Frage an Annette Schavan von Erwin R. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Seht geehrte Frau Prof. Dr. Schavan,
warum wird in der heutigen Zeit an der Buchpreisbindung festgehalten? Wird damit nicht den einkommensschwachen Bevölkerungsschichten, besonders deren Kindern, der Zugang zu Wissen erschwert? Wird das nicht auch dadurch verstärkt dass ein elektronisches Buch (E-Book) preislich einem gedruckten gleichgesetzt wird, obwohl es qausi nur ein Zwischenschritt im Buchproduktionsprozess ist? Werden damit nicht ausschließlich die Interessen der Wirtschaft verteidigt?
Sehr geehrter Herr Roht,
vielen Dank für Ihre Frage vom 1. Februar 2012.
Sinn und Zweck der Preisbindung bei Büchern ist der Schutz des Kulturgutes Buch. Durch die gesetzliche Verpflichtung der Buchhändler, bei dem Verkauf der Bücher an Endkunden den von den Verlagen festgesetzten Preis zu verlangen, soll ein breites Buchangebot erhalten und zudem gewährleistet werden, dass dieses Angebot auch für eine breite Öffentlichkeit nicht nur in urbanen Zentren, sondern flächendeckend im gesamten Bundesgebiet zu gleichen Preisen zugänglich ist. Darüber hinaus soll nach der Gesetzesbegründung die Verlegung von kulturell wertvollen oder fachspezifischen Büchern, die von vornherein keine große Auflage erwarten lassen, aber auch die Verlegung von Werken einer Vielzahl deutscher Autoren durch kleine und mittlere Verlage gefördert und gesichert werden.
Insgesamt soll dadurch ein leistungsfähiger und vielfältiger Markt für Verlagserzeugnisse gesichert und deren Rolle als Kulturgut und Kulturmedium gefördert werden. Ausnahmen vom Grundsatz der Buchpreisbindung werden daher nur in einem sehr beschränkten Umfang zugelassen(zum Beispiel für Lehrer zur Verwendung im Unterricht, Rabatte für Schulbücher oder Mängelexemplare). Das Buchpreisbindungsgesetz verfolgt insoweit nicht das Ziel, einkommensschwachen Bevölkerungsschichten einen vergünstigten Zugang zu Büchern zu verschaffen. Hier kann - gerade in Bezug auf den Zugang zu Wissen für Kinder - auf öffentliche Stadt-, Landes- und Hochschulbibliotheken mit deren geringen Benutzungs- und Ausleihgebühren sowie auf die bestehende Sozialgesetzgebung verwiesen werden. Offenbar besteht vielfach die Ansicht, dass das E-Book der Buchpreisbindung unterliegt. Entscheidend für die Frage, ob die Buchpreisbindung auch für E-Books gilt, ist der Anwendungsbereich des Buchpreisbindungsgesetzes, der sich nicht nur auf traditionelle Bücher erstreckt. Der Buchpreisbindung unterliegen auch Produkte, die Bücher reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind. E-Books selbst finden im Buchpreisbindungsgesetz explizit keine Erwähnung, da sie zum Zeitpunkt des Erlasses im Jahre 2002 wenig verbreitet waren. Letztlich können daher über die Einordnung eines E-Bbooks als ein dem Buch gleichgestelltes Produkt nur die Gerichte verbindlich entscheiden. Eine gerichtliche Entscheidung liegt dazu bislang nicht vor. Seien Sie herzlich und mit guten Wünschen gegrüßt.
Ihre Annette Schavan