Portrait von Annette Schavan
Annette Schavan
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Annette Schavan zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Birgit S. •

Frage an Annette Schavan von Birgit S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Schavan,

zu Pestzeiten erkannte man, Ratten übertragen die Krankheit. Die damalige Regierung setzte eine " Kopfprämie" für abgelieferte Ratten aus. Findige Menschen begannen umgehend Ratten zu züchten und sich somit ein gutes Auskommen zu schaffen. Heute bekommen karitative Einrichtungen wir DEKRA , Caritas und viele andere zwischen 500.- Euro / Monat und 800.- Euro/ Monat für jeden 1.- Eurojobber, der dort " gefördert " wird. Ferner allimentiert der Staat Hartz IV Empfänger lebenslänglich - ohne irgend eine Gegenleistung dafür zu forden. " Züchtet" der Staat damit womöglich Hartz IV Empfänger ?

Damals erkannten die Regierungen irgendwann den Fehler im System, heute gibt es keine " Kopfprämie" mehr für Ratten ... In Holland arbeiten Arbeitslose, seit 2005, gemeinnützig oder tatsächlich in Firmen - was die Arbeitslosenquote senkte und den Lebensstandart der gesamten Bevölkerung anhob. Sehen Sie eine Chance, daß unsere Regierung in absehbarer Zeit den Fehler im System ebenfalls erkennt ?

Nette Grüße

Birgit Schuster

PS: Ich stelle ausdrücklich fest, ich vergleiche hier Begebenheiten ( oder wenn Sie so wollen Subventionen ) miteinander - nicht Hartz IV Empfänger mit Ratten . Ins besondere möchte ich wissen, warum wir alle die Arbeiten, Steuern und Abgaben zahlen nicht auch wir die Bevölkerung in Holland erwarten können, daß die Menschen, welche von uns unterstützt werden ihren Anteil - durch tägliche Leistung für die Allgemeinheit - hierzu leisten.

Portrait von Annette Schavan
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Schuster,

vielen Dank für Ihre Frage vom 20. Juni 2013.

Grundlegendes Ziel der Arbeitsmarktpolitik ist, die Eigenverantwortung zu stärken und dazu beizutragen, dass die erwerbsfähigen Leistungsempfänger ihren Lebensunterhalt unabhängig von staatlichen Leistungen aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Das SGB II formuliert deshalb, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende die Leistungsempfänger bei der "Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit" unterstützen und den "Lebensunterhalt sichern soll", soweit er nicht auf andere Weise bestritten werden kann.

Dieses Prinzip des „Fördern und Forderns“ knüpft an das Konzept des aktivierenden Sozialstaats an. Deshalb haben die Leistungsberechtigten nach dem SGB II Zugang zu einem Großteil der SGB III-Instrumente (Arbeitslosenversicherung). Über die SGB III-Leistungen hinaus können aber weitere Leistungen erbracht werden, beispielsweise Schuldnerberatung, Suchtberatung und psychosoziale Betreuung. Daneben definiert das SGB II noch weitere Förderleistungen: die Benennung eines persönlichen Ansprechpartners für jeden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die Erstellung einer Eingliederungsvereinbarung mit jedem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sowie für alle diejenigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die keine Arbeit finden können, die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten.

Die Leistungsempfänger müssen aber im Gegenzug alle Möglichkeiten "zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit" ausschöpfen. Sie müssen aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen. Wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist, haben die erwerbsfähigen Leistungsempfänger eine angebotene Arbeitsgelegenheit anzunehmen.

Es entspricht dem Grundprinzip des "Förderns und Forderns", wenn erwerbsfähige Leistungsempfänger bei Verletzung ihrer Pflichten im Eingliederungsprozess mit entsprechenden Leistungskürzungen sanktioniert werden.

Mit der Regelung des § 31 SGB II existiert ein entsprechender Mechanismus, um "Pflichtverletzungen" von Leistungsbeziehern nach dem SGB II zu sanktionieren. Pflichtverletzungen sind zum Beispiel die Nichtaufnahme einer zumutbaren Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit, der Nichtantritt oder Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme sowie das Nichterscheinen nach einer Meldeaufforderung der Grundsicherungsstelle.

