Frage an Anton Hofreiter von Annegret S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Hofreiter,
Im Ausschuss für Gesundheit des Bundestages wird über eine Impfpflicht beraten und abgestimmt. So wie ich gelesen habe, gibt es im Bundestag auch externe Berater und Experten. Befinden sich unter diesen Experten auch Wissenschaftler und Ärzte die Kritik an einer Impfpflicht geäußert haben? Es gibt in Deutschland genügend Vereine von impfgeschädigten Kindern. Werden auch solche betroffenen Eltern zu Wort kommen um mit Informationen zu diesem Thema beizusteuern?
Auch aus den Reihen der Ärzteschaft wird an der Impfstoffsicherheit Kritik geübt. Unter Auswertungen der Meldungen von Verdachtsfällen auf Impfkomplikationen nach dem Infektionsschutzgesetz steht im Bundesgesundheitsblatt auf Seite 353, dass „…maximal 5% der schwerwiegenden Nebenwirkungen im Rahmen von Spontanerfassungssystemen gemeldet werden.“ Demnach ist von einer hohen Dunkelzimmer von Impfschäden auszugehen, die nicht gemeldet werden. Kann die Statistik des RKI über Impfnebenwirkungen- und Schäden stimmen, wenn davon auszugehen ist, dass viele Impfschäden nicht gemeldet werden?
MfG
A. S.
Sehr geehrte Frau S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen.
Nach wie vor gibt es in Deutschland im Gesamten und punktuell zum Teil erhebliche Impflücken, d.h. die Impfquote ist nicht hoch genug, um einen sicheren Schutz der Menschen vor Masern zu gewährleisten. Gesundheitsminister Jens Spahn hat nun unter dem nicht ganz zutreffenden Label ‚Impfpflicht‘ einen Gesetzentwurf zu einer verbindlichen Masern-Impfung für Kinder und Beschäftigte in Kitas und Schulen vorgelegt. Zum größten Problem, der sehr bedenklichen Impflücke bei Erwachsenen hat er jedoch kein Konzept.
Wir haben umfassendere Vorschläge, Impflücken zu schließen:
Es ist dringend erforderlich, Impflücken zu schließen und Impfbarrieren abzubauen. Masern sind eine gefährliche Erkrankung. Impfen schützt nicht nur die eigene Gesundheit und die der eigenen Kinder. Impfen ist auch ein Gebot der Solidarität für diejenigen Menschen, die selbst nicht geimpft werden können. Deswegen finden wir es angemessen und vertretbar, für Kinder einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern zur Voraussetzung für den Besuch einer Kita zu machen. Uns hat das Argument insbesondere von Eltern überzeugt, dass dadurch Kinder, die nicht geimpft werden dürfen, weil sie noch zu jung sind oder aus medizinischen Gründen, am besten vor der Ansteckung durch Masern geschützt werden können.
Eine Impfquote von 95 Prozent wird von Fachleuten als notwendig angesehen, um einen wirksamen Schutz der Bevölkerung zu erreichen. Darum brauchen wir hohe Impfquoten bei Kindern und Erwachsenen. Eine erfolgreiche Strategie zur Eliminierung der Masern und anderer Infektionserkrankungen muss vor allem auf Information und Beratung, Vernunft und den Willen zur gegenseitigen Solidarität setzen. Sie muss aufklären darauf abzielen, das Vertrauen der Menschen zu erringen, sowie Ängste abzubauen statt sie einzuschüchtern. Sie muss darauf angelegt sein, Informationsdefizite und regionale Impfbarrieren systematisch zu identifizieren und vor Ort gezielt zu verringern. Nur so wird es gelingen, die Masern und andere gefährliche Infektionskrankheiten endlich zu eliminieren.
Die maßgebliche Ursache der Masern-Ausbrüche der vergangenen Jahre sind die großen Impfpflücken bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Hier liegen die Impfquoten vor allem bei den über 30-jährigen bei unter 50 Prozent. Eine generelle gesetzliche Impfpflicht für Erwachsene ist aber kaum vorstellbar, es fehlt bisher jede Idee, wie sie durchgesetzt werden könnte. Zudem handelt es sich hier größtenteils um erwachsene, welche die notwendige Zweitimpfungen verpassen oder nicht wissen, dass man sich auch als Erwachsener gegen Masern impfen lassen sollte.
Statt einer Impfpflicht sehen wir hier daher andere wirkungsvolle Vorschläge als nachhaltiger an: z.B. Impfaktionen in Kitas, Schulen oder Betrieben, Impferinnerungen beim Aufsuchen von Ärzt*in und Krankenhaus sowie Einladungen beispielsweise durch Hausärztinnen und Hausärzte. Wichtig wäre auch, dass zum Beispiel Kinderärzte Erwachsene impfen dürfen. Dann können ungeimpfte Eltern sich zusammen mit ihren Kinder impfen lassen. Wir halten eine entsprechende Verankerung im SGB V für dringend erforderlich, um das bundesweit umzusetzen.
Darüber hinaus soll ein digitaler Impfpass sicherstellen, dass niemand mehr nach seinem Impfpass suchen muss und die Informationen zum Impfstatus immer aktuell sind. Eine App auf dem Smartphone könnte dann daran erinnern, dass eine Impfung fällig ist.
Grundlage dafür ist jedoch, dass der öffentliche Gesundheitsdienst wieder gestärkt wird. Er wird seit Jahrzehnten kaputt gespart, es fehlt an Personal und Ärztinnen und Ärzte dort werden schlechter bezahlt. Doch die Gesundheitsämter in den Kommunen können am besten erkennen, wo eine problematische Impflücke besteht und wie sie gezielt angegangen werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Team Hofreiter