Frage an Armin Schuster von Hartmut K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schuster,
Ich war Grenzgänger in die CH und unterliege dem Alterseinkünftegesetz. Wie Sie vielleicht wissen, hat die OFD Karlsruhe eine Verfügung erlassen, die die Besteuerung von Grenzgänger nach dem Alterseinkünftegesetz regeln soll. Leider vermeidet dieser Erlass nicht eine Doppelbesteuerung. (Einzelheiten gerne per Telefon).
Meine Frage an Sie lautet: Wie wollen Sie den Grenzgängern und den CH-Aufenthaltern helfen, dieser nicht gerechtfertigten Doppelbesteuerung durch eine Änderung der Haltung der OFD zu begegnen. schaffen. Klagen dagegen sind bereits eingereicht.
Ihrer geschätzten Antwort entgegensehend, verbleibe ich
mit freundlichem Gruss
H. Krause
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Lassen Sie mich Ihnen einen kohärenten Überblick geben:
Wird ein Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialplans vorzeitig aufgelöst, können betroffene Arbeitskräfte eines Schweizer Arbeitgebers hieraus in der Regel bis zum Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters in der Schweiz ein vorgezogenes Altersruhegeld (sog. „AHV-Überbrückungsrente“) aus der Schweizer Vorsorgeeinrichtung (zweite Säule, berufliche Vorsorge) erhalten. Die „AHV-Überbrückungsrente“ kann im Rahmen eines Sozialplans vom Schweizer Arbeitgeber finanziert werden.
Die Finanzierung einer „AHV-Überbrückungsrente“ kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. In dem Ihnen vorgetragenen Sachverhalt wurde offenbar im Rahmen des Sozialplans eine Einmalzahlung in das Altersguthaben bei der Schweizer Vorsorgeeinrichtung der zweiten Säule vorgenommen.
Werden die Einzahlungen des Schweizer Arbeitgebers dem Altersguthaben gutgeschrieben, das bei der Vorsorgeeinrichtung der zweiten Säule für die Altersvorsorge einer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitskraft angesammelt wird, und erfolgen die späteren Auszahlungen aus diesem Altersguthaben, sind die Einzahlungen des Schweizer Arbeitgebers im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Altersguthabenkonto zugeflossen und damit nach § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) als Arbeitslohn zu versteuern.
Für in Deutschland ansässige Grenzgänger liegt das Besteuerungsrecht für Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aufgrund der besonderen Regelung in Artikel 15a Absatz 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (DBA-Schweiz) grundsätzlich beim Ansässigkeitsstaat Deutschland. Unabhängig von dieser Grenzgängerregelung steht Deutschland das Besteuerungsrecht über diese Zahlungen des Schweizer Arbeitsgebers an eine in Deutschland ansässige Arbeitskraft auch nach Artikel 18 DBA-Schweiz (Ruhegehälter) zu. Eine zur Anwendung dieser Vorschrift abgeschlossene Konsultationsvereinbarung zwischen den zuständigen Behörden Deutschlands und der Schweiz vom 17. März 2010 (BStBl I 2010 S. 268) stellt klar, dass Abfindungszahlungen, denen Versorgungscharakter beizumessen ist, nur im Ansässigkeitsstaat nach Artikel 18 DBA-Schweiz besteuert werden können.
