Frage an Armin Schuster von Frank S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schuster,
Sie haben im Bundestag gegen den Antrag "Privatisierung der Wasserversorgung verhindern" gestimmt. - Inwiefern haben Sie damit die Interessen Ihrer Wählerschaft vertreten?
Danke und freundliche Grüße
Sehr geehrter Herr Seise,
Ihre E-Mail vom 18. August diesen Jahres über abgeordnetenwatch habe ich erhalten.
Ich gehe davon aus, dass Sie die Abstimmungen über die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen „Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür“ und der Linken „Wasser ist Menschenrecht – Privatisierung verhindern“ im Frühjahr diesen Jahres meinen.
Die Anträge der beiden Oppositionsparteien waren in den Augen der Regierungskoalition populistische Anträge, die am Wesen des Problems – nämlich das Problem der EU-Konzessionsrichtlinie – vorbeigingen. Auch CDU und CSU haben klar gesagt, dass wir gegen eine Privatisierung der Trinkwasserversorgung sind und das Wasser nicht zum Spekulationsobjekt werden darf (s. Plenarprotokoll vom 28. Februar 2013: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/17/17225.pdf#P.27973 )
Die EU-Richtlinie hat sich übrigens auch nicht vorrangig mit der Privatisierung des Trinkwassers beschäftigt, sondern sie sollte der Korruptionsbekämpfung dienen. In vielen europäischen Staaten gibt es nach wie vor bei der Vergabe von Konzessionen massive Probleme hinsichtlich Transparenz und Korruption. Hier will die Kommission Abhilfe schaffen, und das ist ein guter Anspruch. Ein guter und lesenswerter Artikel über die „Wasserlüge“ findet sich bei Zeit online: http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-02/wasser-stadtwerke-privatisierung-eu-kommission .
Als Reaktion auf die vor allem in Deutschland und Österreich gestartete Unterschriftensammlung haben wir in Artikel 1 der Richtlinie nun ausdrücklich bestätigt, dass eine Privatisierung öffentlicher Unternehmen zur Erbringung von Dienstleistungen gegenüber dem Bürger nicht vorgeschrieben ist.
CDU und CSU haben sich im Europaparlament mit allen Kräften für eine bessere Regelung in der EU-Konzessionsrichtlinie eingesetzt. Mit Erfolg. Durch unseren Einsatz wird sich die Situation der Stadtwerke in Deutschland erheblich verbessern. Immer dann, wenn die Stadtwerke, die mehrheitlich der Kommune gehören, zumindest 80 Prozent der Wasserversorgung auf der eigenen Gemarkung erbringen, besteht keine Ausschreibungspflicht.
Damit stünden die deutschen Stadtwerke in bestimmten Fällen künftig besser da als nach derzeitiger deutscher Rechtsprechung (so nimmt beispielsweise das OLG Frankfurt/Main (11 Verg 3/11) eine generelle Ausschreibungspflicht bei Mehrspartenunternehmen an).
Die Richtlinie entspricht im Übrigen auch unseren sonstigen politischen Prinzipien:
- Das Subsidiaritätsprinzip wird geachtet: Nach wie vor entscheiden die Kommunen allein, wie sie ihre Wasserversorgung erbringen wollen. Die CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament haben durchgesetzt, dass sich die EU nicht in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie einmischen darf. 100% kommunale Versorgungsstrukturen bleiben vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen.
- Die Transparenz der Vergabe bei öffentlichen Konzessionen wird erhöht: Mit den öffentlichen Mitteln der Gebührenzahler muss EU-weit transparent umgegangen werden. Kommunen sollen den Bürgern kostengünstiges und sauberes Wasser zur Verfügung stellen.
- Der Binnenmarkt wird gestärkt: Fairer Wettbewerb und offene Märkte in allen Mitgliedstaaten. Deutsche Unternehmen/Stadtwerke erbringen auch jetzt bereits Dienstleistungen in anderen Mitgliedsstaaten, auch im Bereich der Wasserversorgung.
- Rechtssicherheit bei öffentlichen Aufträgen: Klare, verbindliche Regelungen auf EU-Ebene statt richterrechtlicher Kriterien führen zu einem transparenten und nicht-diskriminierenden Vergabeverfahren.
- Die Kommunen entscheiden: auch künftig können die Kommunen sämtliche - auch soziale - Bedingungen selbständig festlegen, die für die Vergabeentscheidung vor Ort maßgeblich sein sollen.
Bei der jetzt gültigen Regelung sind nur insgesamt acht Stadtwerke in ganz Deutschland betroffen und das deshalb, weil sie weniger als 80 % der Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringen oder Mehrspartenunternehmen sind.
Sehr geehrter Herr Seise, ich hoffe, ich konnte Ihnen die komplexen Hintergründe verdeutlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster MdB