Frage an Annette Schavan von Jens K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Prof. Schavan,
arbeitsbedingt zogen meine Frau, unser damals 8jähriger Sohn und ich im März 2010 aus der nieders. Kleinstadt Moringen in einen Ort vor den Toren Dresdens. Die Schulen hier sind enorm leistungsorientiert und fördern/fordern die Schüler zu bemerkenswerten Leistungen. In Niedersachsen hatten wir drei Grundschulen sehr genau kennengelernt. In Moringen war das Niveau noch am höchsten. Dennoch können die uns bekannten Niedersächsichen Schulen ihren Sächsichen Pendants in keiner Weise das Wasser reichen. Unser Sohn gehörte in Moringen zu den besten Schülern seiner zweiten Klasse. Hier lag er schlagartig weit hinter dem Leistungsstand der 2. Klasse in Sachsen zurück. Dies wäre laut Aussage der Lehrer für Schüler aus dem Westen, außer aus Bayern und BW typisch und zumeist wäre es besser die Klassenstufe zu wiederholen. Mit viel Arbeit und manchem kindlichen Wut- und Tränenausbruch hat sich unser Sohn soweit an das Leistungsniveau seiner Umgebung herangearbeitet, daß wir etwas ruhiger in die Zukunft schauen. Während in Niedersachsen das Gymnasium eine sichere Perspektive war, ist dies hier fraglich, da immer noch viel aufzuholen ist. Die Zugangsvoraussetzungen für das Gymnasium sind hier in Sachsen deutlich höher als in Niedersachsen oder Bremen. Die Stundenanzahl in der Grundschule übrigens auch. Meine Frage ist, hatte unser Sohn nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seinerzeit in Niedersachsen nicht den gleichen Bildungsanspruch wie die Kinder in Sachsen? Ist dieser Unterschied und die erhebliche Mehrarbeit und Belastung zum Ausgleich des Niedersächsischen Bildungsdefizites nicht eine offensichtliche Benachteiligung unseres Sohnes. Welche Logik verbirgt sich hinter den sehr unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen ländereigenen gymnasialen Zugangsvoraussetzungen. Wird mein Sohn dabei nicht benachteiligt im Vergleich zu den leistungsschwächeren Schülern in Niedersachsen, die dennoch auf das Gymnasium in Nds. können?
Sehr geehrter Herr Kutschmann,
ich danke Ihnen für Ihre Frage vom 14. Januar 2011.
Ich kann Ihren Unmut gut verstehen. Die Kultusministerkonferenz hat bereits vor Jahren vereinbart, für alle Bundesländer gültige Bildungsstandards einzuführen. Die Umsetzung scheint immer noch nicht zu mehr Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern zu führen. Das aber ist die Voraussetzung für die Akzeptanz des Föderalismus. Wie Sie wissen, ist die Bundesregierung in die Schulpolitik nicht eingebunden. Ich habe in meiner Rede zur Bildungspolitik am 27. Januar 2011 im Bundestag erneut darauf hingewiesen - und an die Länder appelliert - die Erwartung der Bewertung von schulischen Leistungen und Schulabschlüssen ernst zu nehmen. Ansonsten wird der Föderalismus aus verständlichen Gründen im Bereich der Bildung schwerlich akzeptiert. Vielleicht sollten Sie Ihre Erfahrungen auch der Kultusministerkonferenz mitteilen.
Seien Sie herzlich und mit guten Wünschen gegrüßt
Ihre Annette Schavan