Frage an Annette Schavan von Sebastian D. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Prof. Schavan,
deutsche Universitäten schreiben Postdoc-Stellen vermehrt als Stipendium aus. Eine aktuelle Anzeige der TU Darmstadt für ein durch die DFG gefördertes Projekt sieht ein zweijähriges Stipendium mit einer Vergütung von ca. 1600 Euro (wobei hier wenigstens ein Kinderzuschlag zugesichert wird - was nicht immer der Fall ist).
Ich habe mich auf der Webseite der DFG rückversichert, dass DFG-Stipendien in der Tat kein Arbeitsverhältnis darstellen. Damit ist ein Stipendium zwar steuerfrei und unterliegt aber auch nicht der Sozialversicherungspflicht, d.h. keine automatische Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung und auch keine Kranken- und Unfallversicherung.
Kurz gesagt, man bezahlt 2-3 Jahre seines Lebens nach der 4-jährigen Promotion und dem mindestens 8-semestrigen Studiums nicht in die Rentenversicherung ein. Wir sprechen hier über Menschen im einem Alter von mindestens um die 30. Ein Alter wo man eigentlich auch an die Gründung von Familie denken sollte. Das Nettogehalt kommt ungefähr überein mit dem was ein beginnender Doktorand (wissenschaftlicher Angestellter) nach TV-L 13 erhält - wenn er denn eine volle Stelle hat.
Mich interessiert, wie Sie zu solchen prekären Arbeitsverhältnissen stehen, immerhin erhält die DFG erhebliche finanzielle Mittel des Bundes. Bei Doktoranden leuchtet mir der Sinn eines Stipendiums noch ein - in Teilen des Auslands werden Doktoranden zu den Studenten gezählt - bei Postdocs hat man es aber mit vollständig ausgebildeten Wissenschaftlern zu tun. Gleichzeitig lautet meine Bitte, Stipendien zukünftig als sozialversicherte Stellen anzubieten und diese Ausnutzung von qualifizierten Fachkräften zu verbieten.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Dembski,
vielen Dank für Ihre Frage vom 10. Dezember 2010.
In völliger Übereinstimmung mit den politischen Intentionen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gilt auch in der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Maxime, dass PostDocs in der Regel über Stellen finanziert werden sollten, nicht über Stipendien. Bei der Projektförderung im Inland vergibt die DFG sogar ausschließlich Stellen.
In Graduiertenkollegs der DFG gibt es für PostDocs sowohl die Möglichkeit der Finanzierung durch Stipendien als auch durch Stellen. Die Entscheidung für die eine oder andere Finanzierungsart liegt beim jeweiligen Kolleg. So kann dort gegebenenfalls berücksichtigt werden, welche Finanzierungsart der/die Bewerber bevorzugen: Gerade von PostDocs aus dem Ausland wird manchmal das Stipendium bevorzugt. Die DFG stockt solche PostDoc-Stipendien in Graduiertenkollegs im Bedarfsfall auch auf Stellen auf (Nachwbewilligung). Die Kollegs machen tatsächlich zunehmend von der Möglichkeit der Finanzierung über Stellen für PostDocs Gebrauch. Eine Zunahme der Finanzierung von PostDocs über Stipendien kann daher für die DFG-Förderung nicht bestätigt werden.
Auch in den geförderten Exzellenzeinrichtungen rät die DFG zur Finanzierung durch sozialpflichtige Beschäftigungsverhältnisse; im Einzelfall wird dies jedoch den geförderten Einrichtungen überlassen.
Auch für Promovierende sollte aus Sicht der DFG die Stellenfinanzierung der Regelfall sein:
Da aus Sicht der DFG bereits Promovierende als junge forschende Berufstätige zu betrachten sind, hat sie auch für das Programm Graduiertenkollegs eingeführt, dass Promovierende aller Fächer nunmehr auf Stellen promovieren können. Diese Neuregelung ist besonders für die Gleichstellung und die Situation in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern ein wichtiger Schritt. Die Mittelzuwächse aus dem Hochschulpakt gibt die DFG zu einem großen Teil in die Nachwuchsförderung, und hier insbesondere in das Programm Graduiertenkollegs.
Stipendien vergibt die DFG jedoch nach wie vor an PostDocs, die ins Ausland gehen wollen. Für die grenzüberschreitende Mobilität von WissenschaftlerInnen ist das Stipendium meist häufig die geeignetste Finanzierungsform, insbesondere in Fällen, in denen bei Beurlaubung der Sozialstatus im Heimatland erhalten bleibt. - aber auch nur dort.
Seien Sie herzlich und mit guten Wünschen gegrüßt.
Ihre Annette Schavan