Frage an Anton Hofreiter von Veronika P. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Hofreiter,
finden Sie es korrekt, dass in der Frage des Netzausbaus die Netzbetreiber den Netzbedarf für Deutschland selbst ermitteln, anstelle eines unabhängigen Gremiums? Das schmeckt doch sehr nach "Selbstbedienung"!
Finden Sie es weiterhin korrekt, dass entgegen der Verpflichtung des Staates zum Schutz der Bevölkerung vor körperlicher Unversehrtheit eine Technologie wie die HGÜ-Stromtrassen, deren Wirkungen auf den Menschen insbesondere durch die entstehenden Raumladungswolken bislang nicht geklärt sind, quer durch Deutschland entlang dicht besiedelten Gebieten gebaut werden sollen? Auf die leukämieerzeugende Wirkung von Hochspannungs-Wechselstromtrassen haben Mediziner und Wissenschaftler Jahrzehnte lang hingewiesen - Politik hat viel zu spät, erstmals 2013 erste Regelungen zum Schutz der Menschen, wie das Überbauungsverbot von Wohnhäusern in das 26. BImSchG aufgenommen - nur ein erster Schritt, die Grenzwerte sind noch immer zu hoch.
Sollen die Bürger dieses Landes durch eine nicht untersuchte Technologie wiederum 50 Jahre auf erforderliche Schutzmaßnahmen durch die Volksvertreter warten, die tausende Menschen einem ungeklärten Gesundheitsrisiko aussetzen? Sind Sie bereit sich den Forderungen ihrer Abgeordnetenkollegen Franke, Siebert und anderen, die die Gefahr erkannt haben, anzuschließen und das Projekt SuedLink und andere HGÜ´s erstmal zu stoppen, bis die Frage des tatsächlichen Bedarfs und die Frage der gesundheitlichen Folgen unabhängig geprüft worden sind?
Mit freundlichen Grüßen
Veronika Papenhagen-Stannick
Rechtsanwältin und Vorsitzende der Bürgerinitiative Bad Emstal
Sehr geehrte Frau Papenhagen-Stannick,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ihre Sorgen verstehe ich.
Dass einzig die Netzbetreiber den Bedarf zusätzlicher Netzkapazitäten ermitteln und sich hinter dem Vorwand von Betriebsgeheimnissen vestecken, ist in der Tat nicht richtig. Um dies zu vermeiden, wollten wir Grünen, als die Netze von den Energieversorgungsunternehmen abgespalten wurden, diese unter Kontrolle der öffentlichen Hand bekommen. Wichtige Infrastruktur sollte auch im Stromnetzbereich öffentlich und für alle Marktteilnehmer zugänglich sein, so wie es im übertragenen Sinne Straßen auch sind. Leider hat sich die Regierung Merkel anders entschieden und die Netze privatisiert. Daraus resultieren nun die bekannten Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Bedarfs weiterer Kapazitäten im Zuge der Energiewende.
Wir Grüne im Bundestag setzen uns für die vollständige Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien ein. Um dies zu schaffen, muss die veraltete Netzinfrastruktur fit gemacht werden für die dezentrale Einspeisung teils stark schwankender erneuerbarer Stromquellen, sowie für die effiziente und weiträumige Übertragung von Windstrom aus dem Norden in die Verbrauchshochburgen in Süd- und Westdeutschland. Dazu braucht es nach den vorliegenden Informationen auch neue Stromtrassen. Der Aus- und Neubau von Höchstspannungsfreileitungen ist zwangsläufig mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden und er kann zu einer erheblichen Belastung der Bevölkerung vor Ort führen. Daher wollen wir den Zubau neuer Leitungen auf das für die Energiewende notwendige Maß beschränken und den Ausbau bürgerfreundlich und naturverträglich gestalten. Die Grüne Bundestagsfraktion spricht sich klar dafür aus, die Mitwirkungsrechte der Bevölkerung sowie die Naturschutzbelange zu stärken. So setzen wir uns - über eine frühzeitige Bürgerbeteiligung hinaus - dafür ein, beim Stromnetzausbau Erdverkabelungen - wo immer sinnvoll und konfliktlösend - zu ermöglichen und in der Planungsphase, direkt vor Ort und unter Beteiligung der Anwohner und der Gemeinden, die Entscheidung über das „Wie“ der Verkabelung festzulegen. Um gesundheitliche Risiken zu minimieren, wollen wir perspektivisch für alle Stromübertragungsleitungen im Hoch- und Höchstspannungsbereich ein Überspannungsverbot für Wohnhäuser, um Gesundheitsgefährdungen durch Elektrosmog zu minimieren.
Ferner muss eine umfassendere und frühzeitige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort sichergestellt werden. Wir halten es zudem für falsch, dass die Klagemöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger im BBPlG auf nur noch eine Instanz (Bundesverwaltungsgericht) eingeschränkt wurden. Nach unserer Auffassung kann man nicht für Akzeptanz werben, und gleichzeitig rechtliche Überprüfungsmöglichkeiten massiv einschränken.
Derzeit ist eine Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen nur nach den Vorgaben des (EnLAG) oder des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPlG) möglich. Das heißt, nur vier der geplanten 24 EnLAG-Leitungen dürfen teilweise als Erdkabel errichtet werden. Dazu kommen die großen Gleichstromtrassen.
Voraussetzung ist aber, dass die Erdverkabelung „technisch und wirtschaftlich effizient“ durchgeführt werden kann. Weitere Voraussetzung ist ein Abstand von weniger als 400 Meter zu Wohngebäuden im Gebiet eines Bebauungsplans bzw. weniger als 200 Meter zu Wohngebäuden im Außenbereich. Eine weitere gravierende Einschränkung für die Realisierung einer Erdverkabelung, ist das Verbot der Erdverkabelung überall dort, wo die neue Leitung in der Trasse einer bestehenden oder bereits zugelassenen Hoch- oder Höchstspannungsleitung erfolgen soll. Diese Vorfestlegung halten wir für voreilig und zu pauschal getroffen. Natürlich wollen auch wir eine Bündelung von Trassen und Infrastrukturwegen. Diese sollte aber immer die Möglichkeit offen halten, im Planungsverfahren abzuwägen, was die beste Alternative ist. Wir halten es vor diesem Hintergrund dringend geboten, die Gesetze entsprechend zu ändern. Denn einerseits ist unter den derzeitigen gesetzlichen Regelungen noch kein einiges Erdkabel-Pilotverfahren realisiert worden. Und andererseits wächst mit jeder Realisierung eines Pilotprojekts der Unmut in vom Netzausbau betroffenen Orten. Diese Ungerechtigkeit gilt es gar nicht erst entstehen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Büchler - Mitarbeiter im Team Hofreiter