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Anton Hofreiter
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Elisabeth V. •

Frage an Anton Hofreiter von Elisabeth V. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Seit 5 Jahren arbeite ich als Beraterin für IT Prozesse und Projekte, leiste Abgaben, zahle Steuern, sorge für meine Altersversorgung.
Mein Lebensmodell ist darauf ausgerichtet, keine Ansprüche an Leistungen von der Gemeinschaft zu stellen.
Ich bin selbständig.
Am 16.02.2016 will das BMAS den Gesetzesentwurf gegen den Missbrauch von Werkverträgen dem Kabinett vorstellen. Dieser wirkt sich auch auf mich aus, obwohl ich selbst nach Abzug der Betriebskosten ein weitaus höheres Nettoeinkommen habe, als ein vergleichbarer Angestellter. Die Kriterien zur Definition von Scheinselbständigkeit des §611a, BGB erklären mich zum Scheinselbständigen.
Mehr als 100.000 Selbständige in der IT, aber auch anderer Berufe, insgesamt ca. 2,7 Mio. Einzelselbständige befinden sich in vergleichbarer Lage.
Ist es gewollt, dass ein Steuervolumen von mehreren Mrd. Euro entfällt und stattdessen die Zahl der Privatinsolvenzen und ALGII-Empfänger in die Höhe geht?
Kann es im Sinne des Wirtschaftsstandortes Deutschland sein, wenn das einzige Mittel dem Fachkräftemangel auf dem Sektor der Wissensarbeit auf flexible Weise zu begegnen, per Gesetz abgeschafft wird?
Ist es gewollt, dass in der Folge Innovationsprojekte ins Ausland verlagert oder gar nicht durchgeführt werden?
Was soll ich tun? Meinen Beruf werde ich in der gewohnten Form nicht mehr ausüben dürfen, meine bisher aufgebaute Altersversorgung finanziell nicht mehr bedienen können.
Ich bitte Sie, für die Nachbesserung des Gesetzesentwurfes einzutreten. Der Grundgedanke des Gesetzes ist zweifellos gut. Der Gesetzgeber muss seiner Fürsorgepflicht gegenüber Schutzbedürftigen nachkommen. Nur darf es nicht sein, dass dies zu Lasten der nicht Schutzbedürftigen geschieht.
Hintergrundinformationen finden Sie hier
http://dbits.it/themen/scheinselbststaendigkeit-index.html .

Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Vigato

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Vigato,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu der anstehenden Regulierung der Werk-
bzw. Dienstverträge.
Ziel dieses Gesetzes der schwarz-roten Bundesregierung ist es, den
Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zu unterbinden sowie
sogenannter Schein-Selbstständigkeit von Personen, die durch ihre
wirtschaftliche Abhängigkeit in prekäre Situationen gedrängt werden,
entgegen zu wirken. Dieses Ziel unterstützen wir, die von Ministerin
Nahles geplante Umsetzung lehnen wir jedoch ab.

Die Bundesregierung plant Abgrenzungskriterien abhängiger Beschäftigung
von anderen Vertragsformen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und will
damit den Missbrauch von Werkverträgen an Drittfirmen sowie
Schein-Selbstständigkeit gleichermaßen und mit denselben Kriterien
unterbinden. Wir sind der Auffassung, dass das den unterschiedlichen
Problemen nicht gerecht wird.
Insbesondere die Unterscheidung zwischen Schein-Selbstständigkeit und
tatsächlicher Selbstständigkeit ist schwierig. Ein Grund dafür ist, dass
die Gruppe der Selbstständigen sehr uneinheitlich ist. Viele haben sich
- wie Sie - bewusst für die Selbstständigkeit entschieden und brauchen -
sofern sie tatsächlich für das Alter abgesichert sind - den Schutz und
die Fürsorge des Staates nicht. Sie können im Regelfall gut von ihren
Honoraren leben.
Uns ist bewusst, dass unzeitgemäße Abgrenzungskriterien, langwierige
Statusfeststellungsverfahren, viel Bürokratie und widersprüchliche
Gerichtsurteile eine massive Beeinträchtigung für viele Selbstständige
und Freiberufler darstellt. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind
zentrale Leitmotive für grüne Politik und wichtige Gründe für Menschen,
sich selbständig zu machen. Wir wollen mit unserer Politik
Risikobereitschaft und Kreativität fördern und sie nicht behindern.
Dumpinghonorare und Scheinselbstständigkeit sind mit einer nachhaltigen
und fairen Gründungskultur nicht zu vereinbaren. Wir dürfen
Selbstständige aber nicht unter Generalverdacht stellen. Das
Statusfeststellungsverfahren muss daher rechtssicher und transparent
reformiert werden - z.B. mit einer Positivliste, die gut abgesicherten
Selbständigen Rechtssicherheit verschafft. Darüber hinaus setzen wir uns
dafür ein, die gesetzlichen Abgrenzungskriterien im Sozial-, Arbeits-
und Steuerrecht zu vereinheitlichen, um mögliche Doppel- bzw.
Dreifachprüfungen zu vermeiden.
Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass ein Teil der formal
Selbstständigen - meist unfreiwillig - mit niedrigsten Einkommen
auskommen müssen, die kaum ihre Ausgaben decken. Dazu gehören z.B. viele
PaketzustellerInnen, Lehrkräfte und Pflegende. Viele von ihnen haben nur
einen Auftraggeber, von dem sie wirtschaftlich abhängig sind. Ein
Viertel aller Selbstständigen erzielt rechnerisch ein Einkommen von
weniger als 8,50€ pro Stunde (DIW 2015). Oft landen diese Menschen
spätestens im Alter in der Grundsicherung.
Notwendig sind deshalb klare, an eine moderne Arbeitswelt angepasste
Kriterien, die Scheinselbstständigkeit unterbindet, ohne die
tatsächlichen Selbstständigen in ihrer Tätigkeit zu beeinträchtigen,
sondern vielmehr diese zu unterstützen. Die von der Bundesregierung
geplanten Kriterien sind nach unserer Überzeugung dafür ungeeignet.
Einen Gesetzentwurf in dieser Form werden wir im parlamentarischen
Verfahren deutlich kritisieren. Wir selbst arbeiten gerade an einem
Vorschlag, der eine einfache und praxistaugliche Abgrenzung möglich
macht. Für Ihre Anregungen sind wir dankbar.

Für uns in der Grünen Bundestagsfraktion steht im Vordergrund, den
Missbrauch der Werk- und Dienstverträge zu verhindern und gleichzeitig
die Rechtssicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggebenden zu
erhöhen.

Mit freundlichen Grüßen

Team Dr. Anton Hofreiter MdB

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