Frage an Annette Schavan von Ronny F. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Schavan,
bitte googeln Sie nach dem Wort "Chemtrails" und schauen Sie sich die Bilder vom Himmel an.
So sieht auch speziell bei uns in Deutschland der einst natürlich blaue Himmel heute oft aus. Ich weiß nicht, ob diese Streifen Kondensstreifen sind oder sogenannte Chemtrails, das steht für mich hier nicht zur Debatte.
Ich möchte Sie dazu folgendes fragen:
1. Haben Sie Kinder? Wenn ja, spielen diese gern unter einem solchen Himmel? Wenn nein, lebt Ihre Familie gern unter solch verschmutztem Himmel?
2. Nachdem in Deutschland relativ viel für den Umweltschutz getan wird, warum wird absolut nichts zum Schutz des Himmels getan? Siehe Frage 3 und 5.
3. Ihre Meinung dazu:
Wenn ein Arbeitnehmer zu produktiver Arbeit fährt, muss er tanken. Er zahlt auf den Kraftstoff Mehrwertsteuer, Ökosteuer, Energiesteuer. Sein Auto hat einen Katalysator und hinterlässt keine optischen Luft-Verschmutzungen.
Wenn jemand in den Urlaub fliegt, muss das Flugzeug tanken. Für den Kraftstoff wird ÜBERHAUPT KEINE Steuer fällig. Dabei hat das Flugzeug KEINEN Katalysator und hinterlässt beim Betrieb dermaßen Luftverschmutzung, dass unser Himmel oft ausschaut, wie bei Ihrer Bildersuche nach "Chemtrails". Zudem ist Kerosin ein viel dreckiger Kraftstoff als Benzin.
Ihre Meinung zu dieser Ungerechtigkeit?
4. Diese "Kondensstreifen" lösen sich manchmal stundenlang nicht auf. Sie werden dafür dann immer breiter und breiter. Wer öfters den Himmel beobachtet, bemerkt es. Wenn genug Flugverkehr herrscht, bildet sich manchmal eine regelrechte Dunst- oder Wolkenschicht durch den Flugverkehr.
Nun, Wolken sind ein Teil des Wetters.
Meine Fragen dazu:
Was denken Sie von Menschen, die immer noch glauben, dass man am Wetter nicht "drehen" kann?
5. Hat sich der Bundestag oder ihre Partei jemals mit diesem Thema des völlig "zerstörten" Himmels durch Kondensstreifen befasst?
Wenn ja: Warum wird nichts dagegen getan?
Wenn nein: Warum nicht?
mit freundlichen Grüßen,
Ronny Franz
Sehr geehrter Herr Franz,
vielen Dank für Ihre Frage vom 6. Februar 2013 zu sogenannten Chemtrails.
Seit in der Zeitschrift Raum & Zeit 127/2004 der Artikel „Die Zerstörung des Himmels” erschienen ist, erhielt das Umweltbundesamt (UBA) zahlreiche Anfragen besorgter Bürgerinnen und Bürger zu den sogenannten Chemtrails. Dabei soll es sich um angeblich durch Flugzeuge in der Atmosphäre versprühte Chemikalien handeln. Der Artikel behauptet unter anderem, dass im Rahmen geheimer Projekte der USA militärische und zivile Flugzeuge Aluminium und Bariumverbindungen in die Atmosphäre ausstoßen, aus denen sich diese Chemtrails - ähnlich der Bildung von Kondensstreifen - entwickeln würden. Ziel soll dabei sein, der durch den Menschen hervorgerufenen (anthropogenen) Erwärmung, verursacht durch Emissionen treibhauswirksamer Gase in die Atmosphäre, entgegenzuwirken.
Für das in dem genannten Artikel erwähnte Einbringen von Aluminiumverbindungen in die Atmosphäre und die Bildung sogenannter Chemtrails gibt es keinerlei wissenschaftliche Belege. Auch im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind die beschriebenen Phänomene nicht bekannt. Das Institut für Physik der Atmosphäre des DLR untersucht seit vielen Jahren die Wirkung der Emissionen des Luftverkehrs auf die Atmosphäre - einschließlich zahlreicher Messungen gas- und partikelförmiger Emissionen von Verkehrsflugzeugen. Falls es die sogenannten Chemtrails gäbe, müssten beim DLR darüber Informationen vorliegen. Die Messungen enthalten jedoch keinerlei Hinweise darauf. Die Deutsche Flugsicherung GmbH bestätigte, dass sie im Rahmen der Luftraumüberwachung keine auffälligen Flugbewegungen beobachtete, die etwas mit dem beschriebenen Sachverhalt zu tun haben könnten.
