Frage an Annette Groth von Miriam P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Groth,
Im Februar 2013 äußerte sich der Mitbegründer der ungarischen Regierungspartei Fidesz, Zsolt Bayer, ausgesprochen abfällig über Roma. Er bezeichnete „die Zigeuner“ als „Tiere“, die nicht existieren sollten. Man müsse dieses Problem mit allen Mitteln lösen. Bayer hat noch eine große Anzahl an Begriffen für Roma verwendet, die ich hier nicht wiederholen möchte.
Wie sollte Ihrer Ansicht nach gegen so offen rassistische und antiziganistische Äußerungen in einem Mitgliedsland der EU vorgegangen werden? Gibt es Möglichkeiten? Wenn ja, welche?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Miriam Peters
Sehr geehrte Frau Peters,
vielen Dank für Ihre Frage.
In Europa leben 10 bis 12 Millionen Sinti und Roma. Viele von ihnen sind
von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. In seiner Erklärung von
20. Oktober 2010 hat der Europarat eine grundsätzliche Verbesserung der
Lebensbedingungen für die Roma gefordert und einen Prioritätenkatalog
zur Bekämpfung der Diskriminierung von Roma aufgestellt. Mit
dem Sonderbeauftragten des Europarates zu Fragen der Roma wird auch
institutionell versucht, der alltäglichen Diskriminierung der Roma
entgegenzutreten.
Es ist für mich völlig inakzeptabel wie sich ein Gründungsmitglied einer
Partei, die Mitglied in der Europäischen Volkspartei ist, derart
rassistisch gegen Mitglieder der Roma-Gemeinschaften in Ungarn äußern
konnte.
Nachdem diese Äußerungen bekannt geworden waren, haben sich die
NaturFreunde Deutschlands an Frau Angela Merkel in ihrer Eigenschaft als
Vorsitzende der CDU gewandt, die genau wie die ungarische Partei Fidez
Mitglied in der Europäischen Volkspartei ist und sie aufgefordert, gegen
diese nicht akzeptablen antiziganistischen Äußerungen über Roma des
Fidez-Mitbegründers Zsolt Bayer vorzugehen. Sein Kommentar, mit
rassistischer und antiziganistischer Rhetorik durchzogen, hetzt offen
gegen Mitglieder der Roma-Gemeinschaften in Ungarn.
Die Tageszeitung taz hat den Kommentar von Herrn Bayer auszugsweise
übersetzt:
/„Der Großteil der Zigeuner ist zum Zusammenleben nicht geeignet“, heißt
es da, „diese Zigeuner sind Tiere, und sie benehmen sich wie Tiere. Sie
wollen sofort jeden ficken, den sie erblicken. Wenn sie auf Widerstand
stoßen, morden sie. Sie scheißen, wo und wann es sie überkommt. Wenn sie
sich darin eingeschränkt führen, morden sie“. Weiter laut taz: „Sie
sollen nicht existieren, die Tiere. Das muss man lösen - mit allen
Mitteln!“/
Solche Äußerungen sind nach meiner Überzeugung mit einer Mitgliedschaft
in der Europäischen Volkspartei nicht zu vereinbaren und müssen mit
einem sofortigen Ausschluss eines solchen Rassisten geahndet werden. Wie
auch die NaturFreunde habe ich mich persönlich an Frau Merkel gewandt
und sie gebeten, gegenüber ihrer Schwesterpartei Fidesz den Ausschluss
eines solchen Rassisten und Antiziganisten aus der Partei Fidez zu fordern.
Deutlich habe ich Frau Merkel Mitgeteilt, dass die CDU hier aktiv werden
muss. Weiter in meinen Brief: „Sollte die CDU hier nicht aktiv werden,
würde sie solche Äußerungen im Rahmen der Europäischen Volkspartei
tolerieren.“
Als menschenrechtspolitische Sprecherin meiner Fraktion DIE LINKE setze
ich mich seit vielen Jahren für die Rechte der Roma und gegen ihre
Ausgrenzung und alltägliche Diskriminierung ein. Dieses Engagement wird
- zumindest in den offiziellen Resolutionen des Deutschen Bundestages -
von allen Fraktionen geteilt und gemeinsam vertreten.
Sowohl auf den Brief der NaturFreunde Deutschlands als auch auf meinen
persönlichen Brief hat die CDU-Vorsitzende nicht geantwortet. Dies ist
kein guter Stil und zeigt, dass die CDU solche Ausfälle zumindest im
Rahmen der Europäischen Volkspartei nicht ahndet. Für die demokratische
und für eine antirassistische Entwicklung in den Staaten der
Europäischen Union ist ein solches Verhalten nicht gut.
Als menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE setze ich
mich dafür ein, dass rassistische Äußerungen in allen Staaten der EU
strafbar werden. Sie vergiften das gesellschaftliche Klima und führen zu
einer Diskriminierung von gesellschaftlichen Minderheiten.
Roma werden in allen Ländern der EU diskriminiert. Auch in Deutschland
stellt sich die Lage der Roma problematisch dar. Die Umfrage des
Zentralrates Deutscher Sinti und Roma zeigt, dass in Deutschland 76
Prozent der Sinti und Roma Diskriminierung erfahren und bei der
Wohnungssuche, am Arbeitsplatz, in der Schule oder in der Ausbildung
Benachteiligungen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft hinnehmen müssen.
In der Studie des Europäischen Parlaments „Measures to promote the
situation of Roma EU citizens in the European Union“ wird darauf
hingewiesen, dass in Deutschland die Lage für Roma in Bezug auf Schul-
und Ausbildungsabschlüsse äußerst problematisch ist.
Im Deutschen Bundestag habe ich mich intensiv für eine Erweiterung und
konkrete Verbesserung der Programme der Europäischen Union zur sozialen
und gesellschaftlichen Integration von Roma und Sinti eingesetzt. Als
menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, aber auch
als zuständige Berichterstatterin im Europarat habe ich
Roma-Gemeinschaften in verschiedenen Staaten besucht und gemeinsam mit
den Betroffenen über mögliche Verbesserungen der Programm für Roma
gesprochen.
Auch im nächsten Bundestag wird antirassistische Arbeit und der Einsatz
gegen die Diskriminierung von Roma und Sinti in der EU einer meiner
Schwerpunkte bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Annette Groth