Frage an Armin Laschet von Jens K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
diesen Brief richte ich heute als Brandbrief an Sie als Ministerpräsidenten unseres Bundeslandes! Nach meiner Einschätzung der aktuellen Situation hat ein „Infarkt“ des Schulsystems in NRW stattgefunden. Die meisten allgemeinbildenden Schulen in NRW sind nicht mehr in der Lage, ihren Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten, für die meisten Schüler fällt das komplette 2. Schuljahr im Sinne der pädagogischen Begleitung durch Lehrer und im Sinne der Vermittlung von Lehrstoff fast vollständig weg. Die Fakten: Eine pädagogische Begleitung der Schüler durch die Lehrer lässt sich nicht allein durch Telefon, zumal viele Haushalte über gar keinen Festnetzanschluss mehr verfügen, und Emails, zu denen häufig auch nur die Eltern der Schüler Zugang haben, gewährleisten. Unabdingbar hierfür ist die Nutzung von Online-Plattformen, die speziell für Schulen entwickelt worden sind. Viele Haushalte verfügen auch nicht über die nötigen Endgeräte. Selbst wenn viele Schüler heute schon ein eigenes Smartphone besitzen, so ist dieses aufgrund seiner Größe nicht unbedingt für den Teleunterricht geeignet. Gerade Familien mit Kindern sind in Deutschland immer noch strukturell stak benachteiligt und unter dem Eindruck von Kurzarbeit und drohendem Arbeitspatzverlust ist die Kaufkraft dieser Bevölkerungsgruppe nicht immer besonders groß. Daher hatte ich in der Vergangenheit in Briefen an das Schulministerium und an verschiedene Fachpolitiker eindringlich darum gebeten, für alle Schulen in NRW die Kosten der benötigten Onlineplattformen zu finanzieren und die Schulträger anzuweisen, die benötigten Endgeräte anzuschaffen und bei Bedarf an Schüler aus einkommensschwachen Haushalten zu verleihen. Auf diese Idee kam mittlerweile auch der Koalitionsausschuss der Bundesregierung und stellt den Ländern hierfür 500 Millionen Euro als Soforthilfe-Programm zur Verfügung. (https://www.bmbf.de/de/digitales-lernen-500-millionen-programm-zur-sofo…) Fakt ist auch, dass in NRW durch das Schulministerium noch keinerlei Unterstützung für das Lernen auf Distanz erfolgt ist! In der vorletzten Schulmail Nr. 17 vom 30.4. wird noch nicht einmal auf das Soforthilfe-Paket der Bundesregierung Bezug genommen. Das Schulministerium schreibt auf dem Bildungsportal des Landes NRW von Beginn der Schulschließung an, dass Investitionen in die digitale Ausstattungen der Schulen zum jetzigen Zeitpunkt „kurzfristig“ und „überhastet“ seien. Das steht da bis heute, nach sieben Wochen Schulschließung immer noch! Kein Kommentar! In allen Schulmails wurde unter dem Punkt "Unterstützung des Lernens auf Distanz" die Nutzung digitaler Medien vollständig ausgespart. Einzige Ausnahme: zum Ende der Osterferien wurde die Nutzung der privaten Emailadressen der Eltern zur Kommunikation mit der Schule aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten für vertretbar erklärt. Zur Unterstützung des Lernens auf Distanz wurde in den "Schulmails" lediglich auf das Fernsehprogramm des WDR verwiesen und dazu aufgefordert, die „Schülerinnen und Schüler mit Unterrichtsmaterial zu versorgen“, welches von den Schülern selbständig - also ohne Unterstützung durch die Lehrer!- bearbeitet werden können muss. Wie können Sie erklären, dass die Landesregierung auch zum jetzigen Zeitpunkt darauf verzichtet, dass die Schüler durch ihre Lehrer im häuslichen Lernen begleitet und unterstützt werden (sollen) und dass digitale Medien genutzt werden (sollen), um Stoffvermittlung leisten zu können? Zum jetzigen Zeitpunkt ist klar, dass auch bis zum Beginn der Sommerferien der Präsenzunterricht nur in geringem Umfang wird erfolgen können und der größte Teil des Unterrichts weiterhin im Homeschooling wird stattfinden müssen. Warum weigert sich die Landesregierung, endlich für das Homeschooling die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen? Auf dem Bildungsportal wird auch ausgeschlossen, dass Fortbildungen für Lehrer zur Nutzung digitaler Medien für das Homeschooling angeboten werden sollen, was in Form von Webinaren auch jetzt problemlos umsetzbar wäre. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf. Warum lassen Sie zu, dass in Punkto Bildung der Wohnsitz in NRW für Familien ein echter Standortnachteil wird? Warum ignorieren Sie den Kollaps, vor dem das Schulsystem in NRW steht, wenn den meisten Schulen zu Beginn des neuen Schuljahres fast ein komplettes Schulhalbjahr in der Stoffvermittlung verloren gegangen sein wird? Man hört aber auch nichts davon, dass in NRW Konzepte erarbeitet werden, wie mit dieser Situation im kommenden Schuljahr umgegangen werden soll, im Gegensatz z.B. zu Bayern, wo sich Herr Söder schon frühzeitig zu diesen Fragen geäußert hatte. Wie kann die Schulempfehlung für die künftigen Viertklässler noch sinnvoll erfolgen? Wie kann die Überforderung der lernschwächeren Schüler durch ein zukünftig zu schnelles Lerntempo vermieden werden? Wie wird der Übergang in die weiterführenden Schulen abgefedert werden?
In großer Sorge
J. K.
(sonstige Quellen: Bildungsportal des Landes NRW)