Darüber hinaus teilte der Deutsche Wetterdienst mit, dass in den Beobachtungsdaten keine Besonderheiten auffindbar seien, die auf abweichende Formen von Kondensstreifen hindeuten. Auch das Bundesministerium der Verteidigung hat keine weitergehenden Erkenntnisse. Das Hauptquartier der US-Luftwaffe Europa teilte mit, dass es die beschriebenen Projekte bei der US-Luftwaffe weder gibt noch gegeben hat.
Das UBA ging auch der in Zuschriften vorgetragenen Behauptung nach, die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) hätte angeblich eine Risikoanalyse über mögliche Folgen der Chemtrails unternommen. Auf Anfrage des UBA versicherte die WHO, weder über sogenannte Chemtrails Kenntnis, noch eine Studie zum Thema in Auftrag gegeben zu haben.
In der Tat gab und gibt es im wissenschaftlichen Bereich verschiedene theoretische Vorstellungen, zum Schutz des Klimas unterschiedliche Stoffe in die Atmosphäre einzubringen - zum Beispiel Aluminiumoxid, Aluminium, Ruß, Eisenverbindungen. Mit derartigen Substanzen will man erreichen, dass weniger Sonnenstrahlung die Erdoberfläche erreicht, was zur Folge hätte, dass die Erwärmung der Atmosphäre verringert wird. Das bedeutet konkret, dass der anthropogenen Erwärmung der Atmosphäre durch treibhauswirksame Gase ein abkühlender Effekt - künstlich - hinzugefügt wird. Jedoch konnten sich diese Ansätze aus dem Bereich des Geoengineering - das sind großmaßstäbliche Eingriffe in natürliche Vorgänge - nicht durchsetzen - auch nicht im experimentellen Maßstab. Denn: Abgesehen von der Frage nach der Wirksamkeit gibt es große Bedenken und Unsicherheiten, welche unvorhergesehenen weiteren Wirkungen mit solchen Eingriffen verbunden sein könnten.
Darüber hinaus wären die Kosten für derartige Maßnahmen erheblich. Das Einbringen der Verbindungen in die Atmosphäre wäre, um eine globale Wirkung zu gewährleisten, fortlaufend und in globalem Umfang notwendig. Im Internet lässt sich eine große Menge Material zum Stichwort Chemtrails finden. Dabei wirkt aber keine Quelle wirklich glaubhaft, da überzeugende Belege fehlen. Die Quellen heißen “paranews“, „ufos-aliens“, „esoterikforum“ oder „allmystery“ und zeigen zum Teil Fotos etwaiger Chemtrails, die allerdings keinen Anlass geben, dahinter etwas anderes als gewöhnliche Kondensstreifen oder Wolken zu vermuten. Zumeist handelt es sich um die unterschiedlichen Formen von Zirruswolken, die aus Eiskristallen bestehen.
Auch auf den verschiedenen Fotos, die Bürgerinnen und Bürger dem UBA zusandten, sind nach Erkenntnis des Amtes langlebige Kondensstreifen und Zirruswolken zu sehen. Offenbar werden als Kondensstreifen meist nur jene wahrgenommen, die sich kurzzeitig bilden und die sich - wegen zu geringer relativer Feuchte - rasch wieder auflösen.
Das Institut für Physik der Atmosphäre des DLR gibt folgende detaillierte Auskunft über die Bildung von Kondensstreifen: Kondensstreifen entstehen in hinreichend kalter Atmosphäre als Folge der Wasserdampfemissionen aus Flugzeugtriebwerken. Bei niedriger Feuchte lösen sich Kondensstreifen rasch wieder auf. Ist die Atmosphäre jedoch hinreichend feucht, können Kondensstreifen länger existieren und weiter wachsen. Unter geeigneten Bedingungen können sie sich zu großflächigen Zirruswolken, die im Falle einer solchen Entstehungsgeschichte Contrail-Cirrus heißen, entwickeln. Contrail-Cirrus ist dann nicht mehr von natürlichen Zirren unterscheidbar, falls nicht seine gesamte Entstehungsgeschichte beobachtet wurde.
