Frage an Annette Schavan von Karsten R. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Schavan,
das Ihrem Ministerium unterstehende "Bundesinstitut für Berufsbildung" schreibt auf deren Seite
(Good Practice Center Förderung von Benachteiligten in der Berufsbildung http://www.good-practice.de/3349.php ):
"Sozial Benachteiligte Definition / Erläuterung
Der Benachteiligtenbegriff schließt neben einer individuellen Beeinträchtigung vor allem eine soziale Benachteiligung mit ein. Die Betroffenen gelten als sozial benachteiligt, wenn ihre Lebenschancen erheblich eingeschränkt werden, weil sie einer bestimmten Gruppe angehören. Sowohl das dritte als auch das achte SGB verbinden mit der sozialen Benachteiligung Rechtsansprüche.
Von einer sozialen Benachteiligung ist in der Regel immer dann auszugehen, wenn die altersmäßige gesellschaftliche Integration nicht wenigstens durchschnittlich gelungen ist, insbesondere bei Haupt- und Sonderschülern ohne Schulabschluss, Absolventen eines Berufsvorbereitungsjahres, Abbrechern von Maßnahmen der Arbeitsverwaltung, schulischer und beruflicher Bildungsgänge, Langzeitarbeitslosen, jungen Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, jungen Menschen mit Sozialisationsdefiziten, jungen Menschen, die in besonderen sozialen Schwierigkeiten sind, bei ausländischen jungen Menschen und Aussiedlern (mit Sprachproblemen) auch dann, wenn ihre schulischen Qualifikationen höher als der Hauptschulabschluss liegen; schließlich bei jungen Menschen mit misslungener familiärer Sozialisation und UND DURCH GESETZLICHE RAHMENBEDINGUNGEN BENACHTEILIGTE MÄDCHEN UND JUNGEN FRAUEN"
Auf mehrfacher Anfrage beim Bundesinstitut für Berufsbildung, welche gesetzliche Rahmenbedingungen Mädchen und junge Frauen benachteiligten würden, habe ich bis jetzt keine Antwort erhalten.
Sicherlich können Sie mir, Frau Schavan, die gesetzliche Rahmenbedingungen nennen, die Mädchen und junge Frauen benachteiligten.
Auf Ihre Antwort freut sich
K.Rademacher
Sehr geehrter Herr Rademacher,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 2. Dezember 2012. Ich habe mich daraufhin mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung in Verbindung gesetzt. Die zuständigen Mitarbeiter werden Ihnen in Kürze auf Ihre Fragen antworten.
Seien Sie herzlich und mit guten Wünschen gegrüßt.
Ihre Annette Schavan
Sehr geehrter Herr Rademacher,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Glossarbegriff „Sozial Benachteiligte“, den Sie auf den Seiten unseres Online-Portals gefunden haben. Tatsächlich ist offensichtlich eine Anfrage von Ihnen im Oktober aufgrund eines Personalengpasses unbeantwortet geblieben, dafür entschuldigen wir uns und holen die Antwort hiermit nach:
Die Definition im GPC-Glossar geht auf den Frankfurter Kommentar zum SGB VIII von Johannes Münder zurück (Weinheim 2006). Ähnlich lautende Definitionen finden sich auch bei anderen Fachveröffentlichungen, z. B. in Schruth, Peter (2005): Zur Leistungskonkurrenz zwischen SGB II und § 13 SGB VIII. Expertise im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendaufbauwerk Magdeburg.
Nach unserem Erkenntnisstand handelt es sich „um eine sonst übliche Darstellung“, die sich vor allem auf den § 13 SGB VIII bezieht. Die soziale Benachteiligung begründet einen erhöhten Unterstützungsbedarf zu deren Ausgleich bzw. Überwindung.
Auf dieser Rechtsgrundlage werden zusätzliche Förderungs- und Vermittlungsbemühungen in Ausbildung, Beruf und sozialer Integration finanziert, dazu gehören u. a. Angebote zur Mädchenarbeit im Übergang Schule – Beruf.
Der „Erste Gleichstellungsbericht Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf“ weist auf eine solche Benachteiligung hin, wenn z. B. der Unterhalt - etwa BAföG – nur bei Vollzeit, nicht aber bei Teilzeitausbildung gefördert wird. Er empfiehlt, auch diese Förderung müsse sichergestellt werden.
Überwiegend handelt es sich bei Benachteiligungen in den Handlungsfeldern der Benachteiligtenförderung eher im weiteren Sinne um gesellschaftliche als im engeren Sinne um gesetzliche Rahmenbedingungen. Als Beispiele dafür nennt der Erste Gleichstellungsbericht u. a.:
- Brüche im Lebensverlauf, z. B. durch Mutterschaft oder Pflege
- Benachteiligungen aufgrund von Elternschaft
- noch unzureichende Umsetzung des rechtlich verankerten Anspruchs auf Teilzeit-Ausbildung
- Rollenbilder, die das Berufsspektrum auf geschlechtstypische Berufe verengen
- das in einen dualen und einen schulischen Zweig geteilte Berufsbildungssystem mit erheblichen Nachteilen für Frauen, die überwiegend in sozialen Dienstleistungsberufen an Schulen vertreten sind. Hier werden bundeseinheitliche Standards in der Berufsausbildung gefordert.
Wir haben die Definition im Glossar wie folgt überarbeitet: Der Benachteiligtenbegriff schließt neben einer individuellen Beeinträchtigung vor allem eine soziale Benachteiligung mit ein. Die Betroffenen gelten als sozial benachteiligt, wenn ihre Lebenschancen erheblich eingeschränkt werden, weil sie einer bestimmten Gruppe angehören. Sowohl das dritte als auch das achte SGB verbinden mit der sozialen Benachteiligung Rechtsansprüche.
Zu sozialen Benachteiligungen zählen solche durch die soziale Herkunft, die ökonomische Situation, familiäre Bedingungen, Bildungsferne, darüber hinaus durch das Geschlecht, die ethnische oder kulturelle Herkunft.
Von einer sozialen Benachteiligung geht man in der Regel dann aus, wenn die altersmäßige gesellschaftliche Integration nicht wenigstens durchschnittlich gelungen erscheint.
Quellen:
Münder, Johannes: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII. Weinheim 2006 Fülbier, Paul: Benachteiligte Jugendliche: Zielgruppenbestimmung, Programme und politische Lobbyarbeit ( http://www.arbeitslehre.uni-wuerzburg.de/uploads/media/Benachteiligte_Jugendliche_-_Zielgruppenbestimmung_Programme.pdf )