Frage an Anton Hofreiter von Markus S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Hofreiter,
mich würde interessieren welche Haltung die Grünen bzgl. des Vorstoßes der großen Koalition bzgl. des Waffenrechts einnehmen.
Was sind die grünen Standpunkte zu folgenden Fragen:
Sollen Privatpersonen scharfe Waffen zu Hause aufbewahren dürfen (und wenn ja, wie)?
Sollen Privatpersonen scharfe Munition zu Hause aufbewahren dürfen?
Wie ist die Situation von Jägern einzustufen?
Wie stehen die Grünen zu sog. "Killerspielen"? sollen sie verboten werden oder nicht?
Wie stehen die Grünen zum geplanten Verbot von Paintball?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Mit freundlichem Gruß
Markus Strauß
Sehr geehrter Herr Strauß,
gern beantworte ich Ihre Fragen zum Waffenrecht. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in ihrem Antrag "Abrüstung in Privatwohnungen - Maßnahmen gegen Waffenmissbauch" vom 25.03.2009; (Drucksache 16/12477) bereits eine Reihe von konkreten Forderungen gestellt, die Sie gerne hier nachlesen können:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/124/1612477.pdf
Ich glaube angesichts der Erfahrungen aus Winnenden, Erfurt und Emsdetten dürfen wir die Gefahren nicht unterschätzen. Ich finde es unverantwortlich, dass Bundesinnenminister Schäuble nicht in der Lage ist, darüber Auskunft zu erteilen, ob in Deutschland acht oder zehn Millionen Waffen gehortet werden. Dabei hilft die Ausrede "Der Vollzug des Waffengesetzes obliegt den Ländern?" sicher nicht weiter. Gefährlich wird es z.B. dann, wenn bei einem Polizeieinsatz völlige Unklarheit herrscht, ob ein Wohnungsinhaber bewaffnet ist oder nicht.
Auf der einen Seite will die Bundesregierung unsere Bürgerinnen und Bürger mit Online-Durchsuchungen in den Überwachungsstaat führen, auf der anderen Seite hat sie es bis heute nicht geschafft ein Waffenregister einzurichten, weil sie stets vor der Waffenlobby in die Knie gegangen ist.
Wer eine Verbesserung der Sicherheitslage erreichen möchte, muss die sichere Lagerung von Waffen und Munition außerhalb der Privatwohnungen durchsetzen. Es genügt nicht, biometrische Blockiersysteme vorzuschreiben, von denen niemand weiß, ob sie sich auf absehbare Zeit im Massenbetrieb überhaupt bewähren können. Unsere Position ist dafür Sorge zu tragen, dass grundsätzlich keine Schusswaffen und Munition in Privatwohnungen gelagert werden. Es kann auch nicht angehen, dass die Zahl großkalibriger Feuerwaffen durch das Wachstum der Freizeitsportarten immer weiter steigt. Kein Freizeit- oder Sportschütze braucht 15 Schusswaffen und eine größere Menge Munition, schon gar nicht in der eigenen Wohnung.
Für den Sportschützenbereich kann auf den Gebrauch von Feuerwaffen verzichtet werden. So kommt man bei Olympischen Spielen gänzlich ohne diese Waffen aus und verwendet stattdessen Waffen, die mit Druckluft funktionieren. Warum soll es das nicht auch in Deutschland möglich sein? Der heute aktuell vorgestellte Kabinettsentwurf zum Waffenrecht enthält nur zaghafte Änderungen, die zum Teil positiv zu bewerten sind. Im Wesentlichen bleiben unsere Forderungen aber unerfüllt:
1. Das Gesetz belässt die Waffen der Sportschützen in deren Wohnungen. Wir wollen als eine zentrale Forderung die Lagerung außerhalb der Wohnungen.
2. Der Schießsport darf weiterhin mit schweren Feuerwaffen hantieren. Das Gesetz leistet keinerlei Begrenzung bei Kaliber, Feuerkraft, Gefährlichkeit und Nachladegeschwindigkeit.
