Frage an Anton Hofreiter von Myriam R. bezüglich Innere Sicherheit
Guten Tag
Ich als Bürgerin bin besorgt, welche politischen Entscheidungen und Maßnahmen die letzten Monate von der Bundesregierung im Zuge der Corona-Pandemie getroffen wurden. Aktuell betrifft es das 3. Bevölkerungsschutzgesetz.
Ich möchten an dieser Stelle betonen, dass ich die Gesundheitsrisiken in Zusammenhang mit dem SARS-CoV-2-Virus nicht verharmlosen will. Eine Corona-Infektion kann insbesondere für ältere sowie vorerkrankte Menschen eine ernste Gefahr sein, dies ist unbestritten.
Die getroffenen Maßnahmen dürfen jedoch nicht unverhältnismäßig sein. Dies wäre aus meiner Sicht jedoch die Verabschiedung des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes in der aktuellen Entwurfsfassung.
Dieses dritte Bevölkerungsschutzgesetz würde tief in unsere Grundrechte eingreifen (Freiheit der Person, Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit, Unverletzlichkeit der Wohnung).
An der Ausgestaltung der Ermächtigungen ohne Parlamentsbeteiligung im Rahmen der epidemischen Lage nationaler Tragweite für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich im Wesentlichen nichts geändert. Die Bundesregierung, also die Exekutive soll nun weitere Ermächtigungen ohne Parlamentsbeteiligung im Zusammenhang mit einer Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erhalten, diesmal zur Steuerung von Einreise aus Risikogebieten nach Deutschland. Die geplante Verordnungsermächtigung erlaubt der Bundesregierung, in die Grundrechte einzugreifen. Die Exekutive soll nun aber, ohne Parlamentsbeteiligung per Rechtsverordnung lt. Entwurf eine „Impfdokumentation bei Einreise“ aus einem Risikogebiet verlangen können. Dies bedeutet eine indirekte Impfpflicht. Und die Exekutive möchte einen Nachweis des "Nichtvorliegens einer bedrohlichen übertragbaren Erkrankung" (=Immunitätsausweis) fordern können. Sollen Pandemien mittels Impfungen als Gelegenheit und Hebel genutzt werden, um digitale Identitäten zu etablieren, ohne uns Bürger zu fragen?
Mit freundlichen Grüßen
M.R.
Hallo Myriam Römer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Inzwischen sinken die Infektionszahlen erfreulicherweise, viele der einschränkenden Maßnahmen konnten schon zurückgenommen werden.
Auch die verschiedenen Infektionsschutzmaßnahmen und die fortschreitende Impfkampagne tragen dazu bei.
Sorge bereitet allerdings die Zunahme der Delta-Variante, wie auch der Blick in andere Länder zeigt. Die Pandemie ist noch nicht vollständig gebannt.
Schon seit dem Beginn der Pandemie mahnt unsere Fraktion immer wieder, auch auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu achten, diesen eine rechtsstaatliche Grundlage zu geben, sie zeitlich eng zu befristen, ständig zu evaluieren und sie der jeweils aktuellen Situation laufend anzupassen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verschaffen haben wir immer wieder verschiedene umfassende parlamentarische Initiativen vorgelegt (sie finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/themen/corona-krise)
Im vergangenen Herbst war auch Deutschland schwer von der Pandemie getroffen, die Infektionszahlen waren besorgniserregend, Intensivbetten wurden immer knapper. Es ging darum, das Leben und die Gesundheit aller schützen. Dafür braucht es ein funktionierendes Gesundheitssystem. Viele Krankenhäuser, viele Ärzte und Pflegekräfte kamen in dieser Zeit zunehmend an ihre Grenzen. Es ging darum die Pandemie einzudämmen und darum haben Bund und Länder Gegenmaßnahmen ergriffen, die teilweise tief in die Grundrechte von uns allen eingreifen. Die Corona-Maßnahmen haben uns viel abverlangt. Aber es war und ist richtig, dass wir unser Gesundheitssystem vor dem Kollaps bewahren und Leben schützen. Und es war richtig, dass das im November letzten Jahres mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz dann auf demokratisch und rechtssichere Füße gestellt wurde, als es bis dato der Fall war.
Denn davor gab es als rechtliche Grundlage für die Maßnahmen nur die ziemlich allgemein gehaltene Generalklausel des § 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG), die wurde dann von den Landesregierungen in jeweiligen Infektionsschutzverordnungen oder Landesgesetzen konkretisiert.
Wir als Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen hatten seit April 2020 für eine stärkere Einbindung des Parlaments in der Corona-Krise gekämpft und die unzureichenden Rechtsgrundlagen kritisiert. Denn: bei Grundrechtseingriffen braucht es eine vom Parlament beschlossene konkretere gesetzliche Grundlage und klare Voraussetzungen, insbesondere Ziele, Zwecke, Eingriffsschwellen und Grenzen. Verordnungsermächtigungen im Infektionsschutzgesetz reichten nicht aus, um mögliche Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen.
Es gab viel Kritik an den Gesetzesvorschlägen der Bundesregierung, wie auch Ihre E-Mail zum Beispiel zeigt. Nach einer öffentlichen Sachverständigenanhörung und auch auf unseren Druck hin konnte der erste Entwurf zum Gesetz noch einmal deutlich verbessert werden. Wir haben damals aber auch gesagt: dieses Gesetz kann nur ein erster Schritt sein. Unsere weitergehenden Forderungen und rechtlichen Klarstellungen hatten wir deshalb in einem Änderungsantrag eingebracht.
Für uns war klar, dass die Regelungen immer weiter nachgebessert werden müssen und das haben wir auch in diesem Jahr immer wieder - also auch schon lange vor den Abstimmungen zum 4. Bevölkerungsschutzgesetz - gefordert.
Wir verlangen aktuell von der Bundesregierung, dass sie über den Sommer das bestehende Regelungschaos entwirrt und die Voraussetzungen für eine rechtsstaatliche und zukunftssichere Novellierung des Infektionsschutzrechts sofort angegangen und nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.
Dazu haben wir einen Antrag für einen geordneten Ausstieg aus dem Pandemie-Sonderrecht, mit den nötigen Forderungen an die Bundesregierung, eingebracht.
Den Antrag mit weitergehenden Informationen dazu finden Sie über folgenden Link
https://dserver.bundestag.de/btd/19/304/1930401.pdf
Bezüglich der von Ihnen angesprochenen "Impfdokumentation" kursierten im Kontext des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes einige irreführende Interpretationen, auf die sich Ihre Annahmen vermutlich stützen.
Hier finden Sie einen ausführlichen Artikel mit einem Faktencheck dazu:
Mit freundlichen Grüßen
Team Hofreiter