Frage an Annette Schavan von Philipp Z. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Schavan,
ich habe vor kurzem ein Bericht über das Studium von heute gesehen. In diesem wurde die Mängel der Bologna-Reform deutlich. Viele Expertenmeinungen wurden eingeholt und in einem Punkt waren sich alle einig: das alte System mit Diplom und Magister war besser. Ich persönlich handle immer nach einem einfachen Prinzip: etwas neues ausprobieren ist gut und wenn es besser funktioniert, behält man es bei und wenn nicht, kehrt man zum alten System zurück. Vielleicht können sie mir erklären, warum man dies nicht auch bei der Bologna-Reform tut, da offensichtlich ist, dass das alte System besser war.
Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Zieten
Sehr geehrter Herr Zieten,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Die neue gestufte Studienstruktur hat sich bewährt, trotz berechtigter Kritik an der Umsetzung im Einzelnen. Der Bologna-Prozess hat - seit seinen Anfängen 1998 mit der Sorbonne-Erklärung - einen erheblichen Strukturwandel und eine Europäisierung der Hochschulpolitik ausgelöst. Dieser Strukturwandel des letzten Jahrzehnts ermöglicht es uns heute, die neuen Herausforderungen zu bewältigen: den wachsenden Fachkräftebedarf, die fortschreitende Internationalisierung und die steigende Bildungsbeteiligung der Bevölkerung in Deutschland.
Nie zuvor haben in Deutschland mehr Menschen ein Studium aufgenommen. 2011 wurde mit mehr als 500.000 Studienanfängerinnen und -anfänger eine Rekordzahl erreicht. Der Vergleich zur Situation vor 1998 - also vor Beginn des Bologna-Prozesses - zeigt den Umfang des Wandels. So gab es 1998 in Deutschland 272.000 Studienanfängerinnen und -anfänger - also nur etwas mehr als halb so viel wie heute. Damals lag die Studienanfängerquote bei unter 30 Prozent, während sie heute nahe an 50 Prozent heranreicht. 1998 gab es rund 110.000 Bildungsausländer an deutschen Hochschulen, inzwischen sind es rund 185.000. Der Median der Fachstudiendauer an Universitäten lag im Jahr 2000 bei 11,5 Semestern; im Jahr 2009 betrug er für die traditionellen universitären Abschlüsse 11,0 Semester. Für die neuen berufsbefähigenden Bachelorabschlüsse lag er 2009 bei 5,9 Semestern, für die Masterabschlüsse bei 4,1 Semestern. Die Bewältigung von mehr Studierenden in durchschnittlich kürzerer Zeit, die Etablierung einer international anerkannten Qualitätssicherung und die zunehmende Internationalisierung sind ein großer Erfolg des Bologna-Prozesses.
Dies beweist nicht zuletzt der überwiegend erfolgreiche Berufseinstieg mit den neuen Abschlüssen. Bachelorabsolventinnen und -absolventen sind selten arbeitslos oder unterhalb ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt. Der Berufsstart gelingt ihnen auch deshalb gut, weil die Wirtschaft den Systemwechsel unterstützt, unter anderem durch die konzertierte Aktion „Bachelor Welcome“.
Seien Sie herzlich und mit guten Wünschen gegrüßt
Ihre Annette Schavan