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Annette Groth
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Frage von Harald E. •

Frage an Annette Groth von Harald E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Groth,

meine Frage an Sie als menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken: Ist Ihnen nicht bekannt , dass es – anders als in Ihrer Anfrage ans AA „Aktivitäten deutscher Hilfsorganisationen in von bewaffneten syrischen Aufständischen kontrollierten Gebieten“ impliziert – keine fest umrissenen Gebiete gibt, die vollständig unter der Kontrolle bewaffneter syrischer Aufständischer wären; allenfalls gibt es Gebiete, die vorläufig nicht mehr vom syrischen Regimes kontrolliert werden (das die Bevölkerung und die zivile Infrastruktur allerdings weiterhin bombardiert, humanitäre Hilfe von innen und außen verhindert). Ist Ihnen nicht bekannt, dass in solchen Gebieten vor allem unbewaffnete Menschen versuchen, ihr Überleben zu sichern und dies mit dem Aufbau demokratischer Strukturen verbinden, während sie durch Angriffe des Regimes und zusätzlich durch reaktionäre islamistische Gruppen wie Daash (ISIS) terrorisiert werden? Sind Ihnen die Wege und Möglichkeiten bekannt, die syrische Bevölkerung in den von der unmittelbaren Kontrolle durch das Regime befreiten Gebieten humanitär zu unterstützen?
Sind Sie, unterstellt es gäbe „von bewaffneten syrischen Aufständischen kontrollierte(n) Gebiete“ oder solche, „die von islamistischen Milizen kontrolliert werden“, der Auffassung, dass der dort lebenden Bevölkerung keine humanitäre Hilfe zukommen sollte?
Warum sind Sie der Bitte des AA nicht nachgekommen, die Liste der Hilfsorganisationen, die mit Förderung durch Bundesministerien Hilfsmaßnahmen in Syrien leisten, vertraulich zu behandeln? Ist Ihnen die extreme Gefährdung humanitärer HelferInnen, vor allem durch das syrische Regime, in allen Teilen Syriens, sowie die Tatsache nicht bekannt, dass das Regime ausdrücklich keine Hilfe zulässt, sondern sie als Verletzung der syrischen Souveränität betrachtet, dass daher humanitäre Hilfe nur über das Regime selber (mit der entsprechenden Einseitigkeit und Korruption bei der Vergabe) oder aber quasi insgeheim möglich ist?

Mit freundlichen Grüßen
Harald Etzbach

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Etzbach,

auf Ihre Nachfragen zu meiner Anfrage an die Bundesregierung zu den Aktivitäten deutscher Hilfsorganisationen in von bewaffneten syrischen Aufständischen kontrollierten Gebieten antworte ich Ihnen gerne.

Ihre Feststellung, ich wolle den Menschen, die in Gebieten, die mehr oder weniger unter der Kontrolle syrischer - und häufig auch nicht syrischer - Aufständischer stehen, humanitäre Hilfe vorenthalten, kann ich nicht nachvollziehen und auch nicht verstehen, wie sie auf diese Idee kommen. Darum ging es in meiner Anfrage an die Bundesregierung in keinster Weise. Es ging mir darum, nachdem im Mai 2013 in der FAZ ein Artikel mit dem Titel „Humanitärer Einsatz in Syrien. Im rechtsfreien Raum“ erschienen war, einige Fakten und die Positionierung der Bundesregierung zu dem im Artikel geäußerten Problemkreis zu erhalten. Denn wenn die Aussagen des Artikels richtig sind, muss sich der Deutsche Bundestag mit der Frage beschäftigen, wie öffentliche Mittel, gerade im humanitären Bereich, in „rechtsfreien Räumen“ so eingesetzt werden, dass sie mit den Anforderungen der humanitären Hilfe vereinbar sind.

