Frage an Armin Schuster von Hans Kiermayer d. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schuster,
bisher hörte ich von der Regierungsinitiative nur übers Radio, insofern mag noch manches Mißverständnis vorhanden sein. Doch ich höre, daß der Verfassungsschutz beauftragt werden soll alle Vereine, die sich engagieren und dabei irgendwie gegen die bestehenden Gesetze verstoßen, benennen könnte und damit bewirken könnte, daß der Verein seine Gemeinnützigkeit verliert. Dieses Ansinnnen stellt für mich einen völlig unkontrollierten Eingriff in die Arbeit so wichtiger und keinesfalls verzichtbarer Vereine wie Greenpeace, ProAsyl, Bund etc dar, daß deren Arbeit verunmöglicht würde. Was wäre die BRD ohne diese Vereine, die sich - als letztes Mittel des bürgerlichen Protestes - , immer wieder einmal über bestehendes Recht im Sinn eines passiven Ungehorsams zur Wehr setzen. Wie soll sich denn dann ein Minderheiteninteresse, wie das der Asylsuchenden oder andrer Randgruppen noch irgendwo Gehör verschaffen, wenn nicht durch diese Vereine!
Ein zweiter Gesichtspunkt: VErfassungsschutz.
Gerade hörten wir, daß der nicht einmal im Stande ist, seine eigene VErwaltungstätigkeit nach Recht und Gesetz durchzuführen, sondern Akten verschwinden ließ. Soll so eine undurchsichtige Behörde unter Ausschluß der Öffentlichkeit bestimmen dürfen über Bürgerrechtsbewegungen?
Ich bitte Sie dazu Stellung zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr H. Kiermayer
Sehr geehrter Herr Dr. Kiermayer,
es geht um Vereine, die im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden. Bisher können die Finanzämter entscheiden, dass auch ein im Verfassungsschutzbericht erwähnter Verein gemeinnützig ist. Diese Möglichkeit soll nach dem Willen des Finanzministeriums (Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013) nun entfallen, sodass ein solcher Verein klagen müsste. Weder Greenpeace noch ProAsyl etc. werden im Verfassungsschutzbericht erwähnt, wohl aber Vereinigungen wie Antifa, bestimmte rechtslastige Burschenschaften sowie islamistische Gruppierungen. Den Verfassungsschutzbericht 2011 finden Sie hier. http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Verfassungsschutz/BVT_VSB_2011_online.pdf
Darüber wird sicher noch zu diskutieren sein, grundsätzlich halte ich es aber für richtig, dass Vereinigungen, die auffällig geworden sind, die Gemeinnützigkeit aberkannt wird. Jeder kann anhand des Berichts nachvollziehen, warum diese Vereinigungen dort erwähnt werden, und der Klageweg steht diesen jederzeit offen. Allerdings sehe ich für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und andere Ermittlungsbehörden einigen Reformbedarf, insbesondere was die Kooperation mit anderen Ermittlungsbehörden betrifft.
Im NSU-Untersuchungsausschuss beschäftigen wir uns mit dem Versagen der Ermittlungsbehörden bei der Mordserie. Noch haben wir nicht abschließend aufklären können, warum so viele Fehler passiert sind. Ich vermute: Behördenegoismen, mangelnder Wille zur Kooperation, Eitelkeiten und persönliches Versagen haben die Ermittlungen blockiert. Aktenvernichtungen sind aufgrund von bestimmten gesetzlichen Fristen vorgeschrieben, daran hat sich das BfV offenbar nicht gehalten. Der ehemalige BfV-Chef Fromm hatte angeordnet, immer dann zu vernichten, wenn man auf alte Akten stoßen würde. So scheint es im November 2011 passiert zu sein, als das NSU-Trio enttarnt und damit die Mordserie aufgeklärt wurde. Die Aktenvernichtung an sich entspricht dem Gesetz, nicht aber ihre Aufbewahrung bis dahin. Der Zeitpunkt der Vernichtung legt allerdings den Schluss nahe, dass vertuscht werden sollte. Meine Vermutung als ehemaliger Beamter: Die BfV-Beamten haben festgestellt, dass die Akten längst geschreddert hätten sein sollen. Da sie befürchteten, ihre laxe Löschpraxis könnte ans Licht kommen, haben sie die Akten dann sofort vernichtet. Keine vertrauenserweckende Praxis, da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Da sehe ich jede Menge Reformbedarf, und ich bin ganz froh darüber, dass wir jetzt so ergebnisoffen darüber diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster