Frage an Annette Sawade von Jochen de L. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Sawade!
Mit Erstaunen stelle ich fest, dass Herr Steinbrück als Sozialdemokrat mehr Marktwirtschaft in Apothekerkreisen fordert ( an sich schon ein echter Widerspruch) und dabei auch Versandapotheken als positives Beispiel erwähnt.
Ist es Ihnen denn nicht bekannt, dass in Inhaber/innen geführten Apotheken über 80% der Belegschaft weiblich ist und zum gleichen Tarif wie die männlichen Kollegen arbeitet, während große Versandapotheken bevorzugt in Bundesländern ohne festen Tarifvertrag ihren Sitz haben oder unter Umgehung dieser Tarifverträge Billiglohn-Arbeitsplätze anbieten. Hier werden die Arbeitsbedingungen und Arbeitslohn von Frauen aktiv verschlechtert und dass soll gut für das Gesundheitssystem sein??? Durch den Preisdruck der großen Versandhändler entstehen zunehmend weniger neue Arbeitsplätze und es werden vermehrt qualifizierte Mitarbeiterinnen in der Apotheke vor Ort entlassen. Das ist doch weder sozial noch demokratisch gewollt.
Warum soll ein zusätzliches Porto pro Packung sparen helfen? Dass kann doch nur auf Kosten der überwiegend weiblichen Belegschaft gehen!!!
Warum fordert die SPD denn solche Maßnahmen???
Haben Frauen in der SPD keine Stimme mehr???
Woher kommen denn solche Ideen???
Wer versorgt die Bevölkerung wenn die Post mal wieder streikt?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
J. de Lenardis
Sehr geehrter Herr de Lenardis,
die SPD hat mit ihrem Leitantrag zur Gesundheitspolitik auf dem Berliner Parteitag am 6. Dezember 2011 sehr allgemein von einer Liberalisierung des Arzneimittelvertriebs gesprochen. Es geht dabei nicht einfach darum, das Fremd- und Mehrbesitzverbot abzuschaffen. Die Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen der SPD-Bundestagsfraktion haben immer wieder deutlich gemacht, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot erhalten bleiben soll. Die SPD verlässt sich bei der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung keineswegs ausschließlich auf Apothekenketten und Versandapotheken.
Auch Peer Steinbrück hat sich in diesem Sinne geäußert und auf die zum Teil massive Überversorgung mit Apotheken in Städten und Ballungsregionen bei gleichzeitig schwieriger werdender Versorgungslage in ländlichen Regionen hingewiesen. Einwände, wie beispielweise von der rheinland-pfälzischen Apothekerkammer, der SPD müsse doch am Erhalt dieser Arbeitsplätze gelegen sein, geht völlig an den zu lösenden Problemen vorbei. Die SPD ist und bleibt die Partei der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokaten haben uns immer zur inhabergeführten Apotheke vor Ort bekannt. In unserer alternden Gesellschaft, mit wachsenden Problemen bei der flächendeckenden hausärztlichen Versorgung kommt dem Apotheker und der Apothekerin in Zukunft eine Schlüsselstellung in der medizinischen Versorgung zu. Sie sind nicht nur die ausgewiesenen Fachleute für alle Fragen rund um die Arzneimitteltherapie, sondern sind ohne vorherige Terminvereinbarung erreichbar, auch in der Nacht, auch in Notfällen. Hier zeigt sich: Die öffentliche Apotheke ist kein Auslaufmodell und kann es niemals sein, wenn die Bevölkerung weiterhin qualitativ hochwertig, flächendeckend und zeitnah mit Arzneimitteln versorgt werden soll.
Deswegen gehen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen die, auch von Ihnen angesprochene, Problematik von Billiglohn-Arbeitsplätzen und Tarifungleichheit von Frauen und Männern aktiv an – und fordern beispielweise in unserem Regierungsprogramm 2013 (Seite 18): „Prekäre Arbeit wollen wir überwinden, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einführen und über eine Stärkung des Tarifsystems gerechte Löhne ermöglichen. Für gleiche und gleichwertige Arbeit muss gleicher Lohn gezahlt werden.“ http://www.spd.de/linkableblob/96686/data/20130415_regierungsprogramm_2013_2017.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Annette Sawade, MdB