Frage an Anton Hofreiter von Dominik M. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Hofreiter,
Sie sind ein vehementer Gegner des Bahnverkaufs (trifft es m.E. besser als "Privatisierung").
Unabhängig von einem möglichen Verkauf bestehen bereits jetzt folgende strukturelle Probleme im Bahnsektor:
- Das Märchen vom "eigenwirtschaftlichen Fernverkehr" (m.E. eine der Lebenslügen der Bahnreform; in Wirklichkeit wird der Fernverkehr massiv quersubventioniert) blockiert alle "mittelschnellen" Verkehre (ex-IR).
- Die derzeitigen Verkehrsverträge beschränken sich auf eine geringe Pauschalpönale bei Qualitätsdefiziten (z. B. Pünktlichkeit) und verhindern so das Einfordern guter Betriebsqualität.
- Trotz hoher Stationsentgelte ist ein ordentlicher Zustand derselben nicht einforderbar, so dass in der Regel die Länder für Renovierungen aufkommen - ohne hinterher einen Teil der Entgelte zu erhalten.
- Die jüngst geschlossene LuFV gibt der DB beachtliche Staatsgelder, OHNE dass dadurch der Zustand/Qualität der Infrastruktur gesichert wäre (wie Sie selbst in der Ausschussanhörung - als einziger - festgestellt haben).
- Eine gesetzliche Vorschrift stellt die Transportunternehmen (Personenverkehr) von einer Haftung für Schlechtleistung (z. B. Verspätungen) fast völlig frei.
- Der BVWP spiegelt nicht den Bedarf wieder und ist das Papier nicht wert, auf welchem man ihn ausdrucken könnte.
- Die auch europarechtlich geforderte organisatorische Trennung von Netz und Verkehr ist
längst nicht umgesetzt (Stichwort "Konzernjuristen").
All diese Punkte kann nur die Politik (nicht die DB) angehen. Mehrere davon sprechen Sie auch in Ihren Positionspapieren an.
Nun meine Fragen: Sind Sie der Meinung, dass diese (und ähnliche) Punkte schon derzeit drängendere Probleme darstellen als ein möglicher Verkauf (ohne Netz)? Und meinen Sie nicht, dass sobald diese geregelt sind (und die wirtschaftliche Lage einen angemessenen Erlös wieder verspricht) ein Verkauf der DB-Mobilitätstöchter mehr Nutzen als Schaden bringt?
Herzliche Grüße, D. Mueller
Sehr geehrter Herr Müller,
Der Bahnbörsengang hatte das Ziel, die Expansionsstrategie der Deutschen Bahn AG zu finanzieren. Die von Ihnen angesprochenen Probleme des Schienenverkehrs hätte er nicht gelöst, sondern eher vergrößert. Die Politik hat bisher versäumt, klar zu formulieren, welche Rolle der Schienenverkehr und das bundeseigene Unternehmen Deutsche Bahn AG spielen sollen. Solange das nicht geklärt ist, führen Diskussionen über Börsengänge ins Leere.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Anton Hofreiter