Frage an Armin Schuster von Hermann R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schuster,
nachdem Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat ins Gespräch gekommen war, warfen Sie und Ihre Partei, die Christlich Demokratische Union, ihm vor, dass er für seine Reden als Abgeordneter Geld angenommen hatte. Auch ich befürchte, dass durch solche Beziehungen leicht auch Abhängigkeiten entstehen können. Deshalb forderten Sie von ihm zu Recht eine Offenlegung seiner Nebeneinkünfte.
Ich verstehe daher nicht, wie Sie und Ihre Partei auf der einen Seite vom politischen Gegner Transparenz zu fordern, auf der anderen Seite aber gegen ein Gesetz zu stimmen, durch das jeder Abergeordnete zu einer Offenlegung seiner Nebeneinkünfte verpflichtet würde.
Mit der Bitte um Aufklärung
freundliche Grüße aus dem Markgräfler Land
Hermann Rakow
Sehr geehrter Herr Rakow,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage vom 12. Dezember 2012 zum Thema Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Ich bin der Meinung, dass die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran hat, dass Abgeordnete über ihre Nebeneinkünfte Auskunft geben. Mögliche inhaltliche oder thematische Verbindungen sollen für den Bürger erkennbar sein. Wer nun aber – wie SPD und Grüne – die Offenlegung aller Nebeneinkünfte von Abgeordneten auf Euro und Cent fordert, erreicht dadurch keine vollendete Transparenz, sondern schadet dem Ansehen öffentlicher Mandatsträger. Die Forderung nach dem „gläsernen Abgeordneten“ verkennt das Ziel von Transparenz und die Bedeutung des freien Mandats in unserer parlamentarischen Demokratie.
Das 2007 eingeführte Stufensystem für die Offenlegung von Nebentätigkeiten wird dieser Forderung gerecht. In drei Stufen von 1.000, 3.500 und 7.000 Euro müssen Abgeordnete des Deutschen Bundestags ihre (monatlichen) Einkünfte pauschaliert und nach Herkunft anzeigen. Wie wirksam bereits diese Regelung ist, zeigte die Diskussion um die Nebeneinkünfte von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Innerhalb kürzester Zeit hatte das Portal „abgeordnetenwatch.de“ ein Ranking der zehn Abgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften erstellt und die öffentliche Debatte weiter vorangetrieben.
Das zeigt: Das Stufensystem als solches wird dem Zweck von Transparenz gerecht. Nachbesserungsbedarf besteht bei der Einteilung der Stufen. Die geltende Regelung mit der letzten Stufe ab 7.000 Euro differenziert in den höheren Einkommensbereichen nicht mehr ausreichend. Da werden wir nacharbeiten.
Was wir aber nicht brauchen, ist der „gläserne Abgeordnete“ – der Politiker, der sich nicht nur im Zweifelsfall rechtfertigen, sondern der im Regelfall bis ins letzte Detail über seine wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft geben muss. Das widerspricht der Idee unseres Grundgesetzes von einem freien Mandatsträger, der sein politisches Amt schöpferisch, gestaltend und einzig seinem Gewissen verpflichtet ausübt. Denn auch wenn der Abgeordnete gesetzlich angehalten ist, das Mandat in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit zu stellen: Der Abgeordnete handelt – anders als Beamte – nicht in Dienstpflicht und Abhängigkeit.
In diesem Spannungsverhältnis von mehr demokratischer Kontrolle und freiem Mandat müssen wir eine kluge und praktikable Lösung finden. Das erreichen wir durch ein ausdifferenziertes Stufensystem. Die völlige wirtschaftliche und finanzielle Transparenz stünde hingegen nicht im Dienst von mehr Kontrolle und Demokratie. Sie wäre Transparenz einzig um ihrer selbst willen.
Was die Auseinandersetzung mit Herrn Steinbrück betrifft, bin ich der Meinung, dass wir uns besser auf eine inhaltliche Debatte konzentrieren sollten. Ich sehe an dieser Stelle mindestens genau so viel Erklärungsbedarf seitens des SPD-Kanzlerkandidaten.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster