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Armin Schuster
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Frage von Alfred B. •

Frage an Armin Schuster von Alfred B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Schuster,

Mit dem ESM soll den Märkten wieder einmal vorgespielt werden, dass alle Euro-Mitgliedstaaten solidarisch für alle haften. Das haben wir schon beim EFSF gesehen, man glaubt es immer weniger. In Wirklichkeit interessiert die Märkte nur eine Haftung durch Deutschland. Die meisten anderen Eurostaaten sind ohnehin mehr oder weniger bankrott. Warum um Gotteswillen haben sie zugestimmt?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr , sehr geehrter Herr Butz,

da Ihre Fragen die zwei eng miteinander verbundene Felder Eurokrise betreffen, möchte ich sie gemeinsam beantworten.

Die Meinungen zu den Ergebnissen des jüngsten EU-Gipfels am 29.06.2012 gehen deutlich auseinander. Insbesondere in den Medien wird gerne von einer Vergemeinschaftung der Schulden durch den ESM gesprochen. Daher möchte ich Sie zunächst über einige zentrale Details des Vertrages informieren:

Mit dem ESM entsteht keine unkontrollierbare "Superbehörde" und auch keine "Mega-Bank". Jede Regierung der Eurozone ist im Gouverneursrat, dem obersten Leitungs- und Kontrollorgan des ESM, mit einem Mitglied vertreten. Für Deutschland wird der Sitz durch den Bundesfinanzminister wahrgenommen. Die operativen Ge-schäfte werden durch ein vom Gouverneursrat zu bestimmendes Direktorium aus Wirtschafts- und Finanzexperten vorgenommen. Damit werden sowohl möglichst großer Sachverstand in der Leitung des ESM, wie auch die erforderliche politische Kontrolle gewährleistet.

Insbesondere die zentrale Kontrollmöglichkeit der Parlamente über den Staatshaushalt bleibt auch nach der Einführung des ESM erhalten. Die in Art. 9 ESM genannte Abrufung von Kapital bezieht sich ausdrücklich auf "genehmigtes" aber "nicht eingezahltes Kapital", d. h. es betrifft die durch die Ratifizierung des ESM-Vertrages durch die Parlamente bereits bewilligten Mittel. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass nicht die komplette Summe von Anfang an in den ESM einbezahlt wird. Eine Kontrolle hat hier aber dennoch über die Parlamente bereits stattgefunden. Darüber hinaus kann der ESM keine weiteren Mittel anfordern, die nicht durch die entsprechenden Verfahren der Länderparlamente bewilligt wurden (Art. 10 Abs. 1 Satz 3 ESM: "Dieser Beschluss tritt in Kraft, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben."). Ein Automatismus ist durch den ESM-Vertrag keinesfalls gegeben und der Deutsche Bundestag wird seinen Kontrollaufgaben in vollem Umfange nachkommen. Eine Erhöhung des Grundkapitals des ESM kann nur "im gegenseitigen Einvernehmen", d. h. einstimmig, erfolgen (Art. 4 und 5 ESM). Daher sind weitere Zahlungen ohne die Zustimmung des Bundestages nicht möglich. Kurz gesagt: Fundamentale Abstimmungen im Gouverneursrat können erst erfolgen, wenn der Bundestag dem Finanzminister ein entsprechendes Mandat erteilt hat.
Des Weiteren ist die Gewährung von Finanzhilfen erstmals an strenge Bedingungen geknüpft und die Hilfen werden angemessen verzinst (Art. 12 – 21 ESM). Diese Finanzhilfen müssen nach Art. 5 Abs. 6 Buchstabe g ESM "im gegenseitigen Einvernehmen", d. h. einstimmig beschlossen werden. Der Deutsche Vertreter im Gouverneursrat darf aufgrund des ESM-Finanzierungsgesetzes nur dann zustimmen, wenn er über ein entsprechendes Mandat durch den Deutschen Bundestag verfügt. Damit stehen alle Finanzhilfen des ESM unter einem umfangreichen Parlamentsvorbehalt.

Im Fiskalpakt legten sich die Euro-Mitglieder auf bestimmte verbindliche Grundsätze der Haushaltspolitik fest. Wie diese Vorgaben erreicht werden, bleibt jedem Land selbst überlassen. Es muss nicht zwangsläufig durch Ausgabenkürzungen geschehen. Jedes Land hat auch die Möglichkeit die Einnahmen zu erhöhen. Wichtig beim Fiskalpakt ist, dass keinerlei Rechte auf EU-Institutionen abgetreten werden. Die Kontrollfunktion, welche die EU-Kommission aufgrund des Vertrags von Maastricht bereits seit Einführung des Euros wahrnimmt, wird durch den Pakt lediglich erweitert und ein mögliches Fehlverhalten der Länder wird automatisch durch den europäischen Gerichtshof sanktioniert werden. Der Deutsche Bundestag ist stets in alle wichtigen Entscheidungen rund um ESM und Fiskalpakt eingebunden, so wie dies auch in entsprechenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts gefordert wurde.
Wie bereits eingangs erwähnt, wird in den Medien immer wieder davon gesprochen, dass die Beschlüsse des EU-Gipfels eine Aufweichung der ESM-Regeln bedeuten würden. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Die beschlossenen Regeln gelten weiterhin für alle Zahlungen des ESM, eventuelle Änderungen müssten durch den Deutschen Bundestag beschlossen werden. Es ist auch keine Bankenunion geplant, wie Wirtschaftswissenschaftler in ihrem Aufruf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 05.07.2012 behaupten. Die Tatsache, dass der Aufruf von zahlreichen namenhaften Wissenschaftlern unterschrieben wurde, bedeutet nicht, dass die Gipfelbeschlüsse richtig interpretiert wurden. Dafür müsste man das Abschlusskommuniqué intensiv gelesen haben. Tatsächlich soll z. B. eine direkte Rekapitalisierung von Banken durch den ESM erst nach der Schaffung einer Europäischen Bankenaufsicht bei der EZB erfolgen. Sie wird an strenge Restrukturierungsprogramme für das beantragende Land und dessen betroffenen Banken geknüpft. Eine hierfür notwendige einstimmige Entscheidung im Gouverneursrat bedarf vorher wiederum der Zustimmung des Bundestags. Die deutschen Interessen bleiben vollständig gewahrt. Ebenso wenig droht dadurch eine gesamtschuldnerische Haftung für Staats- und Bankenschulden. Durch zu schaffende europäische Bankenaufsicht bei der EZB wird das Prinzip der Konditionierung ("Geld nur gegen Auflagen") und Kontrolle im Vergleich zu heute deutlich gestärkt.

Eine nicht unbedeutende Zahl namenhafter Wirtschaftswissenschaftler kritisierte daher auch den Aufruf ihrer Kollegen. Sie machten deutlich, dass es in der Wissenschaft auch deutliche Zustimmung zu dem Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt.

Durch den ESM wird ein klares Verfahren für den Fall weiterer Staatsschuldenkrisen geschaffen, das eine Umschuldung ermöglicht. Bisher hätte eine unkontrollierte Staatspleite möglicherweise andere Länder angesteckt und damit die ganze Eurozone auseinander brechen lassen. Die daraus resultierenden Folgen für die Wirtschaft hätten insbesondere Deutschland hart getroffen. Gemeinsam mit der Einführung von nationalen Schuldenbremsen in den Eurostaaten und der verstärkten Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik wird dies zukünftig verhindert. Der Euro wird eine stabile und sichere Währung bleiben. An der dafür notwenigen gemeinsamen politischen Ordnung in Europa arbeiten wir sehr hart. Wir ändern derzeit nicht die Verfassung Deutschlands, aber die innere Verfasstheit unseres Landes. Nur 8% der Weltbevölkerung sind Europäer, sie erwirtschaften 25 % des Weltbruttoinlandsprodukts und verbrauchen 50 % der Weltsozialausgaben. Wer diesem Erfolgsmodell eine Zukunft geben will, muss im Wettbewerb mit den USA, Japan, Russland, China und Indien, mehr Europa wagen.

Ich kann Ihnen nicht versichern, dass dieser Kurs glückt, aber ich bin überzeugt. Deshalb habe ich für den ESM gestimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Armin Schuster