses zu ergreifen, ich halte das auch schlicht nicht für möglich. Der deutsche Handelsüberschuss ist auf die Qualität und Attraktivität deutscher Produkte zurückzuführen und nicht auf politische Interaktion und Währungsmanipulation. Strukturelle Probleme in anderen Ländern würden durch eine Drosselung des deutschen Exports nicht gelöst. Diese Nationen kritisieren die Bundesrepublik und fordern Gegenleistungen ein, erhalten aber andererseits Gelder aus Brüssel, die zur Reformation der Arbeitsmärkte und zur Vorbereitung von Firmen auf den Einstieg in globale Märkte verwendet werden sollen.
Hinzu kommt eine Geldschwemme durch die Notenbanken, die Finanzminister Schäuble zu Recht stark kritisierte: Risikobereitschaft werde so in unangemessenem Maße befeuert, fehlgeleitete Kapitalströme und Preisblasen seien die Folgen. Dies sind riskante Vorgänge, die hinsichtlich einer weiteren Finanzkrise dringend vermieden werden müssen. Die US-Notenbank hat bereits den Ausstieg aus einer derart lockeren Geldpolitik eingeleitet und auch die EZB muss diesem Beispiel folgen.
Als abschließende Bemerkung möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die hohen deutschen Überschüsse bereits zurückgehen. Aufgrund der dynamischen Inlandsnachfrage in den kommenden Jahren wird einerseits eine Verringerung erwartet. Andererseits müssen aber auch die Entwicklungen der Rohstoffmärkte beachtet werden. Zudem ist das US-Handelsbilanzdefizit mit Deutschland bereits 2016 von 77 Milliarden auf 68 Milliarden US-Dollar deutlich gesunken. Der Abbau von Exportüberschüssen hängt mit den Investitionen Deutschlands in die Kinderbetreuung und besonders die Integration von Flüchtlingen, die konstant ausgebaut werden, zusammen.
Diesen Kurs, einer verstärkt staatlichen Investitionsquote, werden wir fortsetzen, insbesondere im Bereich Infrastruktur und Bildungs- sowie Forschungspolitik.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster MdB