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Antje Blumenthal
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Frage von Thomas M. •

Frage an Antje Blumenthal von Thomas M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Frau Blumenthal,

Sie schreiben: "Die Anerkennung der Unabhängigkeit der Regionen Abchasien und Südossetien durch das russische Parlament und den russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew ist nicht akzeptabel. Mit dieser Erklärung greift Russland in die Souveränität Georgiens ein und handelte somit gegen internationales Recht."

Meine Frauge lautet nun:
Ist die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos durch 46 der 192 UN-Mitglieder akzeptabel? Meines Wissens nach ist immer noch die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats (UNSCR 1244) in Kraft und die Geltungsdauer der in der Resolution 1244 vorgesehenen sicherheitspolitischen Mandate gelten laut Ziffer 19 unbefristet bis ein ändernder Beschluss des Sicherheitsrates erfolgt. Ebenfalls verpflichten sich alle UN-Mitglieder zur Wahrung der „Souveränität und Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien“, dessen Rechtsnachfolge die Republik Serbien vertritt.. Ist ein ändernder Beschluss des Sicherheitsrates erfolgt? Falls nein, haben die 46 UN-Mitglieder, die das Kosovo anerkannt haben, gegen internationales Recht verstossen, indem sie die territoriale Integrität der Republik Serbien missachteten?
Professor Dr. Georg Nolte, Völkerrechtker an der Ludwig-Maximilians-Universität in München schreibt im letzten Absatz eines Gastbeitrages in der FAZ:"Einseitige Auslegungen von Sicherheitsratsresolutionen begründen aber Präzedenzfälle, die in anderen Fällen gegen die westlichen Staaten gerichtet werden. Sie schwächen die Handlungsfähigkeit und die Autorität des Sicherheitsrates, welche die westlichen Staaten sonst gern in Anspruch nehmen. Es könnte sich herausstellen, dass die westlichen Staaten um einer kurzfristigen Linderung einer regionalen Spannungslage willen einen Präzedenzfall gesetzt haben werden, der ihnen an anderem Ort noch erhebliche Schwierigkeiten bereiten wird - etwa in Georgien.
Wie stehen Sie zu dieser Aussage?

Mit freundlichem Gruß
Thomas Müller

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für ihre Frage zur Anerkennung Südossetiens und Abchasiens durch Russland. Sie ziehen einen Vergleich zur Kosovoproblematik und stellen in dem Zusammenhang die Frage, ob die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch eine Reihe von UN-Mitgliedern, nicht ebenso wenig akzeptabel sei, wie die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens durch Russland.

Dazu möchte ich gerne Stellung nehmen. Nach Auffassung der Bundesregierung und der ganz überwiegenden Mehrheit ihrer Partner in der EU und NATO, steht die Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen der Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo und der ihrer Anerkennung nicht entgegen. Die Resolution 1244 regelt den staatsrechtlichen Status Kosovo als Bestandteil Serbiens nur für eine Übergangszeit, in der ein politischer Prozess zur Lösung der Statusfrage stattfinden soll. Resolution 1244 sagt aber nichts zum endgültigen Status und verbietet damit eine einseitige Unabhängigkeitserklärung nicht.

Zweifellos zählen die Sezession und ihre Anerkennung zu den völkerrechtlich hochsensiblen Bereichen. Hier steht das grundlegende Recht auf Souveränität und territoriale Integrität von Staaten im Spannungsverhältnis zum Selbstbestimmungsrecht der Völker. Richtig ist jedoch ebenso, dass ein Selbstbestimmungsrecht nicht zugleich ein Recht auf Sezession mit einschließt. Eine politische Loslösung kommt deshalb nur als letztes Mittel und bei massiven Menschenrechtsverletzungen in Frage.

Im Fall des Kosovo liegt angesichts des Konflikts, der ethnischen Säuberungen und humanitären Katastrophe in den 90er Jahren ein einzigartiger Fall vor, der keine Präzedenzen schafft. Nach den bewaffneten Auseinandersetzungen folgten lange Jahre politischer Bemühungen um eine Lösung, bis es zur Anerkennung der Eigenstaatlichkeit kam. Zuvor jedoch wurden alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

Im Falle Abchasiens und Südossetiens wurden jedoch die Möglichkeiten eine einvernehmliche politische Lösung zu finden, nicht ausreichend ausgeschöpft. Tatsächlich hat Russland die Loslösung der abtrünnigen Provinzen aus Georgien von Beginn an unterstützt. Und während im Kosovo fast neun Jahre bis zur Anerkennung der Eigenstaatlichkeit vergangen sind, erfolgte die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens durch Russland nur wenige Tage nach dem militärischen Vorstoß - und im russischen Alleingang.

Mit freundlichen Grüßen

Antje Blumenthal