Weiter habe ich in der schriftlichen Anfrage Informationen von der Bundesregierung erbeten, ob die durch die Bundesregierung geförderte humanitäre Hilfe auch in solchen Gebieten geleistet wird, in denen islamistische Milizen die Kontrolle ausüben (auch das Auswärtige Amt spricht in seiner Antwort übrigens davon, dass Gebiete von Aufständischen „kontrolliert“ würden). Dies wäre in meinen Augen fatal, würde es doch eine Stärkung dieser Milizen, die nachgewiesen schlimmste Menschenrechtsverletzungen begehen, bedeuten.

Außerdem habe ich die Bundesregierung gefragt, ob es sich bei der geleisteten humanitären Hilfe um eine „humanitäre Intervention ohne UN-Mandat“ handle, denn dies war das Fazit des FAZ-Artikels. Die Bundesregierung hat in ihren Stellungnahmen vor meiner Frage immer wieder deutlich gemacht, dass sie die Humanitäre Hilfe in Syrien als Mittel sieht, die Opposition in den Augen der Bevölkerung zu stärken. Unabhängig davon, wie man zur Regierung Assad steht, wird hier die syrische Souveränität verletzt.

Dass die Gelder, die für die Nothilfe in Syrien ausgegeben werden, mindestens bis zum Zeitpunkt meiner Nachfrage gezielt in Rebellengebiete flossen, ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Denn es stellt eine politische Parteinahme im syrischen Bürgerkrieg dar und verletzt damit das oberste Gebot humanitärer Hilfe: die Neutralität. Dadurch wird nicht nur der Ruf der humanitären Hilfe gefährdet, sondern auch die vor Ort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hilfsorganisationen. Gleichzeitig wird durch dieses Vorgehen der Bundesregierung die Möglichkeit infrage gestellt, in diesem Konflikt als Vermittlerin tätig zu werden, da sich die Bundesregierung damit auch zur Konfliktpartei macht.

Die Bundesregierung hat darüber hinaus zugegeben, dass sie nicht ausschließen kann, dass Hilfsgüter auch in die Hände gewalttätiger Rebellengruppen gelangt sind und weiterhin gelangen.

Selbstverständlich geht es nicht darum, den vielen Hilfsbedürftigen Hilfe vorzuenthalten. Aber zugleich darf humanitäre Hilfe nicht instrumentalisiert und damit zweckentfremdet werden. Unabhängige Beobachterinnen und Beobachter sowie Hilfsorganisationen weisen ausdrücklich darauf hin, dass sie mit allen Konfliktparteien zusammenarbeiten. Die einseitige Behauptung, dass die Regierung Assad jegliche humanitäre Hilfe für die Menschen in Syrien verweigern würde, wird von diesen Organisationen nicht bestätigt. Der Rote Halbmond in Syrien und mit ihm kooperierende Organisationen haben Zugang zu Menschen in allen Landesteilen Syriens. Eben diese Organisationen können und sollten finanziell von der Bundesregierung unterstützt werden, denn so wäre die Neutralität der humanitären Hilfe wieder hergestellt.

Zu Ihrer Frage, dass ich eine Liste der Hilfsorganisationen, die mit Förderung durch Bundesministerien Hilfsmaßnahmen in Syrien leisten, weitergegeben hätte: Informationen, die als vertraulich eingestuft sind, werden selbstverständlich nicht veröffentlicht. Meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist bewusst, dass solche Dokumente nicht herausgegeben werden dürfen. Innerhalb des Parlaments können als geheim eingestufte Informationen durchaus weitergegeben werden, nicht aber außerhalb des Bundestags - schon gar nicht, wenn es sich um ein sensibles Thema handelt und Menschen durch die Weitergabe von Informationen gefährdet werden könnten. Ich kann Ihnen versichern, dass keiner meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter solche Dokumente wissentlich herausgeben würde. In dem von Ihnen angesprochenen Fall handelt es sich um ein bedauerliches Versehen bei der Veröffentlichung einer Antwort der Bundesregierung, wobei vonseiten des Mitarbeiters vergessen wurde, einen Teil der Antwort herauszunehmen. Selbstverständlich wurde der Fehler sofort korrigiert.

Mit freundlichen Grüßen

Annette Groth