Frage an Anton Hofreiter von Stephan M. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Hofreiter,
wie systematisch setzt sich Ihre Partei mit den Themen Faschismus und Totalitarismus auseinander und inwieweit findet eine solche Auseinandersetzung Einzug in Ihre Parteipolitik und in das Selbstverständnis Ihrer Partei?
Mit einer systematischen Auseinandersetzung meine ich vor allem eine philosophisch erkenntnistheoretische und psychologische Auseinandersetzung, die die Mechanismen, die den Phänomenen zu Grunde liegt, mit analytischem Blick erforscht.
Glauben Sie, dass diese Themen in Deutschland bisher tiefgehend genug reflektiert wurden, um Ihre Gefahr zu bannen? Reicht es, Haltung zu zeigen, um davor gefeit zu sein?
Mit freundlichen Grüßen
S. M.
Sehr geehrter Herr M.,
erneut vielen Dank für Ihre Anfrage.
Es ist seit jeher ein zentrales Anliegen Grüner Politik sich gegen Antisemitismus, alltäglichen und institutionellen Rassismus sowie andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit einzusetzen.
Rechtes Gedankengut, Rassismus und Antisemitismus sind in unserer Gesellschaft kein Randphänomen. Das belegen unter anderem die Erkenntnisse der Aufarbeitung der NSU-Morde, der schreckliche Mord an Walter Lübcke oder der Anschlag auf die Synagoge in Halle - aber auch das Abschneiden der AfD bei verschiedenen Wahlen.
Dank vieler Recherchen und Reportagen, der Arbeit zivilgesellschaftlicher Gruppen, wissenschaftlicher und politischer Analysen, wissen wir inzwischen eine ganze Menge über Ursprung, Zielrichtung, Zunahme und Struktur rechter Netzwerke bis hin zu Terrorgruppen. Und das belegt: Die Gefahr die von rechten Gruppierungen und Terrornetzwerken ausgeht, ist real.
Deshalb diskutieren und analysieren wir Grüne in einer Rechtsextremismuskommission zusammen mit Zivilgesellschaft, Wissenschaftler*innen und vielen anderen, neue Herausforderungen und Strategien im Kampf gegen Rechts - aber selbstverständlich auch die Ursachen dafür.
Auf das was gerade in unserem Land passiert, brauchen wir eine politische Antwort. Auf den zunehmenden Hass und die Hetze – im Netz und auf der Straße – auf die Worte aus denen schreckliche Taten folgen.
Nicht nur sicherheitspolitisch und strafrechtlich, sondern gerade im Bereich Prävention und Demokratieförderung.
Denn: Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus – all das verschwindet nicht von selbst. Hass und Hetze breiten sich aus, wenn man den Raum dafür lässt. Haltung ist hier wichtig, muss aber auch flankiert sein von konkreter politischer und finanzieller Unterstützung für die vielen zivilgesellschaftlichen Akteure, Initiativen und Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und für unsere Demokratie einsetzen.
Noch einmal: Wir alle stehen in der Verantwortung, das Problem des Rechtsextremismus angesichts massiver Angriffe auf unsere Demokratie nicht länger zu verharmlosen, sondern endlich konsequent und entschieden anzupacken und die Prävention gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, auf allen Ebenen zu verstärken. Denn sie ist der Nährboden für rechtsradikale Instrumentalisierung. Hetze führt zu Gewalt. Angriffen auf die Menschlichkeit folgen Angriffe auf Menschen. Pogromstimmung und rechtsextreme Aufmärsche führten vor 25 Jahren zu den rassistischen Ausschreitungen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen und zu den Morden in Mölln und Solingen. Sie bereiteten auch den Boden für das Entstehen der Terror-Gruppe des NSU.
Die Zeit des Verharmlosens und Wegduckens vor rechten Brandstiftern und Strukturen muss ein für alle Mal vorbei sein.
Mit freundlichen Grüßen
Team Hofreiter