Eine Pflichtverletzung ohne Nachweis eines wichtigen Grundes führt zu einer "Kürzung beziehungsweise - im Wiederholungsfalle - bis zum Wegfall des Arbeitslosengeldes II" (Regelbedarf, Mehrbedarfe, Leistungen für Unterkunft und Heizung). Der Kürzungsbetrag richtet sich nach einem Prozentsatz des maßgebenden Regelbedarfs. Die Minderung beziehungsweise der Wegfall der Leistung dauern drei Monate.

Bei den von einer Sanktion nach § 31 SGB II Betroffenen bleibt das "Existenzminimum gewahrt". Um dies zu gewährleisten, ist nach der bestehenden Rechtslage vorgesehen, (ergänzende) Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - etwa durch Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen - zu erbringen. Der zuständige Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende soll derartige Leistungen zum Beispiel erbringen, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.

Die Regelung des § 31 SGB II trägt auch den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Schutz des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum hinreichend Rechnung. Um einen verfassungsgemäßen Rechtszustand zu gewährleisten, bedarf es daher keiner gesetzlichen Anpassung. Das BVerfG ist in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 zur Bestimmung der Regelbedarfe auf die Sanktionsvorschriften nicht unmittelbar eingegangen. Es hat aber einen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum anerkannt, der umso weiter ist, je weniger es um das für die Existenz des Menschen Erforderliche und je mehr es um gesellschaftliche Teilhabe geht. Überdies hat das Gericht festgestellt, dass es dem Gesetzgeber überlassen bleiben muss, ob er den Bedarf über Geld, Sach- oder Dienstleistungen decken will. Diesen Anforderungen genügen die bestehenden Regelungen, weil das physische Existenzminimum durch ergänzende Sachleistungen sichergestellt werden kann und weil die gesellschaftliche Teilhabe stets nur für einen begrenzten Zeitraum eingeschränkt wird.

Im Übrigen wird durch die Regelung der Freibeträge bei Erwerbstätigkeit nach § 11b SGB II, wonach bei einem erwerbstätigen Leistungsempfänger nach dem SGB II nur ein Teil seines Erwerbseinkommens auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, "ein positiver Anreiz" für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesetzt. Die bestehenden "Sonderregelungen für unter 25jährige Leistungsberechtigte" sind ebenso besonderer Ausdruck des Grundsatzes des Förderns und Forderns. Den besonderen Sanktionsmechanismen steht der "gesteigerte Rechtsanspruch auf Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit" gegenüber (§ 3 Absatz 2 SGB II). Auch die leistungsrechtlichen Sonderregelungen folgen diesem Grundsatz: Das Verlassen des Haushaltes der Eltern ohne besonderen Grund ist nur möglich, soweit unter 25jährige Leistungsberechtigte „auf eigenen Beinen stehen“, also die Kosten für die Wohnung aus eigenem Einkommen bestreiten können. Liegt ein wichtiger Grund für den Auszug vor (schwerwiegende soziale Gründe oder die Aufnahme einer Ausbildung oder Arbeit), ist die Zustimmung zur Anerkennung der Bedarfe für die Unterkunft zu erteilen und der Regelbedarf für Alleinstehende anzuerkennen.

Bei den SGB II-Leistungen handelt es sich um steuerfinanzierte Leistungen, die von der Allgemeinheit finanziert werden. Die Allgemeinheit stellt den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Grundsicherung zur Verfügung. Dafür muss sie auch verlangen können, dass der Leistungsempfänger alles unternimmt, "diese Hilfesituation zu überwinden". Hier setzen die Sanktionen an. Diese können durchaus dazu beitragen, die Menschen in eine Beschäftigung zu vermitteln, ihnen aber auch verdeutlichen, dass eine Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit nicht hingenommen werden kann. Das ist und bleibt das Ziel des SGB II.

Seien Sie herzlich und mit guten Wünschen gegrüßt.

Ihre Annette Schavan