Nehmen Zirruswolken, die optisch sehr dünn sein können, eine große Fläche ein, erscheint dem Beobachter der Himmel milchig weiß. Im Mittel sind rund 0,06 Prozent der Erde mit (linienförmigen) Kondensstreifen bedeckt. Gegenden mit hohem Flugverkehrsaufkommen erreichen deutlich höhere Bedeckungsgrade. So lag Mitte der neunziger Jahre der Wert für Europa bei 0,5 Prozent. Der Bedeckungsgrad durch Contrail-Cirrus ist noch nicht bekannt. Erste Schätzungen liefern Werte, die etwa zehnmal so groß sind wie der Bedeckungsgrad mit linienförmigen Kondensstreifen. Altern Kondensstreifen, bleiben sie nicht glatt, sondern bilden Formen, wie auf vielen Fotos zu sehen ist. Dieser Vorgang ist ein lange bekanntes Phänomen und eine Folge der Turbulenz, die in der Atmosphäre allgegenwärtig ist. Diese Formen lassen sich auch durch Modellsimulationen reproduzieren.
Mehrere Kondensstreifen nebeneinander entstehen zum Beispiel dadurch, dass Flugzeuge festen Routen folgen und die Windrichtung in der Höhe von der Flugroute abweicht. Die Kondensstreifen verschieben sich dadurch seitlich. An Knotenpunkten der Flugrouten können sich Kondensstreifen unterschiedlicher Orientierung bilden. Als Folge der Verschiebung der Kondensstreifen entstehen dann die auf Fotos festgehaltenen rautenförmigen Muster.
Da Windrichtung und -geschwindigkeit praktisch nie gleich sind, entstehen aus vormals geraden Mustern gekrümmte Formen. Außerdem fliegen Flugzeuge nicht immer nur geradeaus, sondern auch Kurven, insbesondere während Warteschleifen in Flughafennähe. In diesem Fall können gekrümmte Kondensstreifen entstehen.
Bisher hat die Chemtrail-Thematik in den Medien hauptsächlich über die Zeitschrift Raum & Zeit Verbreitung gefunden. Schaut man die Inhaltsverzeichnisse der letzten Jahre genauer an, finden sich in dieser Zeitschrift fortlaufend Beiträge, die vom gegenwärtigen naturwissenschaftlichen und medizinischen Kenntnisstand abweichen. Dazu zählen beispielsweise Gegenthesen zur Relativitätstheorie oder den Ursachen von AIDS und BSE.
Auch mehrere Artikel, die den anthropogenen Treibhauseffekt und die damit verbundene Klimaänderung bestreiten, sind enthalten. Dies erscheint besonders widersprüchlich angesichts der Behauptung an gleicher Stelle, Chemtrails seien der Versuch, die Wirkungen des vom Menschen gemachten Klimawandels zu mildern.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Bildung von Zirruswolken aus Kondensstreifen nach neueren Erkenntnissen in besonderem Maße zur Klimawirksamkeit des Flugverkehrs beiträgt. Kondensstreifen und Zirren erwärmen das Klima. Es wäre also kontraproduktiv, mit Hilfe zusätzlicher Zirren oder zirrenähnlicher Wolken der Klimaerwärmung aufgrund der anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen entgegenwirken zu wollen. Auf der Basis des gegenwärtigen Kenntnisstandes des UBA und der Zusammenschau aller oben erläuterten Aspekte lässt sich schlussfolgern, dass die im Artikel „Die Zerstörung des Himmels” aufgestellten Behauptungen nicht glaubwürdig sind.
Weitere Informationen zu den Auswirkungen des Luftverkehrs auf die Zusammensetzung der Atmosphäre und das Klima sind im Internet zu finden:
• IPCC-Bericht zum Luftverkehr: http://www.ipcc.ch/pub/av(E).pdf
• Tagungsband der AAC-Konferenz (Aviation, Atmosphere and Climate):
http://www.pa.op.dlr.de/aac/
• Übersichtsartikel zu den Auswirkungen des Luftverkehrs auf die
Atmosphäre:
http://www.ingentaconnect.com/content/schweiz/mz/2005/00000014/00000004/art00013
• Abstracts der international Conferenz on Transport, Atmosphere and
Climate 2006: http://www.pa.op.dlr.de/tac/
Sehr geehrter Herr Franz, ich hoffe sehr, mit den vorstehenden Erläuterungen Ihre Bedenken zerstreut zu haben.
Seien Sie herzlich und mit guten Wünschen gegrüßt.
Ihre Annette Schavan