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Anton Hofreiter
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ralph W. •

Wieso handeln Sie mit der Ausfuhrgenehmigung von schweren Waffen in die Ukraine entgegen aller bisherigen deutschen und europäischen Richtlinien? Mit welchem Recht hebeln Sie dies nun einfach aus?

Die Ausfuhrgenehmigung von schweren Waffen in die Ukraine widersprechen aller bisherigen deutschen und europäische außenpolitischen Richtlinien und Maßstäben. Mit welchem Recht hebeln Sie dies nun einfach aus und bringen uns an den Rand eines Weltkrieges?
Hintergründe:
Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung seit 1971 für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden bekräftigt durch ähnliche europäische Regelungen: Nach Art. 2 III des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP des Rates v. 8.12.2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern verweigern die EU-Mitgliedstaaten die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für Militärgüter, „die im Endbestimmungsland bewaffnete Konflikte auslösen bzw. verlängern würden oder bestehende Spannungen oder Konflikte verschärfen würden.“

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Ausfuhr von Rüstungsgütern ist ein sehr sensibler Bereich und bedarf daher eindeutigen gesetzlichen Regelungen und einer strengen Kontrolle. In Deutschland gibt es einen klaren gesetzlichen Rahmen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern und Kriegswaffen. Das Grundgesetz schreibt in Artikel 26 (2) vor: Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Diese entscheidenden Bundesgesetze sind das Außenwirtschaftsgesetz, die damit in Verbindung stehende Außenwirtschaftsverordnung und insbesondere das Kriegswaffenkontrollgesetz. Sie regeln im Detail, wie der Genehmigungsprozess bei der Ausfuhr von Rüstungsgütern und Kriegswaffen abläuft. Die Außenwirtschaftsverordnung enthält außerdem eine sogenannte Ausfuhrliste. In ihr sind alle Rüstungsgüter aufgeführt, für die Genehmigungen erforderlich sind.

Grundsätzlich gilt: Unternehmen, die Rüstungsgüter exportieren wollen, benötigen stets eine Genehmigung für deren Ausfuhr. Dies ist im Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung festgelegt. Alle Rüstungsgüter und Kriegswaffen, die davon betroffen sind, werden in der Ausfuhrliste aufgeführt und sind somit genau definiert. Die Ausfuhrliste lehnt sich - ähnlich wie die Militärgüterliste der EU - eng an die Liste des sog. "Wassenaar-Abkommens" aus dem Jahr 1995 an. Bei dem von Deutschland mit beschlossenen Wassenaar-Abkommen einigten sich 41 Staaten auf eine einheitliche Liste der zu kontrollierenden Rüstungsgüter.

Unter die Rüstungsexportkontrolle fallen grundsätzlich alle Rüstungsgüter. Einige dieser Rüstungsgüter sind jedoch zugleich Kriegswaffen. Kriegswaffen unterliegen weitergehenden Beschränkungen. So ist bereits ihre Herstellung oder ihre Beförderung innerhalb des Bundesgebietes genehmigungspflichtig. Welche Rüstungsgüter zusätzlich als Kriegswaffen definiert sind, ist in der Kriegswaffenliste klar definiert. Die Kriegswaffenliste ist eine Anlage des Kriegswaffenkontrollgesetzes. Als Kriegswaffen gelten beispielsweise Kampfflugzeuge, Panzer, vollautomatische Handfeuerwaffen und Kriegsschiffe.

Rüstungsgüter, die keine Kriegswaffen sind, werden auch als "sonstige Rüstungsgüter" bezeichnet. Sie benötigen keine gesonderte Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, sondern lediglich nach dem Außenwirtschaftsgesetz. Die Liste der "sonstigen Rüstungsgüter" ist umfangreich: Hierunter fallen beispielsweise Pistolen und Revolver sowie Jagd- und Sportgewehre, Radar- und Funktechnik, aber auch bestimmte Explosivstoffe und Vorprodukte, die für den militärischen Einsatz bestimmt sind.

Das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz bestimmen den grundsätzlichen gesetzlichen Rahmen der Genehmigung von Rüstungsexporten. Neben diesen allgemeinen Regeln zur Exportkontrolle sind anerkannte, tragfähige und transparente Entscheidungskriterien wichtig, wenn es um die Genehmigung von Rüstungsexporten in jedem Einzelfall geht. Hierzu stehen der Bundesregierung zwei wichtige Kriterienkataloge zur Verfügung: Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung sowie der Gemeinsame Standpunkt der EU.

In den "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 26. Juni 2019" stehen folgende Aspekte bei Exportentscheidungen im Vordergrund:

  • Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland
  • Berücksichtigung der inneren und äußeren Lage im Empfängerland
  • Verhalten des Empfängerlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft - etwa im Hinblick auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität, die Einhaltung internationaler Verpflichtungen sowie Aspekte der Nichtverbreitung, Abrüstung und Rüstungskontrolle
  • Zurückhaltende Genehmigungen und strenge Kontrolle bei Exporten in sogenannte Drittländer (Länder außerhalb von EU, NATO und NATO-gleichgestellten Ländern Australien, Neuseeland, Japan und der Schweiz) hinsichtlich Menschenrechtslage, sicherheitspolitischem Interesse Deutschlands und der internationalen Staatengemeinschaft
  • Besonderes Interesse Deutschlands an der fortbestehenden Kooperationsfähigkeit der wehrtechnischen Industrie im EU- und NATO-Bereich

Der Gemeinsame Standpunkt der EU aus dem Jahr 2008 sieht acht spezielle Kriterien für die Entscheidung über Exportanträge vor und ist integraler Bestandteil der Politischen Grundsätze. Er berücksichtigt die Lage des Empfängerlandes in der Region und die Bedeutung der beantragten Ausfuhren für die regionale Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität. Auch der Beachtung der Menschenrechte im Empfangsland sowie den Gefahren eines Missbrauchs des konkreten Rüstungsguts kommt bei der Prüfung besondere Bedeutung zu.

Zur Vereinbarkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine mit dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern hat der Fachbereich Europa des Bundestages eine Ausarbeitung angefertigt: https://www.bundestag.de/resource/blob/896432/69f9d0d9124c3424edec636381009fd0/PE-6-018-22-pdf-data.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Anton Hofreiter

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