Wo ist die grüne Position geblieben beim Umweltschutz und KLIMASCHUTZ?
Sehr geehrter Herr Dr. Hofreiter,
mehr oder weniger als Randmeldungen neben Krieg und Wirtschaft werden derzeit wichtige Dinge behandelt, die die Zukunft des Planeten Erde massiv gefährden:
- Verlängerung der GLYPHOSAT Zulassung um weitere 10 Jahre
- "Entkernung" des Klimaschutzgesetzes (was für eine tolle Formulierung 👍)
- Anhaltende Blockade gegen die Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen
- Verwässerung der Energievorgaben im Wohnungsbau
- und es gibt noch mehr Themen, die nicht mehr im Blick sind
Wo und wie positioniert sich die ehemals ökologisch und linksorientierte grüne Regierungspartei heute?
Wahrscheinlich bekomme ich keine Antwort, dennoch
Viele Grüße
Regina H.
Sehr geehrte Frau H.,
ich danke Ihnen für Ihre ehrlichen Worte und ich teile Ihre Sorge und Frustration bezüglich der vermeintlich langsamen Fortschritte in der ökologischen und sozialverantwortlichen Transformation. Es ist bedauerlich, dass die Koalition nach außen hin kein gutes Bild abgibt und dass die Blockaden der FDP einige wichtige Vorhaben erschweren. Die Konflikte und politischen Diskurse innerhalb der Koalition haben vor Augen geführt, dass ambitionierter Klimaschutz noch immer hart umkämpftes Terrain ist. Dass das Ganze nicht ohne ein letztes Aufbäumen der alten fossilen Lobbys und ihrer Helfer*innen in allen anderen Parteien erfolgt, ist klar. Darüber hinaus müssen wir selbstkritisch sein und eingestehen, dass es uns an bestimmten Punkten an Durchsetzungsvermögen gefehlt hat und unsere Anliegen komprimiert wurden. Daher ist es für uns Grüne entscheidend, zukünftig eine breite Unterstützung in der Gesellschaft zu gewinnen, um politischen Rückhaltung für grüne Politiken erhalten. Das alles will ich nicht schönreden.
Dennoch möchte ich gleichzeitig etwas Hoffnung in das düstere Bild bringen, denn nicht alles verläuft schlecht. Wir haben einige wichtige Erfolge erzielt, um Deutschland auf einen klimapolitischen Transformationspfad zu bringen: In dieser Legislaturperiode ist es uns gelungen, endlich aus der Atomenergie auszusteigen, eine Wärmewende im Heizungskeller zu initiieren, unsere Öl- und Gasabhängigkeit von Russland innerhalb eines Jahres deutlich zu reduzieren, den Schienenausbau voranzubringen und das Deutschlandticket einzuführen. Zudem haben wir das Bundesfernstraßenmautgesetz geändert, wodurch die Lkw-Maut nun stärker an den CO2-Ausstoß gebunden ist. Darüber hinaus haben wir das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz auf den Weg gebracht, das 64 Maßnahmen umfasst, um geschädigte Ökosysteme wieder gesund und widerstandsfähig zu machen. Wir haben ein früheren Braunkohleausstieg beschlossen, den Erneuerbaren-Ausbau beschleunigt, eine nationale Moorschutzstrategie entwickelt, einen Klimaclub aus den G7-Staaten ins Leben gerufen, welches intensivere Zusammenarbeit und bessere Koordination anstrebt und steigern durch ein neues Gesetz unsere Energieeffizienz in Deutschland. Darüber hinaus arbeiten wir daran, international den Schutz der Biodiversität zu fördern, die Nutzung von Pestiziden zu reduzieren und den Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung artgerechter zu gestalten. All diese Aspekte geben Rückenwind für viele Akteure vor Ort, die sich seit Langem für die Energiewende stark machen.
Die nun im Klimaschutzprogramm vereinbarten Maßnahmen schließen etwa 80 Prozent der Ziellücke bis 2030, die uns die Große Koalition hinterlassen hatte. Diese Maßnahmen gehen maßgeblich auf grüne Initiativen und Gesetze zurück. Wir haben die Lücke weitgehend verkleinert. Es ist allerdings auch nicht zu bestreiten, dass die Maßnahmen noch nicht ausreichen, um die Klimaziele 2030 zu erfüllen und Deutschland auf einen Paris-konformen Pfad zu bringen. Das gilt insbesondere für den Verkehrs- und den Gebäudesektor. Wer wie unsere Koalitionspartner lieber „Handlungsspielraum“ schaffen will, statt wirksame Maßnahmen vorzulegen, spielt ein gefährliches Spiel auf Zeit. Wir Grüne werden uns weiterhin konsequent für mehr sozialen Klimaschutz einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Anton Hofreiter