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Frage von Joachim F. •

Frage an Antje Blumenthal von Joachim F. bezüglich Soziale Sicherung

In der "Hammer Runde" (politischer Gesprächskreis im Kulturladen Hamm) tauchte die Frage auf, warum es Muslimen gestattet wird, Zweitfrauen (!) bei der GKV als Mitversicherte anzumelden. Bigamie sei in Deutschland bekanntlich verboten.
Nach Anfrage bei der TK werde dies aber seit 2005 nicht mehr praktiziert.
Meine Fragen :
1. Wieso ist es (offensichtlich) möglich gewesen, Bigamie über
die GKV zu dulden ?
2. Gibt es (immer noch) Krankenkassen, die "so" verfahren ?
3. Können Sie mir versichern, dass es nicht noch weitere
Sonderregeln für Muslime gab oder gibt, die mit deutschen
Recht nicht vereinbar sind ?
Anmerkung :
Wenn Sie Lust haben, würden wir Sie gern einmal in dem Gesprächskreis begrüßen. Vielleicht können Sie etwas über das Thema "soziale Gerechtigkeit" referieren ?!

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Federwisch

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Federwisch,

vielen Dank zunächst für Ihren Beitrag auf der Seite abgeordnetenwatch.de , in dem Sie an mich die Frage stellten, ob es in Deutschland eine Möglichkeit gebe, im Rahmen einer Vielehe mehr als einen Ehegatten über eine Familienversicherung bei der Gesetzlichen Krankenversicherung mitzuversichern.

Zur Rechtslage führe ich zunächst Folgendes aus: Wenn ein ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland gesetzlich krankenversichert ist, wird er ebenso behandelt, wie ein deutscher Arbeitnehmer, d.h. er und seine ggf. vorhandene Familie haben die gleichen gesetzlichen Leistungsansprüche, wie ein deutscher Arbeitnehmer mit seiner Familie. Wohnen die Familienangehörigen eines Versicherten im Ausland, kommt ein Leistungsanspruch zu Lasten der deutschen Gesetzlichen Krankenkasse nur in Betracht, wenn für den ausländischen Staat die Europäische Verordnung über Soziale Sicherheit (VO (EWG) Nr. 1408/71) gilt oder mit diesem Staat ein bilaterales Abkommen über Soziale Sicherheit geschlossen wurde. Zu beachten ist, dass diese Regelungen natürlich gegenseitig gelten. Derartige Regelungen entsprechen der allgemeinen Praxis und haben ihren Grund darin, dass die Beiträge der Versicherten in aller Regel nicht nur zur Abdeckung des eigenen Krankenversicherungsschutzes dienen, sondern zusätzlich auch der Abdeckung des Schutzes der nicht erwerbstätigen Familienangehörigen.

Rechtliche Grundlage für eine Antwort auf Ihre Anfrage im nationalen Recht ist § 34 des Sozialgesetzbuches I (Allgemeiner Teil), wonach für Rechte, die nach diesem Gesetzbuch ein familienrechtliches Rechtsverhältnis voraussetzen, ein Rechtsverhältnis, das gemäß Internationalem Privatrecht dem Recht eines anderen Staats unterliegt und nach diesem Recht besteht, nur ausreicht, wenn es dem Rechtsverhältnis im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs entspricht.

Die zu damaliger Zeit in der Opposition tätige CDU/CSU-Fraktion forderte 2004 im Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung von der Bundesregierung einen Bericht über die Praxis der Mitversicherung bei Vielehen. Dieser Aufforderung kam die Bundesregierung am 8. November 2004 nach und legte einen Bericht vor, der zu dem Ergebnis kam, dass die Frage, ob die Ehefrauen aus Mehrehen mitversichert sind, nicht einheitlich bewertet würde.

Diesem Bericht zufolge vertraten die Spitzenverbände der Krankenkassen, die das geltende Recht grundsätzlich eigenverantwortlich anwenden, ganz überwiegend die Auffassung, dass eine Familienversicherung nach § 10 Sozialgesetzbuch V (Gesetzliche Krankenversicherung) für Frauen aus Vielehen zulässig sei, wenn die Vielehe im Ausland wirksam geschlossen worden und durch gegenseitige Unterhaltspflichten geprägt sei. Lediglich die See-Krankenkasse war der Auffassung, dass § 34 Sozialgesetzbuch I eine mehrfache Anspruchsberechtigung von Ehegatten aus Vielehen ausschließe. Diese Auffassung wurde auch von der Bundesknappschaft für vertretbar gehalten. Der Bundesverband der Innungskrankenkassen wies darauf hin, dass seine Mitgliedkassen unterschiedlicher Rechtsauffassung seien und regte eine erneute rechtliche Klärung an.

Mit dieser unsicheren Rechtslage gab sich die CDU/CSU Fraktion nicht zufrieden. Der im Gesundheitsausschuss angeforderter Bericht gab letztlich den Anstoß zu einem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums an die Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenkassen, des Inhalts, die Gesetze, welche die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Vielehen regelten, künftig restriktiv auszulegen. Auch eine Arbeitsgruppe der Spitzenverbände der Krankenkassen und des Justizministeriums hatte sich für diese neue Handhabung ausgesprochen.

Auszugehen sei zur Begründung dieser restriktiven Auslegung von § 34 Sozialgesetzbuch I, wonach eben grade eine nach dem Recht des Herkunftsstaates gültige Ehe nur dann einbezogen werden könne, wenn sie einer Ehe im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches entspreche. Eben dies ist im Falle der Mehrehen jedoch nicht der Fall. Das deutsche Zivilrecht sieht in § 1306 Bürgerliches Gesetzbuch vor, dass eine bereits geschlossene Ehe ein Ausschlusstatbestand für eine erneute Eheschließung darstellt. Nach dieser Auffassung muss sich die Leistung einer Familienversicherung auf diejenige Ehefrau beschränken, mit der die Ehe zuerst geschlossen wurde.

Im Ergebnis bedeutet dies heute konkret, dass seit April 2005 Zweit- und Mehrfrauen aus einer polygamen Ehe eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr familienversichert werden können und darauf verwiesen werden, sich privaten Versicherungsschutz zu suchen.

Ich hoffe, Ihre Fragen abschließend beantwortet zu haben. Bei weiteren Nachfragen, halten Sie sich gerne an mein Büro in Berlin oder Hamburg. Ich bedanke mich auch für die Einladung zu Ihrem politischen Gesprächskreis „Hammer Runde“, die ich gerne annehme. Bitte wenden Sie sich zur Absprache eines passenden Termins an mein Wahlkreisbüro in Hamburg.

Mit freundlichen Grüßen
Antje Blumenthal