Welche Möglichkeiten sehen Sie, wie Deutschland dazu beitragen kann, den Ukrainekrieg zu beenden?
Ich glaube, die Strategie, Russland zum Rückzug aus der Ukraine zu bewegen, indem man die Ukraine resolut unterstützt, ist gescheitert. Die russische Regierung sieht ihr persönliches Schicksal mit einem Erfolg im Krieg verbunden und ist willens und fähig, den Krieg noch über Jahre zu führen. Je länger der Konflikt andauert, desto klarer werden wir vor der Wahl stehen, direkt in den Krieg zu intervenieren oder über Zugeständnisse an Russland zu sprechen.
Dass eine solche Intervention mit all ihnen unüberschaubaren Konsequenzen nicht infrage kommt und die ukrainische Seite dementsprechend zu Zugeständnissen bereit sein müssen wird, muss unsere Regierung der ukrainischen Seite dringend vermitteln. Jeder Tag, den der Konflikt länger dauert, sterben Menschen. Daher sollten die Verhandlungen dringend wiederaufgenommen werden.
Um auch Russland an den Verhandlungstisch zu bringen, bedarf es einerseits des Drucks, den man gegenwärtig nur durch Zugeständnisse an China erkaufen kann. Nur wenn die chinesische Seite sieht, dass wir an einer langfristigen Kooperation interessiert sind, an einem Miteinander statt Gegeneinander, wird sie bereit sein, Russland ökonomisch unter Druck zu setzen. Dazu werden jetzt teure vertrauensbildende Maßnahmen vonnöten sein, da unsere Außenministerin keine Gelegenheit ausgelassen hat, außenpolitisches Porzellan zu zerschlagen. Andererseits brauchen auch die Russinnen und Russen eine attraktive Perspektive für ein Leben nach dem Krieg – einen Weg heraus aus der Isolation, in die Partnerschaft auf Augenhöhe.
Das alles klingt erstmal absurd, da die russische Seite einen Überfall auf ein Nachbarland eingeleitet hat und es dem Gerechtigkeitsempfinden aller Menschen widerstrebt, die Schurken damit davonkommen zu lassen. Das tut es allerdings nur aus unserer, westlicher Perspektive. Als westliche Staaten in allen möglichen Konflikten militärisch intervenierten und Regierungen unilateral als illegitim erklärten, gab es niemanden, der uns dafür bestrafen konnte. Auch die Regierung Aserbaidschans wird für ihre militärische Wiedereingliederung des Berg-Karabachs von niemandem geächtet oder bestraft werden, weil sich das niemand ernstlich leisten kann. Es wäre auch nicht gut, in Aserbaidschan zu intervenieren und ein de-facto unabhängiges Berg-Karabach mit Waffengewalt wiederherzustellen. Schließlich wollen wir, dass weniger Menschen von Kugeln durchbohrt und von Bomben zerrissen werden und nicht mehr.
Deswegen muss auch ein Ende des Krieges in der Ukraine mit einem pragmatischen Kompromiss eingeleitet werden, bei der die deutsche, europäische, westliche Diplomatie alle Register ziehen müssen wird, um eine neue, europäische Friedensordnung zu schaffen.