Frage an Armin Schuster von Markus O. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Schuster,
Sie haben sich ja bereits deutlich als Befürworter der Vorratsdatenspeicherung zu erkennen gegeben. Mittlerweile liegt der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor. Meine Fragen an Sie lauten:
1. Warum wird die Datenschutzbeauftragte, Andrea Voßhoff, die zudem Ihrer Partei angehört, nicht bei fraktionsinternen Beratungen gehört?
2. Wie stehen Sie zu den fragwürdigen Zusatzregelungen des Gesetzentwurfs, die eine Datenhehlerei unter Strafe stellt, aber damit Whistleblower und Journalisten gefährdet?
3. Was sagen sie zur geheimen, pardon, nicht-öffentlichen Nebenabrede, die den Richtervorbehalt durch die Möglichkeit der Bestandsdatenauskunft ad absurdum führt?
4. Was sagen sie zur Einschätzung der Bundestags-Juristen, die den Gesetzesentwurf für verfassungswidrig halten?
5.Befürworten Sie den ursprünglichen Zeitplan, das Gesetz noch vor der Sommerpause umzusetzen, obwohl es zunehmend Kritik gibt und so eine ausgewogene und gebotene Diskussion unmöglich wäre?
6.Gibt es konkrete Fälle, in denen die Vorratsdatenspeicherung nützlich war? Das Bundesjustizministerium konnte jüngst keine nennen.
7. Wenn das Gesetz erneut vom Bundesverfassungsgericht und oder dem Europäischen Gerichtshof kassiert wird -welche persönlichen und politischen Konsequenzen werden Sie ziehen?
8.Vor dem Hintergrund der aktuellen Hackerangriffe auf den Bundestag- wie wollen Sie die erhobenen Daten denn ausreichend schützen können, wenn es anscheinend der eigenen IT-Verwaltung nicht gelingt, Ihr System ausreichend abzusichern? Provider und polizeilichen IT-Strukturen sind sicherlich weniger, bzw. ähnlich geschützt. Ich bedanke mich im Voraus, auch für Ihre vorbildliche Bemühung um Antworten auf abgeordnetenwatch.de
Und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Markus Opitz
Sehr geehrter Herr Opitz,
vielen Dank für Ihre erneuten Anfragen zur Vorratsdatenspeicherung vom 11. Juli 2015 und die Gelegenheit auf Ihre Fragen einzugehen:
1. Warum wird die Datenschutzbeauftragte, Andrea Voßhoff, die zudem Ihrer Partei angehört, nicht bei fraktionsinternen Beratungen gehört?
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zuletzt im Mai 2014 an einer Sitzung der Innenpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion teilgenommen hat. Meines Wissens tauschen sich auch meine Fraktionskollegen im Rechtsausschuss regelmäßig mit ihr aus. Im Innenausschuss war sie im April, im Parlamentarischen Kontrollgremium vor wenigen Wochen erst präsent.
2. Wie stehen Sie zu den fragwürdigen Zusatzregelungen des Gesetzentwurfs, die eine Datenhehlerei unter Strafe stellt, aber damit Whistleblower und Journalisten gefährdet?
Sie stellen richtig fest, dass der Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) vorsieht den neuen Straftatbestand der "Datenhehlerei" einzuführen. Daten sind einerseits ein wichtiges Instrument zur Strafverfolgung. Andererseits müssen wir sicherstellen, dass Daten vor Ausspähung geschützt sind und der Handel mit ausgespähten Daten unterbunden wird. Die Pressefreiheit wird dadurch nicht gefährdet, denn der Gesetzentwurf nimmt journalistische Tätigkeiten zur Vorbereitung einer konkreten Veröffentlichung ausdrücklich vom Straftatbestand der Datenhehlerei aus. Zum Schutz von Whistleblowern (Hinweisgebern), die interne Informationen von Behörden oder Unternehmen offenlegen, sieht dieser Gesetzentwurf keine Regelungen vor. Dazu soll gegebenenfalls ein eigenständiger Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht werden. Im Koalitionsvertrag haben wir mit der SPD vereinbart zu prüfen, ob die internationalen Vorgaben zum Hinweisgeberschutz hinreichend umgesetzt sind. Derzeit wird noch untersucht, ob das deutsche Recht internationalen Übereinkommen oder Empfehlungen zum Hinweisgeberschutz entspricht. Die Vorratsdatenspeicherung und das Thema Hinweisgeberschutz werden also getrennt voneinander bearbeitet. Während über die Wiedereinführung der VDS in der Koalition Einigkeit besteht, wird beim Hinweisgeberschutz noch geprüft, ob es überhaupt Regelungsbedarf gibt. Insofern ist die getrennte Bearbeitung sinnvoll.
3. Was sagen sie zur geheimen, pardon, nicht-öffentlichen Nebenabrede, die den Richtervorbehalt durch die Möglichkeit der Bestandsdatenauskunft ad absurdum führt?
Zwischen Bestands- bzw. Kundendaten und Verkehrsdaten besteht ein wesentlicher Unterschied. Unter „Bestandsdaten“ versteht man die Angaben, die der Telefon- oder Internetanbieter dauerhaft vom Kunden speichert. Dazu gehört, was der Kunde bei Vertragsabschluss angibt, etwa Name, Adresse und Kontodaten, aber auch Passwörter und IP-Adressen. Behörden wie Polizei, Zoll und Nachrichtendienste können diese Kundendaten bei Telekommunikationsanbietern ohne Richtervorbehalt über deren Kunden abfragen. Die Erhebung dieser Daten ist kein Eingriff in das Post- und Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Grundgesetz (GG). Anders verhält es sich mit den "Verkehrsdaten", die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, darunter Dauer, Beginn und Ende der Telekommunikation, Rufnummern etc. Ihre Erhebung gilt als Eingriff in das Post- und Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 GG. Um bestimmte Verkehrsdaten geht es bei der Neuregelung der VDS. Sie werden bei den Telekommunikationsanbietern gespeichert und sollen einzeln von den Strafverfolgungsbehörden nur dann genutzt werden dürfen, wenn ein Richter dies für den konkreten Einzelfall nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen erlaubt. Die Datennutzung soll also einem umfassenden Richtervorbehalt unterliegen. Von geheimen Nebenabreden ist mir nichts bekannt.
