Frage an Annette Schavan von Jonathan B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Schavan,
warum halten Sie die humboldtschen Vorstellungen von Bildung und Wissenschaft für veraltet?
Mit freundlichen Grüßen,
Jonathan Berger
Sehr geehrter Herr Berger,
vielen Dank für Ihre Frage vom 14. Dezember 2009.
Ich halte die Vorstellungen Wilhelm von Humboldts von Bildung ganz und gar nicht für veraltet. In den 14 Monaten, in denen Humboldt Sektionschef für Kultus und Unterricht im Ministerium des Innern in Berlin war, entstand ein neu gegliedertes Bildungssystem, das allen Schichten mehr Chancen auf Bildungserwerb sichern sollte. Mit der Gründung der Universität in Berlin vor fast 200 Jahren wurde seine Idee der Einheit von Lehre und Forschung verwirklicht und eine allseitige humanistische Bildung der Studierenden ermöglicht. Diese Idee ist heute ebenso gültig wie vor 200 Jahren.
Zur Bildung gehören nach meiner Ansicht Wissen, Können, Einsicht und Erfahrung. Bildung ist nicht einfach das Tanken oder die Speicherung von Wissen. Bildung ist der Weg eines Menschen hin zur Persönlichkeit. Unsere Gesellschaft muss es lernen, wieder zu einem wirklichen, so verstandenen Begriff von Bildung zurückzukommen. Ich stimme mit Wilhelm von Humboldt vollkommen überein, der sagte: "Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher so leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum anderen überzugehen."
Seien Sie freundlich und mit guten Wünschen gegrüßt.
Ihre Annette Schavan