Frage an Annette Schavan von Felix E. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Wir, eine Gruppe von Mainzer Studenten, sehen uns mit dem Problem konfrontiert, dass die Veranstaltungsform ‚Übung’ bald gestrichen werden soll – sie stellt als einzige eine echte Möglichkeit zur freien Diskussion, Vertiefung nach Bedarf statt nach Plan und zu spezielleren Themen ohne Leistungsdruck dar. Zudem ist unklar, ob wir unser Studium so rechtzeitig beenden können.
Für uns ergeben sich daher die Fragen:
1. Gerade der Bachelor ist von dem Einschnitt betroffen, da es dort solche Veranstaltungen nicht mehr geben wird.
a) Finden Sie, dass freies Denken, Spezialwissen etc. einem einheitlichen Studium weichen sollten?
b) Halten Sie freies Denken für ein universitäres Lernziel, oder eher Faktenwissen?
2. Die neue Regelung zur Uni-Finanzierung scheint so zu funktionieren, dass sich aus der Zahl angebotener Veranstaltungen die der im folgenden Semester aufzunehmenden Studenten ergibt – auf mehr Angebot folgt also organisatorische und logistische Mehrbelastung.
a) Stimmt das?
b) Wenn ja, ergibt das Ihrer Meinung nach Sinn?
3. Viele Studenten haben noch unter anderen Bedingungen begonnen zu studieren.
a) Sehen Sie ein Anrecht, das Studium auch so zu beenden?
b) Könnte ein solches Anrecht die Grundlage für eine Ausnahmeregelung in der Finanzierung bilden?
4. Viele sehen das Problem darin, dass unsere Hochschulen immer mehr nach Unternehmensmaßstäben gemessen werden; dazu gehöre ein erzwungener Wettbewerb, der (z.B. og.) Sparmaßnahmen nach sich ziehe, und die Koppelung von Staats- an Drittmittel.
a) Wie stehen Sie dazu?
b) Sollte Bildung Ihrer Meinung nach marktwirtschaftlichen Regeln unterliegen?
5. Es scheint, als werde zu wenig Geld für Bildung aufgewandt. Wie sehen die Entwürfe Ihrer Partei dazu aus?
Ich möchte Sie sehr bitten, auf die Fragen einzeln und präzise zu antworten. Die Antworten müssen nicht lang sein (wenn Sie der Nummerierung folgen, reichen wenige Worte) aber sollten sich bitte nicht in Verweisen auf Parteiprogramme o.ä. ergehen.
MfG,
F. Ehlert
Sehr geehrter Herr Ehlert,
vielen Dank für Ihre Frage vom 9. Oktober 2009.
Ich denke, dass eine einheitliche Studienstruktur freies wissenschaftliches Arbeiten nicht ausschließt. Freies Denken ist ein gesellschaftliches Ziel, das seinen Platz in den Universitäten haben muss.
Zu Ihrer weiteren Frage kann ich keine Aussage treffen. Diese Frage sollten Sie an Ihre Hochschule beziehungsweise das zuständige Ministerium Ihres Landes richten, weil die Hochschulfinanzierung im Zuständigkeitsbereich der einzelnen Länder liegt.
Studierende, die sich für einen Diplom- oder Masterstudiengang eingeschrieben haben, können in der Regel auch einen solchen Abschluss erlangen. Die Frage nach Ausnahmen in der Finanzierung sollten Sie ebenfalls an Ihre Hochschule beziehungsweise das zuständige Ministerium Ihres Landes richten.
Wenn der Ausdruck der Unternehmensmaßstäbe einen effizienteren und effektiveren Einsatz von staatlichen Mitteln meint, befürworte ich diese Entwicklung. Organisation von Bildung sollte effizient und effektiv erfolgen. Die vermittelten Inhalte sind davon nicht zwingend betroffen.
Bund und Länder haben sich bereits im vergangenen Jahr das Ziel gesetzt, die staatlichen und privaten Ausgaben für Bildung und Forschung bis zum Jahr 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Auch die Union verfolgt dieses Ziel.
Seien Sie herzlich und mit guten Wünschen gegrüßt.
Ihre Annette Schavan