Frage an Antje Blumenthal von Roland A. S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Frau Abgeordnete Blumenthal,
ich habe erstaunt und erschrocken zugleich Ihre Stellungnahme zum Irakkrieg in einer
Antwort an Herrn Uwe Neumann gelesen.
Ich frage Sie ernsthaft: Woher haben sie Ihre Erkenntnisse?
Inzwischen lernen Studenten an politikwiss. Seminaren unisono, dass es sich hierbei um einen völkerrechtwidrigen Krieg handelt.
Die Resolution 1441 reichte in keiner Weise aus, einen Angriffskrieg gegen ein souveränes Land der Vereinten Nationen zu führen:
Darin wurde bei Nichterfüllung der Resolution zwar schwere Konsequenzen angedroht,diese aber nicht spezifiziert und ein theoretischer Krieg auch nicht durch den Sicherheitsrat abgesegnet.
Das internationale Recht sieht nur zwei Möglichkeiten vor militärische Gewalt gegen ein Mitgliedsland einzusetzen:
I. Notwehr: Verteidigung des eigenen Territoriums oder Abwehr einer massiven unmittelbaren Bedrohung
II.Sicherheitsratsbeschluss: der Sicherheitsrat der VN kommt mit mindestens 9:6 Stimmen und keinem Veto eines der ständigen Mitglieder (USA, GB, Frankreich, Russland und China) zu dem Ergebnis, dass alle friedlichen Mittel ausgeschöpft sind und nur der Einsatz militärischer Gewalt den Zustand des Friedens wieder herstellen kann.
Beide Fälle sind nicht eingetreten – die USA sind nicht unmittelbar durch den Irak bedroht gewesen (in keiner möglichen Weise)
und im Sicherheitsrat der VN konnte keine Kriegsresolution gegen den Irak durchgesetzt werden: Die die Resolution einbringenden Staaten USA,Großbritannien und Spanien haben nicht nur keine Mehrheit dafür gefunden,
sie wurden durch ein klares Veto der „current members“ Frankreich und Russland blockiert und zurückgewiesen.
Selbst Colin Powell, ehemaliger Außenminister der Adm. Bush hat inzwischen öffentlich zugegeben, dass er vor den VN gelogen hat, als er behauptete der Irak besitze Massenvernichtungswaffen!
Ich frage Sie: Unterstützen Sie als CDU-MdB einen auf einer platten Lüge aufgebauten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg?
Roland A. Schneider
Sehr geehrter Herr Schneider,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 24. November 2008, in der Sie mich um die Position der CDU/CSU zum Thema Irakkrieg bitten, Bezug nehmend auf meine Beantwortung der Frage von Herrn Neumann.
Die Frage der völkerrechtlichen Legitimität des militärischen Vorgehens der USA und ihrer Verbündeten gegen das irakische Regime wurde national und international kontrovers und mit sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen diskutiert.
Der damalige Außenminister Fischer hat bereits in einer Sitzung des Parteirats der Grünen Mitte Dezember 2002 deutlich gemacht, dass die VN-Resolution 1441 von den USA als ein Mandat für einen Militärschlag ausgelegt werden könne. Und in einem "Spiegel"-Interview (30.12.2002) hat er auf die Frage, ob er ein militärisches Vorgehen gegen den Irak ohne eine neues VN-Mandat für völkerrechtswidrig halte, geantwortet: "Die Resolution 1441 lässt offen, ob der Sicherheitsrat eine erneute Resolution verabschieden soll. Mit der Resolution 1441 gibt es keinen mandatsfreien Zustand mehr." Die einstimmig angenommene Sicherheitsrats-Resolution 1441 sieht bereits nach einer Befassung des Sicherheitsrates die Möglichkeit "ernsthafter Konsequenzen" vor, falls der Irak seine Verpflichtungen erheblich verletzt, was mehrfach der Fall gewesen ist.
Der damalige Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte bei seiner Ablehnung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Mitglieder der Bundesregierung wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Angriffskrieges dargelegt, dass dem Völkerrecht „- jedenfalls derzeit - kein allgemein anerkannter und auch nur einigermaßen ausdifferenzierter Begriff der völkerrechtswidrigen bewaffneten Aggression zu entnehmen“ sei. Weiterhin führte er aus, dass zur Rechtsunsicherheit nicht unerheblich der Umstand beitrage, „dass das Völkerrecht nicht statisch“ sei. Kay Nehm kam zu dem Schluss, dass (im Rahmen der vorgenommenen strafrechtlichen Prüfung) nicht zu entscheiden sei, ob die Anwendung von Gewalt durch die Vereinigten Staaten von Amerika völkerrechtlich zulässig ist.
Aufgrund der zahlreichen, unterschiedlichen Rechtspositionen zum Irak-Krieg war es letztlich eine politische Entscheidung, welche Position man gegenüber diesem Krieg einnahm.
Tatsache ist jedoch auch, dass die Bundesregierung unter Bundeskanzler Schröder den USA und deren Partnern im Irak-Krieg militärische Hilfe leistete, durch z.B. Überflugrechte für die USA und die Bewachung amerikanischer Einrichtungen durch Bundeswehrsoldaten. Die damalige Rot-Grüne Bundesregierung hat diesen Krieg damals auch nicht als völkerrechtswidrig eingestuft.
Trotzdem sind keine Soldaten in den Irak entsendet worden. Auch eine unionsgeführte Regierung hätte keine Bundeswehrsoldaten in den Irak geschickt. Im Übrigen leistet Deutschland heute im Irak umfangreiche humanitäre Hilfe und Unterstützung beim Wiederaufbau, beim politischen Übergangsprozess und bei den Bemühungen zur Herstellung von Sicherheit. In einzelnen Missionen hat Deutschland seit 2004 irakische Offiziere und Minenräumer in Deutschland und irakische Pioniere und Kraftfahrer sowie Polizisten in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgebildet. Daran halten wir auch weiterhin fest.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch ein Zitat von unserer heutigen Bundeskanzlerin, Angela Merkel, vom 20. März 2003 zum Beginn der militärischen Aktionen im Irak mit auf den Weg geben: „CDU und CSU bedauern sehr, dass es nicht gelungen ist, die Entwaffnung des Iraks mit friedlichen Mitteln zu erreichen, denn wir dürfen nie vergessen: Krieg ist immer eine Niederlage von Diplomatie und Politik“.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Blumenthal