Einzahlungen des Arbeitgebers in eine Schweizer Vorsorgeeinrichtung der zweiten Säule zur Finanzierung einer Überbrückungsrente sind ggf. steuerfrei nach § 3 Nummer 28 EStG. Ob die Voraussetzungen im Einzelnen vorliegen, kann ohne weitere Kenntnisse des Sachverhalts nicht beurteilt werden. Die Steuerfreiheit nach § 3 Nummer 62 EStG kommt nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber nicht gesetzlich zur Zahlung verpflichtet ist. Liegen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht vor und erfolgt die Einzahlung des Arbeitgebers zur Finanzierung der Überbrückungsrente – wie in Ihrem Fall – in Form einer Einmaleinzahlung, kann hierfür in Deutschland gegebenenfalls eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Absatz 1 und 2 EStG (Entschädigung i. S. d. § 24 Nummer 1 Buchstabe a EStG für entgehende Einnahmen) in Anspruch genommen werden.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit der in Deutschland ansässige Grenzgänger die Einzahlung des Arbeitgebers im Rahmen der deutschen Einkommensteuerveranlagung als Sonderausgaben geltend machen kann. Hinsichtlich der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Zahlungen in und Leistungen aus der zweiten Säule des schweizerischen „Drei-Säulen-Systems“ (berufliche Vorsorge) ist hier zwischen dem sog. Obligatorium – Säule 2a – sowie dem sog. Überobligatorium – Säule 2b – zu differenzieren. Die Behandlung als Sonderausgaben im deutschen Steuerrecht setzt voraus, dass die mit dieser Einzahlung erzielten späteren „ausländischen“ Alterseinkünfte mit inländischen Alterseinkünften vergleichbar sind. Um das zu klären, ist eine rechtsvergleichende Qualifizierung der ausländischen Einkünfte nach deutschem Recht vorzunehmen. Eine Vergleichbarkeit von ausländischen Alterseinkünften mit inländischen Alterseinkünften ist dann anzunehmen, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) mehrfach entschieden, dass Leistungen aus dem Obligatorium steuerlich der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen. Die Beiträge in ein Obligatorium erfüllen mithin die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Absatz 1 Nummer 2 Satz 1 Buchstabe a EStG (vgl. z. B. BFH vom 16. September 2015, I R 83/11, BStBl II 2016, 681).
Im Gegensatz zum Obligatorium handelt es sich beim Überobligatorium um eine über die gesetzlich vorgeschriebene Mindestabsicherung hinausgehende zusätzliche Absicherung, deren Leistungen in der Auszahlungsphase zudem uneingeschränkt kapitalisiert werden können. Auch fehlt der schweizerischen Vorsorgeeinrichtung die notwendige Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland, um einen Sonderausgabenabzug zu gewähren (§ 10 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG). Die Beiträge in ein Überobligatorium sind daher nicht als Sonderausgaben abzugsfähig.
Handelt es sich bei der Einmalzahlung des Schweizer Arbeitgebers des in Deutschland ansässigen Grenzgängers in das Altersguthaben bei einer Schweizer Vorsorgeeinrichtung der zweiten Säule um Beiträge zugunsten des Obligatoriums, können diese – wie ausgeführt – im Rahmen des Sonderausgabenabzugs vom Grenzgänger innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Höchstbeträge (2020: 90 % von 25.046 € bzw. 50.092 € bei zusammen veranlagten Ehegatten) steuerlich berücksichtigt werden. Soweit eine Steuerfreistellung nach § 3 Nummer 28 EStG erfolgt, kann insoweit kein Sonderausgabenabzug in Anspruch genommen werden. Die Rentenleistung aus dem Obligatorium wird dann nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG nachgelagert besteuert. Im Rahmen des Sonderausgabenabzugs sind die Aufwendungen dabei grundsätzlich in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (allgemeines Abflussprinzip des § 11 Absatz 2 Satz 1 EStG). Werden Zahlungen in unterschiedlichen Kalenderjahren geleistet, kann jeweils der jährliche Höchstbetrag in Anspruch genommen werden.
Sollte es sich indes um Beiträge zugunsten des Überobligatoriums handeln, kommt eine Berücksichtigung als Sonderausgaben nicht in Betracht. Im Gegenzug wären dann aber auch die Leistungen aus diesem Überobligatorium nur mit dem Ertragsanteil (§ 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG) steuerpflichtig.
Zur einkommensteuerlichen Behandlung von Beiträgen zu und Leistungen von Vorsorgeeinrichtungen nach der zweiten Säule der schweizerischen Altersvorsorge (berufliche Vorsorge) hat das BMF im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder zudem zum 27. Juli 2016 ein umfassendes BMF-Schreiben herausgegeben (BStBl I S. 759).
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster