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Anton Hofreiter
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Rosinea S. •

Frage an Anton Hofreiter von Rosinea S. bezüglich Soziale Sicherung

Lieber Herr Dr. Hofreiter,

jedes Jahr wird durchschnittlich 330 000 Haushalten der Strom abgestellt. Gleichzeitig wird dank Wind- und Solaranlagen überproduzierter Strom sogar ins Ausland nicht nur verschenkt, sondern die Abnehmer bekommen sogar noch Geld dafür, dass sie den Überschussstrom verbrauchen. https://www.focus.de/immobilien/energiesparen/regenerative_energie/negative-strompreise-deutschland-verschenkt-tausende-euro-ans-ausland-die-rechnung-zahlt-der-verbraucher_id_8309486.html

Wäre es da nicht angebracht, den überschüssigen Strom lieber im eigenen Land zu verschenken? Was tun Sie und Ihre Partei dafür? Das von Ihrer Partei iniziierte EEG kann man wohl nicht als Erfolgsmodell bezeichnen, oder doch?
https://www.welt.de/wirtschaft/article177778444/Energiewende-Deutschland-verschenkt-Oekostrom-im-Wert-von-610-Millionen-Euro.html

Welche heiße Eisen haben die Grünen noch im Feuer? Sind die wenigstens ausgegoren?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau S.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.

Etwa eine Million Menschen waren 2018 in Deutschland von Stromsperren betroffen. Diesen Menschen wollen wir mit einem Maßnahmenpaket helfen und die Zahl der Stromsperren reduzieren. Denn Strom ist ein wesentlicher Teil des soziokulturellen Existenzminimums. Ohne eine Versorgung mit Energie ist das menschenwürdige Existenzminimum, welches laut Grundgesetz jedem Menschen zusteht, nicht mehr gesichert. Für die Betroffenen sind Stromsperren äußerst folgenreich. Sie können nicht mehr heizen, keinen Kühlschrank betreiben und keine warmen Mahlzeiten zubereiten. Besonders hart trifft es alte, behinderte, pflegebedürftige Menschen und Kinder.

Für Menschen im Grundsicherungsbezug ist die Situation besonders problematisch. Sie sind häufiger zuhause als erwerbstätige Menschen und verbrauchen daher mehr Strom. Dennoch ist die „Bedarfsposition Strom“, also der Anteil, der für Strom im Arbeitslosengeld-II-Regelbedarf vorgesehen ist, sehr knapp bemessen. Darauf hatte schon das Bundesverfassungsgericht 2014 hingewiesen und die Bundesregierung zum Handeln angemahnt. Auch andere Untersuchungen bestätigen, dass die Stromkosten zu niedrig bemessen sind und die Strom-Lücke bei Einpersonenhaushalten zwischen 15 Prozent (Bremen) und 34 Prozent (Brandenburg) beträgt. Die Bundesregierung hat das Problem jedoch bisher nicht aufgegriffen und die Menschen im Regen stehen lassen.

Das Problem betrifft nicht nur Menschen in Deutschland, sondern in allen Staaten der Europäischen Union. Deswegen hat die EU-Kommission bereits
2009 eine Richtlinie erlassen, in der die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, nationale Aktionspläne oder einen anderen geeigneten Rahmen zur Bekämpfung der Energiearmut zu schaffen. Während die Bundesregierung nicht tätig wurde, haben Länder wie Großbritannien, Belgien und Frankreich bereits reagiert und zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Stromversorgung der Betroffenen sicherzustellen. So ist es zum Beispiel in einigen Ländern verboten, in den Wintermonaten Stromsperren zu verhängen.

Leider bleibt die Bundesregierung trotz der Richtlinie untätig. Aus diesem Grund haben sogar einige deutsche Kommunen, wie die Stadt Saarbrücken, Maßnahmen zur Verhinderung von Stromsperren ergriffen. Um die Bundesregierung aufzufordern endlich entschieden gegen Stromsperren vorzugehen und wirksame Maßnahmen dagegen zu ergreifen, haben wir einen detaillierten Forderungskatalog entwickelt, den Sie gerne unserem Antrag „Stromsperren verhindern – Energieversorgung für alle garantieren“ entnehmen können. Den Antrag finden Sie hier: https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/099/1909958.pdf.

Mit freundlichen Grüßen
Team Hofreiter

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