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Anton Hofreiter
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Frage von Thorsten H. •

Frage an Anton Hofreiter von Thorsten H. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Dr. Hofreiter, sehr geehrtes Team von Herrn Dr. Hofreiter!

Ihre Antwort auf die Frage von Herrn Jürgen Schmidt hat mich erschüttert.
Sie scheren Münzen in einem Satz mit Kunst über denselben Kamm. Damit bleiben Sie auf hoher Flughöhe und bemerken nicht die Lebensrealität.
Wie wollen Sie bei einer Münze die vor 100 Jahren oder vor 2.000 Jahren in Umlauf gebracht wurde, einen Herkunftsnachweis führen? Sollten Sie eine praktikablen Vorschlag haben teilen Sie ihn bitte allen Sammlern mit - der Dank der in dieser Angelegenheit ignorierten (nicht kleinen) Bevölkerungsgruppe wird Ihnen gewiss sein.
Nebenbei: Im Jahr 2001 erhielt ich im Discounter ein 50 Pfennig Stück aus dem Jahr 1949 ("Bank Deutscher Länder") als Wechselgeld. Da ich sammelte, steckte ich es ein und behielt es. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob das 50 Jahre alte Geldstück nicht schon einmal als Wechselgeld beim Cannabiskauf gedient hat.
Das "Kulturgutschutzgesetz" verlangt, daß bei allen 50 Jahre alten Gegenständen 20 Jahre lang einen Herkunftsnachweis vorliegt. Um welche Gegenstände es sich handelt ist nicht geregelt, es obliegt der Behördenwillkür. Siehe hierzu die Anmerkung von Herrn Jürgen Schmidt bezüglich Beweislastumkehr und Rückwirkungsverbot.
Übrigens: Münzsammler finanzieren den Terrorismus nicht mit. Sie finanzieren den deutschen Staat durch Differenzbesteuerung und durch die am 01.01.2015 von 7% auf 14 % erhöhte Mehrwertsteuer auf Münzen.
Deshalb mein Anliegen: Bitte antworten Sie auf die Frage von Herrn Schmidt wie Sie auf Sorgen von Sammlern (egal ob es sich um Oldtimer, Münzen etc. handelt) reagieren werden oder ob dies als "Kollateralschaden" unter Verletzung von Grundrechten billigend in Kauf genommen wird.
Ich appelliere an Sie und Ihre Kollegen, sich genauestens mit dem Gesetzesvorhaben auseinanderzusetzen. Der Schaden durch dieses zusammengeschusterte "Gesetz" wird beträchtlich und zu großen Teilen irreversibel sein - so es denn in dieser Form Realität wird.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Hoffmann,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Auf ihre dort formulierten Sorgen im Hinblick auf mögliche Folgen für MünzsammlerInnen durch die aktuelle Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes durch die Beauftrage für Kultur und Medien, Monika Grütters, möchte ich sehr gerne noch mal eine Antwort geben. Grundsätzlich ist und bleibt die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes weiterhin ein sehr wichtiges und sinnvolles Anliegen. Deutschland ist außerdem dazu verpflichtet, eine EU-Richtlinie zur Kulturgüterrückgabe in nationales Recht bis Ende 2015 umzusetzen.

Der seit dem 14. September 2015 nun offiziell vorliegende Referentenentwurf, den Sie auf der Homepage der Kulturstaatsministerin einsehen können (http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-09-15-kgsg-entwurf-online.pdf?__blob=publicationFile&v=3), enthält dringende Neureglungen für einen verbesserten Kulturgutschutz. Vor allem bessere Einfuhrkontrollen sind notwendig, damit geraubte Antiquitäten nicht mehr direkt von der Grenze in Auktionshäusern oder auf Ebay landen. Ebenso notwendig ist die Abschaffung des Listenprinzips, damit Ursprungsländer geraubte Kulturgüter endlich zurückbekommen. Und auch die neuen Ausfuhrregelungen für einen verbesserten Schutz von national wertvollem Kulturgut in Deutschland sind überfällig gewesen. Mit einer ersten Fassung des Referentenentwurfs, der im Juni 2015 öffentlich kursierte, hatte die Kulturstaatsministerin leider dazu beigetragen, dass es zu Panikreaktionen bei einigen Sammlern und Künstlern gekommen ist. Die dort enthaltenen Regelungen zur Unterschutzstellung privater Leihgaben in öffentlichen Museen und Zutrittsrechte zu privaten Sammlungen waren unausgegoren, das führen Sie in Ihrem Schreiben zurecht auf. Hier hat die Kulturstaatsministerin Monika Grütters jetzt aber im vorliegenden Entwurf entsprechend nachgebessert. Münzen und Kunst sind nicht über denselben Kamm zu scheren, es gibt hier sicherlich Unterschiede und auf diese wird auch im bisherigen Referentenentwurf zum zukünftigen Kulturgutschutz eingegangen. Bisher sind die Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste national wertvollen Kulturgutes so formuliert, dass Münzsammler davon regelmäßig nicht betroffen sind. Insbesondere scheidet die Eintragung einzelner Münzen, abgesehen von absolut herausragenden Einzelfällen, aus. Was als national wertvoll eingestuft wird, darüber entscheiden auch zukünftig Expertergremien der Länder mit, und keinesfalls allein die Verwaltungen. Voraussetzung ist die Zustimmung von Experten und Sachverständigen aus Museen, Wissenschaft, Kunsthandel und Sammlerkreisen, die über die Eintragung ins Verzeichnis national wertvollen Kulturguts beraten. Die Frage, was ganz konkret unter national wertvollem Kulturgut im 21. Jahrhundert zu verstehen ist, hat die Kulturstaatsministerin leider noch nicht ausreichend beantwortet. Hier besteht noch Handlungsbedarf. Der Gesetzentwurf enthält darüber hinaus Sorgfaltspflichten, die bei einem Verkauf für Alle und damit auch für Münzsammler gelten. Danach muss ein Münzsammler allein dafür Sorge tragen, dass er keine Münzen in Verkehr bringt, die gestohlen, illegal eingeführt oder illegal ausgegraben wurden. Diese Sorgfaltspflicht beschränkt sich auf den "zumutbaren Aufwand“ für Privatpersonen. Über die allgemeinen Sorgfaltspflichten hinaus gelten für gewerbliche Münzhändler weitere professionelle Sorgfaltspflichten. Auch diese Sorgfaltspflichten greifen aber nur dann, wenn eine einzelne Münze mehr als 2.500 Euro wert ist. Handelt es sich um antike Münze aus einer archäologischen Grabung, verringert sich der Grenzwert auf 100 Euro, es sei denn, die Münze hat sich schon mindestens 20 Jahre in einer Sammlung befunden oder ist wiederholt gehandelt worden. Für die Ausfuhr in Länder außerhalb der EU (etwa in die Schweiz und die USA) bleibt die geltende EU-Rechtslage unverändert. Neu eingeführt werden soll eine Ausfuhrkontrolle auch in andere EU-Staaten, wenn gewisse Alters- und Wertgrenzen der Münzen überschritten werden. Diese sollen über den Schwellenwerten des EU-Rechts bei 70 Jahren und 300.000 Euro liegen.

Mit freundlichen Grüßen
Team Dr. Hofreiter

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