Frage an Anton Hofreiter von Matthias J. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Hofreiter,
gestern kam in den Nachrichten, dass Sie nur noch emissionsfreie Fahrzeuge zulassen wollen. Gibt es emissionsfreie Fahrzeuge? Vertreten Sie die Haltung "Hauptsache der Dreck entsteht nicht vor meiner Haustür, dann ist das Fahrzeug sauber genug"?
Ja, es ist schon heute möglich, Elektro-Autos nur mit erneuerbarem Strom zu betreiben. Genauso kann man auch heute schon ein Erdgasauto ausschließlich mit Biogas fahren. Doch gibt es weder genug regenerativen Strom (schon gar nicht, wenn Abends alle gleichzeitig an die Schnell-Lader gehen) noch genug Biogas, um alle Fahrzeuge damit zu betreiben. Was zählt, ist nicht allein was hinten raus kommt, sondern die Gesamt-Bilanz von der Gewinnung der Rohstoffe bis zum Recycling des Fahrzeugs. Und hier schlagen die hohen Umweltkosten des Lithium-Akkus zu. Gemäß https://www.adac.de/verkehr/tanken-kraftstoff-antrieb/alternative-antriebe/klimabilanz/ haben CNG-Fahrzeuge in der durchschnittlichen Nutzung die bessere CO2-Bilanz. Wo bleibt die Förderung von Biogas-Tankstellen?
Lithium und Kobalt für die Akkus der E-Mobilität werden unter äußerst fragwürdigen Bedingungen in Failed-States gewonnen. Außerdem tut man gerade so, als seien Lithium und Kobalt unbegrenzt verfügbar. Ist Ihnen ein Recycling-Unternehmen für Li-Akkus bekannt, welches das LithoRec-II-Verfahren einsetzt? Meines Wissens haben die alle erst in das BatRec-Verfahren investiert, bei dem zwar einige andere Metalle aber kein Lithium zurück gewonnen wird. Lithium wird auch für Wasserstoff-Fahrzeuge benötigt (ohne Pufferbatterie geht es nicht). Wir sollten daher nicht schon jetzt alles verbrauchen!
Wären Sie bereit sich dafür einzusetzen, den Stoffkreislauf für Lithium zu schließen und seinen Einsatz auf sinnvolle Nutzungen zu begrenzen? Was halten Sie von einem Mindeststandard für die Personenkilometer pro Gramm Lithium über die durchschnittliche Betriebsdauer des Akkus und bei durchschnittlicher Nutzung (für Frachtgut sinngemäß)?
MfG
Sehr geehrter Herr J.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Zunächst einmal tritt in dieser Debatte ein häufiges Missverständnis auf: Es handelt sich bei der Forderung nicht um ein Fahrverbot, sondern um ein Zulassungsverbot ab 2030. Das bedeutet, dass auch nach Zulassungsende noch fossile Verbrennungsmotoren auf deutschen Straßen unterwegs sein werden. Besitzer*innen dieser Autos sind also selbstverständlich nicht gezwungen ihren Wagen umzutauschen..
Unter den alternativen Antrieben bevorzugen wir die Elektromobilität, da hier die Modellvielfalt stark wächst und der Strom direkt und ohne Umwandlungsverluste genutzt werden kann. Wenn der Strom jedoch in Wasserstoff umgewandelt wird, geht viel Energie verloren. Im Vergleich zur E-Mobilität braucht man für Wasserstoffantriebe zwei- bis dreimal so viel Stromeinsatz. Noch schlechter ist die Energiebilanz, wenn der Wasserstoff zu E-Fuels weiterverarbeitet wird. Für das Fahren mit E-Fuels braucht man rund fünfmal so viel Strom wie bei der direkten Stromnutzung in E-Autos. Abseits des Pkw-Bereichs ist der technologische Pfad noch offen. Wasserstoff und v.a. die wertvollen E-Fuels müssen wir also für die Bereiche vorhalten, wo es noch keine massentauglichen elektrischen Antriebe gibt, aber die Emissionen trotzdem gesenkt werden müssen. Das betrifft den Schiffs- und Flugverkehr sowie teilweise den schweren Straßengüterverkehr.
Auch mit der Herstellung und Energieeffizienz von Batterien haben wir uns stark auseinandergesetzt. Deswegen wollen wir in Kooperation mit der Automobilindustrie einen „Zukunftsplan Batterienindustrie“ erarbeiten, um die Zukunftsfähigkeit dieser Technologie nachhaltig und langfristig zu sichern. Im Rahmen des Investitionsprogramms "Mobilität 2030", fordern wir unter anderem auch mehr in die Entwicklung neuer Batterietechnologien zu investieren. Entscheidend für die Öko-Bilanz ist auch ein gutes Recyclingsystem für Batterien. Hier gibt es noch Fragen zu beantworten und Aufgaben für die Forschung. Mehr zu Klimaverträglichkeit von Elektromobilität finden Sie außerdem unter https://www.gruene-bundestag.de/themen/mobilitaet/benziner-diesel-elektromobilitaet Und unter: https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/klimabilanz-von-elektroautos/
Zudem begrüßen wir, dass im Zuge der Debatte über die Elektromobilität das Bewusstsein wächst, welche Kehrseiten unser Lebensstil hat und wo und wie unsere Rohstoffe gefördert werden. Man könnte sich diese Fragen zu vielen Gegenstände stellen, die wir alltäglich benutzen. Und das wird ja auch gemacht, sei es über T-Shirts, Fleisch oder, wenn es die Entsorgung betrifft, Elektroschrott und Plastikmüll. Es gilt für sehr viele der verwendeten Metalle, Mineralien und Agrarprodukte von Baumwolle über Palmöl, Soja bis hin zu Uran, Kobalt, Nickel und Rohöl und vieles andere mehr. Schauen Sie sich Ölförderung in Nigeria an. Oder Nickel in Neukaledonien. Oder Soja in Brasilien.
Wir Grüne könnten eher sagen: Warum hört keiner auf unseren Protest? Eine der Wurzeln der Grünen ist die EineWelt-Arbeit. Wir Grüne setzen uns schon immer für hohe ökologische und soziale Standards und Menschenrechte weltweit ein. Und ebenso für Kreislaufwirtschaft, Recycling, Stoff-Substitution und Ressourcensparsamkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Team Hofreiter