Frage an Armin Schuster von Markus O. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Schuster,
aufgrund der schrecklichen Ereignisse in Paris wird aktuell die Vorratsdatenspeicherung (VDS) wieder diskutiert. Frau Merkel und Herr de Maizière, die ja bekannterweise beide Ihrer Partei angehören, fordern die Wiedereinführung dieser Maßnahme.
Angesichts der Tatsache, dass die VDS das Attentat in Paris nicht verhindert hat, dass sie 2010 vom Bundesverfassungsgericht und 2014 vom Europäischen Gerichtshof als unvereinbar mit den europ. Grundrechten erklärt wurde, dass mehrere Studien die Wirksamkeit in Frage stellen und Millionen Bürger anhaltslos überwacht werden, stellt sich mir die Frage, warum Ihre Partei diese Position vertritt. Die VDS wird nicht nur von der Mehrheit der deutschen Bürgerinnen und Bürger abgelehnt, sie weist nachweislich auch einen geringen Nutzen und ein hohes Missbrauchsrisiko auf (eine Übersicht findet sich u.a. im dementsprechenden Wikipedia-Artikel, inkl. Quellen).
Vielleicht erinnern Sie sich an die Worte des norwegischen Ministerpräsidenten Stoltenberg nach dem Attentat in Oslo 2011: "Wir dürfen unsere Werte, die am 22. Juli angegriffen wurden, nie aufgeben: Humanität, Vielfalt, Solidarität und eine offene Gemeinschaft. Sie sind unsere stärkste Waffe und unsere stärkste Verteidigung gegen Gewalt und Terror." Mit Ihrer Haltung zerstören Sie letztendlich das, was sie vorgeblich schützen wollen: unsere Freiheit!
Mit der Bitte um eine zeitnahe Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Markus Opitz
Sehr geehrter Herr Opitz,
richtig ist, dass die Auswertung der Telekommunikationsdaten nach den Anschlägen in Paris entscheidend dafür war, sehr schnell Verbindungen zwischen den Attentätern und involvierten Personen, der Ehefrau des einen und der Lebensgefährtin des anderen Täters herzustellen. So ist durch die Auswertung der Verbindungsdaten mittlerweile bekannt, dass der Kontakt zwischen Coulibaly und den Brüdern Chérif und Saïd Kouachi offenbar sehr eng war. Coulibalys Lebensgefährtin Hayat Boumeddiene und die Frau von Cherif Kouachi sollen nach Ermittlerangaben vor den Attentaten etwa 500 Mal miteinander telefoniert haben. Mit Hilfe der Vorratsdatenspeicherung können Strukturen erkannt und weitere Terroranschläge gegebenenfalls verhindert werden.
Die Terrorgefahr wird uns auf absehbare Zeit begleiten, wie der jüngste Anschlag in Kopenhagen erneut zeigt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert, dass das Instrument der Mindestspeicherfrist für Verbindungsdaten für mindestens drei Monate unter Berücksichtigung der strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH bei der Bekämpfung von schweren Straftaten künftig eingesetzt wird. Im Gespräch mit den Praktikern der Sicherheitsbehörden, zum Beispiel Mitarbeitern des Bundeskriminalamts, wird immer wieder deutlich, wie absurd sich die Situation derzeit gestaltet. Bei Hinweisen auf schwere Straftaten wie zum Beispiel den Missbrauch von Kindern oder Computerbetrug, bei denen eine IP-Adresse oft den einzigen Ermittlungsansatz bietet, stellen die Behörden die von vornherein fast aussichtslose Anfrage an die Provider. Aufgrund der fehlenden Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung erhalten sie in den wenigsten Fällen noch eine Auskunft, obwohl die Anfrage zumeist innerhalb der ersten sieben Tage gestellt wird. Gleichzeitig dürfen Provider die Verbindungsdaten zum Zwecke der Abrechnung speichern. Ich bin davon überzeugt, dass eine Neuregelung mit festen Mindestspeicherfristen und unter strengen Vorgaben (Datenabruf grundsätzlich unter Richtervorbehalt, Gewährleistung eines hohen Niveaus der Datensicherheit) ein Mehr an Datenschutz zur Folge haben wird anstatt ihn auszuhebeln. Denn: Niemand weiß heute genau, welcher Provider diese Daten für wie lange speichert.
Alle Experten, Kriminalbeamte, die Polizeipräsidenten, Staatsanwälte, Richter und parteiübergreifend alle Innenminister aus Bund und Ländern fordern vehement die von Karlsruhe ermöglichte Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Wir reden hier nur über die Speicherung der Verkehrsdaten, d.h. Dauer, Beginn und Ende der Telekommunikation, E-Mailadresse, IP-Adresse, Funkzelle. Dabei handelt es sich um technische Daten und nicht den Inhalt der Kommunikation. Ich setze gerade jetzt auf Realpolitiker wie Sigmar Gabriel und bin zuversichtlich, dass auch die SPD die Umsetzung in der Koalition endgültig auf die Tagesordnung setzen wird. Und ich bin überzeugt, dass wir ein verfassungskonformes deutsches Gesetz formulieren können, gewissermaßen als Musterentwurf, der auch vor dem EUGH besteht.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster MdB