Frage an Annette Schavan von Gerhard R. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Schavan,
zu
http://www.abgeordnetenwatch.de/prof_dr_annette_schavan-575-37921--f304861.html#q304861
Sie verglichen die posttraumatischen Erkrankungen(PTBS) der deutschen Soldaten nach Auslandseinsätzen mit Fällen bei Polizei und Feuerwehr.
Kann man davon ausgehen, daß die Fallzahlen bei der Polizei und bei der Feuerwehr wesentlich kleiner sind?
Jetzt gab es im SPIEGEL Nr. 36 vom 5.9.11 auf Seite 14 unter der Überschrift “AUSLANDSEINSÄTZE Viele Suizide” einen Artikel mit folgendem Inhalt:
“Jeder fünfte bei einem Auslandseinsatz der Bundeswehr gestorbene Soldat hat sich selbst umgebracht. Seit Beginn der Auslandsmissionen vor fast 20 Jahren haben demnach 19 deutsche Soldaten Selbstmord begangen, während die Bundeswehr in diesem Zeitraum insgesamt 99 Tote zu beklagen hatte. Dies geht aus der Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage des SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels hervor. Elf Soldaten starben eines natürlichen Todes”.
Es gab also wesentlich mehr Selbstmorde als natürliche Todesfälle.
Ist meine Vermutung richtig, dass PTBS mitursächlich für Selbstmorde ist?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Frage vom 8. September 2011.
Von den bisher 99 in den Auslandseinsätzen verstorbenen Soldatinnen und Soldaten sind 36 gefallen, 33 durch einen Unfall ums Leben gekommen, elf eines natürlichen Todes gestorben und 19 begingen Suizid.
Ein Suizid kann unterschiedliche Ursachen haben. So können z. B. psychische Erkrankungen wie etwa Depressionen, Psychosen und manisch-depressive Erkrankungen eine Rolle spielen, ebenso Suchterkrankungen und chronische Schmerzen.
Weitere Suizid auslösende Faktoren können außerdem Lebenskrisen im familiären-partnerschaftlichen und/oder wirtschaftlichen Bereich sowie belastende und schreckliche Erlebnisse und Situationen sein. Derartige Konstellationen bzw. Begleiterkrankungen können auch bei Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) eine Rolle spielen und sich unter den Belastungen des Auslandseinsatzes verstärken. Es gibt jedoch keinen Anlass für eine Vermutung, PTBS sei eine Mitursache für die Suizidfälle in der Bundeswehr gewesen.
Studien bei Einsatzkräften der Polizei und Feuerwehr in Deutschland haben ergeben, dass psychische Erkrankungen bei diesen Gruppen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger auftreten. In einer Studie an 50 deutschen Polizisten wurde bei 28 Prozent nach Konfrontation mit einer schweren beruflichen Belastung die Diagnose PTBS gestellt (siehe Schütte N, Bär O, Weiss U, Heuft G. - Stabilität posttraumatischer Intrusionen bei Polizeibeamten, Psychotherapeut 2010).
In einer repräsentativen Studie mit 574 Angehörigen von deutschen Berufsfeuerwehren erfüllten 18,2 Prozent die Kriterien der PTBS (Wagner D, Heinrichs M, Ehlert U. - Prevalence of symptoms of posttraumatic stress disorder in German professionals firefighters, Am J Psych 1998).
In einer vom Bundesministerium der Verteidigung beauftragten Studie zur „Prävalenz und Inzidenz von traumatischen Ereignissen, PTBS und anderen psychischen Störungen bei Soldaten mit und ohne Auslandseinsatz“ (sog. „Dunkelziffer-Studie) wurde bei zwei Prozent der Soldaten eine klinisch bedeutsame PTBS festgestellt. Innerhalb der Bundeswehr stellt diese Prozentzahl im Vergleich zur Kontrollgruppe der Soldatinnen und Soldaten ohne Auslandseinsatz ein sechs- bis siebenfach erhöhtes PTBS-Risiko dar.
Seien Sie herzlich und mit guten Wünschen gegrüßt.
Ihre Annette Schavan