Antje Wefing
DIE LINKE
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Frage von Christoph B. •

Frage an Antje Wefing von Christoph B. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Wefing,

noch immer werden eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner in vielen Rechtsbereichen diskriminiert: Die Pflichten wurden von der Politik umgesetzt, auf gleiche Rechte warten eingetragene Lebenspartner noch immer. Im Sozialrecht werden Lebenspartner beispielsweise voll in die Pflicht genommen, im Steuerrecht dagegen wie Fremde behandelt. Das ist unsinnig und ungerecht.
Bei vielen Politikern heißt es, niemand werde diskriminiert, das Thema interessiere niemanden mehr! Das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Wie stehen Sie persönlich zu einer Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und zu einem neuen Anlauf beim Ergänzungsgesetz, damit die derzeitige Schieflage endlich beseitigt wird?

Antwort von
DIE LINKE

Lieber Christoph Bange,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an den Positionen der Linkspartei.PDS.

Mit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft (ELP) wurde für lesbische und schwule Paare ein eheähnliches Institut geschaffen. Viele Rechte von heterosexuellen Ehepaaren (z.B. Erb-, Miet-, Arbeits- und Ausländerrecht) wurden auf die ELP übertragen, andere Rechte bleiben lesbischen und schwulen Paaren dagegen vorenthalten (z.B. Sorge-, gemeinsames Adoptions-, Einkommenssteuerrecht und Hinterbliebenenrente). Die Öffnung der Ehe für lesbische und schwule Paare ist eine legitime Möglichkeit, Gleichberechtigung gegenüber verheirateten heterosexuellen Paaren zu erlangen. Aber: Solange es die Ehe mit den derzeitigen Vergünstigungen für heterosexuelle Paare gibt, darf dies niemandem anders vorenthalten werden.
Deshalb stehen wir für eine entsprechende vollständige Angleichung und haben im Bundestag und Bundesrat und auf kommunaler Ebene auch entsprechend abgestimmt. Gleichzeitig treten wir für eine umfassende Gleichstellung aller Lebensweisen unabhängig von Ihrer sexuellen Orientierung ein. Dazu haben wir das Konzept der Wahlverwandtschaften entwickelt. Familie ist da wo Nähe ist – nicht (nur) wo (Homo-)Ehe ist!

Die Linkspartei.PDS trägt der gelebten Vielfalt Rechnung. Wir wollen alle Lebensweisen erwachsener Menschen gleich behandeln. Keine Lebensweise darf gegenüber einer anderen zu rechtlichen oder finanziellen Vorteilen oder Benachteiligungen führen. Die PDS steht für das Modell der Wahlverwandtschaften, das individuell gestaltbare Möglichkeiten für die Regelung der wichtigsten rechtlichen Fragen (Mitbestimmungsrecht im Krankheitsfall, Zeugnisverweigerungsrecht, Eintrittsrecht in den Mietvertrag, Erbrecht, Sorgerecht etc.) zwischen den beteiligten Erwachsenen einer Wahlfamilie zur Verfügung stellt. Die Ehe wird damit nicht abgeschafft. Sie verliert nur ihre rechtliche und finanzielle Sonderstellung.

Die Linkspartei.PDS fordert das uneingeschränkte Adoptionsrecht für Lesben und Schwule. Das schließt die Stiefkindadoption selbstverständlich mit ein. Bereits 2002 hat die Europäische Menschenrechtskommission erklärt, dass die grundsätzliche Verweigerung des Adoptionsrechtes abhängig vom Familienstand gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Das Wohl des Kindes muss bei jeder Entscheidung für oder gegen eine Adoption das einzig Ausschlag gebende Entscheidungskriterium sein, nicht die Lebensweise oder sexuelle Orientierung und auch nicht die Moralvorstellung rückwärtsgewandter Gesellschaftsschichten. Auch in der Frage der Insemination gilt: Lesben (und Schwule) sind genauso gute Eltern wie Heterosexuelle. Dem muss endlich Rechnung getragen werden!

Die Linkspartei.PDS fordert ein umfassendes zivil- und arbeitsrechtliches Antidiskriminierungsgesetz und -konzept (u.a. inklusive Beweislastumkehr), das auch Diskriminierungen auf Grund der Identität, sexuellen Orientierung und Lebensweise erfasst. Zur Umsetzung gehören auch die Einrichtung von Antidiskriminierungsstellen, ein Einzel- und Verbandsklagerecht sowie Förderprogramme, die zu einem Wandel des gesellschaftlichen Bewusstseins führen. Ohne Beweislastumkehr droht ein Antidiskriminierungsgesetz zum „zahnlosen Tiger“ zu werden, denn: wer schon einmal diskriminiert wurde, weiß, wie subtil Diskriminierung und Mobbing stattfinden und darum, dass ein Beweis durch das Mobbingopfer mitunter schier unmöglich ist.

Ferner fordert die Linkspartei.PDS eine Abkehr vom Konstrukt der bipolaren Zweigeschlechtlichkeit. Gesetzliche Regelungen müssen die volle Selbstbestimmung und Selbstdefinition über die geschlechtliche Identität ermöglichen. Das schließt das Ende der jetzigen menschenrechtsverletzenden Praxis von Geschlechtszuweisung ein, die Abschaffung von OP-Zwang, die Zulassung geschlechtsuneindeutiger Namen und den Verzicht auf den Vermerk über das Geschlecht in amtlichen Dokumenten.

Ich hoffe, dass ich Ihre Anfrage damit umfassend beantworten konnte. Weitere Antworten zur Lebensweisenpolitik können Sie auch dem Wahlprüfstein des LSVD entnehmen, den Sie u.a. auf der Seite der BAG Queer der Linkspartei.PDS unter der Adresse www.pds-queer.de nachlesen können.

Mit freundlichen Grüßen

Antje Wefing