4. Was sagen sie zur Einschätzung der Bundestags-Juristen, die den Gesetzesentwurf für verfassungswidrig halten?
Die Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages sind Einzelmeinungen der Verfasser, über die man geteilter Meinung sein kann wie über andere Gutachten auch. Der parlamentarische Abstimmungsprozess ist auch dazu da wissenschaftliche Stimmen einzubeziehen. Zum Beispiel wird es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eine öffentliche Anhörung geben, bei der Experten und Praktiker die Gelegenheit haben werden Stellung zu dem Gesetzentwurf zu nehmen.
5. Befürworten Sie den ursprünglichen Zeitplan, das Gesetz noch vor der Sommerpause umzusetzen, obwohl es zunehmend Kritik gibt und so eine ausgewogene und gebotene Diskussion unmöglich wäre?
Nach der Sommerpause wird es eine öffentliche Anhörung mit Sachverständigen und die Gelegenheit zu ausgewogenen Diskussionen geben. Im Anschluss hoffe ich auf eine schnelle Verabschiedung, da die Arbeit unserer Strafverfolgungsbehörden dadurch erheblich unterstützt wird.
6.Gibt es konkrete Fälle, in denen die Vorratsdatenspeicherung nützlich war? Das Bundesjustizministerium konnte jüngst keine nennen.
Im Bundestagsuntersuchungsausschuss zum Fall Edathy haben die Ermittler des BKA und Vertreter der zuständigen Staatsanwaltschaften nicht nur zu diesem Fall sondern auch generell über ihre Ermittlungsarbeit im Deliktsfeld Kinderpornografie berichtet. Vom BKA-Vizepräsidenten bis zum Sachbearbeiter und Oberstaatsanwalt haben alle Befragten einhellig die Vorratsdatenspeicherung (VDS) als fehlendes Ermittlungsinstrument beklagt und ihre Wiedereinführung gefordert. Sie nannten zahlreiche Beispielfälle, in denen die IP-Adresse als einzige Spur aufgrund der fehlenden VDS nicht mehr nachverfolgt und somit Opfer, Tatort oder Täter nicht identifiziert werden konnten. Ein Kriminalbeamter schilderte, dass ihm die Notwendigkeit der Mindestspeicherfrist besonders bewusst geworden sei, als er sich ein Video anschauen musste, "wo ein mehrere Monate altes Kind auf übelste Weise missbraucht worden ist" und die IP-Adresse der einzige Ermittlungsansatz gewesen wäre. Im Jahr 2010 veröffentlichte das BKA eine Studie, mit der die negativen Folgen der Aussetzung der Mindestspeicherfristen für die Ermittlungsarbeit offenbar wurden: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/Sicherheit/Mindestspeicherfrist/studie.pdf?__blob=publicationFile .
7. Wenn das Gesetz erneut vom Bundesverfassungsgericht und oder dem Europäischen Gerichtshof kassiert wird -welche persönlichen und politischen Konsequenzen werden Sie ziehen?
Weder das Bundesverfassungsgericht noch der Europäische Gerichtshof haben die VDS per se verboten. Nur die konkreten gesetzlichen Ausgestaltungen müssen den europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Wie bereits in meinem letzten diesbezüglichen Schreiben an Sie ausgeführt, bin ich sehr optimistisch, dass das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelingen wird. Er beachtet nicht nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs, sondern ist auch deutlich restriktiver als das, was früher als VDS bezeichnet wurde:
- Es werden weniger Daten gespeichert; etwa E-Mail-Daten sind ganz ausgenommen.
- Es wird sehr viel kürzer gespeichert; die alte EU-Richtlinie sah eine Speicherung bis zu zwei Jahre vor.
- Die Voraussetzungen für den Zugriff auf die Daten sind strenger; der Kreis der Taten, für deren Aufklärung die Daten genutzt werden dürfen, ist enger.
In dieser restriktiven Form kann der Gesetzentwurf auch richtungweisend für die Ausarbeitung einer neuen europäischen Richtlinie sein. Im Übrigen ist der Gesetzgeber verpflichtet, den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden. Dem kommt die schwarz-rote Koalition nach und das werden wir auch bei künftigen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts so halten.
8. Vor dem Hintergrund der aktuellen Hackerangriffe auf den Bundestag- wie wollen Sie die erhobenen Daten denn ausreichend schützen können, wenn es anscheinend der eigenen IT-Verwaltung nicht gelingt, Ihr System ausreichend abzusichern? Provider und polizeilichen IT-Strukturen sind sicherlich weniger, bzw. ähnlich geschützt.
Den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Datensicherheit wird - übrigens auch nach Meinung der von Ihnen zitierten Wissenschaftlichen Dienste - mit dem Gesetzentwurf Genüge getan. Die Daten sollen nicht auf staatlichen Servern sondern bei den Telekommunikationsanbietern selbst gespeichert werden. Diese werden durch den Gesetzentwurf technisch und allgemein verpflichtet, bei der Speicherung, Verwendung und Sicherung der Vorratsdaten einen besonders hohen Standard an Datensicherheit und Datenqualität zu gewährleisten.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster MdB