3. Die Regelungen sind alles in allem wieder ein Einknicken vor der Waffenlobby, die auch dieses Gesetz bekämpft.
Für mich als Grüner ist klar, dass Gewalt in den Köpfen von Kindern und Jugendlichen nichts zu suchen hat. Deshalb wollen wir bestimmte Inhalte in Kinderhänden und vor Kinderaugen nicht sehen. Hier gibt es anspruchsvolle Jugendschutzbestimmungen in Deutschland, die wir 2003 in der rot-grünen Regierung grundlegend reformiert haben und die europaweit als die strengsten gelten. Ein Teil dieses komplexen Systems ist die Altersfreigabe durch die anerkannten Selbstkontrollen. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der Indizierung von Medien durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Extreme Inhalte können nach dem Strafgesetzbuch verboten werden. Hierüber entscheidet immer ein Gericht. Es müssen aber sehr gewichtige Gründe dafür vorliegen, etwa Inhalte mit verfassungsfeindlicher Propaganda (§ 86 StGB), Volksverhetzung und Verharmlosung des Nationalsozialismus (§ 130 StGB), Anleitung zu schweren Straftaten (§ 130a StGB), Kinderpornografie (§ 184b StGB) sowie Gewalt- und Tierpornografie (§ 184a StGB) oder extrem menschenverachtende Darstellungen (§ 131 StGB).
Die grüne Bundestagsfraktion ist sich mit allen ExpertInnen darin einig, dass darüber hinausgehende Maßnahmen wie z. B. ein pauschales Verbot von sogenannten Killerspielen keinen besseren Jugendschutz bieten könnten. Im internationalen Vergleich braucht sich Deutschland mit seinen strengen Jugendschutzregeln keinesfalls verstecken. Wir brauchen keine Gesetzesverschärfungen, stattdessen müssen die bestehenden Regeln konsequent umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere aufgrund der wachsenden Bedeutung des Internet, das an Landesgrenzen nicht Halt macht. Was in Deutschland verboten ist, ist in anderen Ländern noch längst nicht verboten. Mediale Gewalt lässt sich durch Gesetze allein nicht aus den Kinderzimmern verbannen.
Schreckliche Gewaltausbrüche junger Menschen wie in Winnenden, Erfurt oder Emsdetten lassen sich nicht eindimensional erklären. Wir plädieren für eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Ursachen. Strengere Verbote im Bereich der Computerspiele können solche Amokläufe jedenfalls nicht verhindern. Wer dies behauptet, will die Menschen in die Irre führen.
Soziale und psychische Probleme und der allzu leichte Zugang zu Waffen spielen nach unserer Überzeugung eine viel wichtigere Rolle. Beide Täter in Erfurt und Emsdetten haben sich in ihrer Freizeit nachweislich exzessiv mit realen Waffen beschäftigt.
Wir haben in Deutschland einen großen bildungs- und gesellschaftspolitischen Nachholbedarf. Die Medienkompetenz, also der kritische und selbstbewusste Umgang von Jugendlichen und Erwachsenen mit Medien, muss konsequent ausgeweitet werden. Vor allem in der Schulpolitik haben die Bundesländer hier ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Notwendig ist auch eine "Kultur des Hinsehens" und das Wahrnehmen von Erziehungsverantwortung. Zudem fehlt bei uns eine wirksame Förderung qualitätsvoller Computerspiele, wie es sie in anderen Ländern längst gibt.
Beim Verbot von Paint-Ball-Spielen drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass die Bundesregierung und die Mehrheit der Bundesländer von dem eigentlichen Problem ablenken wollen: der notwendigen tiefgreifenden Reform des Waffenrechts. Die Bundesregierung hat das Paint-Ball-Spiel-Verbot schon zurückgezogen.
Aus Sicht der Grünen Bundestagsfraktion reicht der allgemeine Vorwurf einer möglichen "Sittenwidrigkeit" von Paint-Ball nicht aus, die konkrete Gefährlichkeit dieser - nach unseren Informationen - nicht gefährlichen Freizeitbeschäftigung auch gerichtsfest zu begründen. Wenn der Staat in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise eingreifen möchte, ist er verpflichtet, die Notwendigkeit und auch die Verhältnismäßigkeit der Verbotsmaßnahme sorgfältig zu begründen.
Der §15 Abs. 6 Waffengesetz verbietet bereits heute, dass auf Abbilder von Menschen geschossen wird. Ob die genannten Spiele den Grad einer derart menschenverachtenden Haltung erreichen, bezweifele ich. Die bei Paint-Ball eingesetzten "Waffen" sehen nicht wie echte Waffen aus. Und es gibt keine Informationen darüber, dass von den TeilnehmerInnen eine öffentliche Gefahr ausgeht. Entsprechende Belege wären aber die verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Bestandskraft einer solchen bußgeldbewehrten Verbotsanordnung.
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.-Ing. Udo Werner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Dr. Anton Hofreiter MdB