Frage an Annette Groth von Wolfgang A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Groth,
was ist Ihre Auffassung zu der Frage, Whistleblowern wie Edward Snowden politisches Asyl in Deutschland zu gewähren?
Unsere Verfassung müsste doch bei der Beantwortung dieser Frage eine bestimmte Richtung vorgeben.
Und unsere Volksvertretung und unsere Regierung müssten sich doch auch daran orientieren.
Mit freundlichen Grüßen
W.A.
Sehr geehrter Herr Artelt,
vielen Dank für Ihre interessante Frage.
Artikel 16a des Grundgesetzes regelt eindeutig: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Diese klare Aussage ist eine Lehre aus der Zeit des Faschismus, während dem hunderttausende politisch Verfolgte durch die Nazis ermordet wurden.Edward Snowden ist politisch verfolgt. Ihm in Deutschland nicht sofort politisches Asyl zu gewähren, verstößt nach meiner Überzeugung gegen das Grundgesetz.
Wenn Menschen aufgrund ihres Gewissens ihr weiteres Leben, ihre Freiheit und ihren Beruf riskieren, weil sie zu der von ihnen wahrgenommenen Ungerechtigkeit nicht mehr schweigen können, dann haben sie meinen tiefsten Respekt.
Menschen, die Informationen an eine kritische Öffentlichkeit geben, so genannte Whistleblower, machen sich um die Demokratie verdient. Demokratie lebt davon, das Unrecht, das durch Geheimstrukturen vertuscht wird, an die Öffentlichkeit kommt. Nur wenn die Öffentlichkeit über Ungerechtigkeiten und Übertretungen von Gesetzen informiert wird, kann in einer Demokratie eine solche „Geheimdiplomatie“ abgestellt und verändert werden. Alle, die Veröffentlichungen von Wistleblowern verhindern wollen, handeln gegen die Grundprinzipien der Demokratie.
Edward Snowden hat durch sein mutiges Handeln der Demokratie einen großen Dienst erwiesen und dazu beigetragen, dass eine intensive Debatte über Grundrechte, die eigentlich jedem garantiert werden müssen, stattfindet. Geheimdienste und Militärs versuchen ständig, Menschenrechte infrage zu stellen und einzuschränken. Edward Snowden haben wir zu verdanken, dass in Deutschland und der Europäischen Union heute viel ernsthafter über Datenschutz und die Ausspähung von Emails und Telefonaten diskutiert wird.
Ich empfinde es als einen Skandal, dass die Bundesregierung Edward Snowden nicht sofort politisches Asyl angeboten hat. DIE LINKE erwartet von der Bundesregierung, dass sie sich gegenüber der US-Regierung gegen die Verfolgung Snowdens einsetzt und sich öffentlich mit ihm solidarisiert. Leider verweigert die Bundesregierung ein solches klares Handeln. Ich habe den Eindruck, dass sie Angst hat, dass Verletzungen des Datenschutzes und nicht akzeptable Abhörmethoden der deutschen Geheimdienste dann öffentlich werden könnten.
Die Kriminalisierung von Whistleblowern zeigt deutlich, wie wichtig eine gesetzliche Regelung zum Schutz dieser mutigen Menschen ist. Die Fraktion DIE LINKE hat deshalb einen Antrag mit dem Titel „Die Bedeutung von Whistleblowing für die Gesellschaft anerkennen - Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schützen“ (Drucksache Nr. 17/6492) in den Deutschen Bundestag eingebracht.
Den Antrag finden Sie hier:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/064/1706492.pdf
In dem Antrag stellt die Fraktion DIE LINKE fest: „Der Deutsche Bundestag erkennt die Bedeutung der Tätigkeit von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, so genannten Whistleblowern, an. Sie leisten der Gesellschaft mit ihrem Engagement und ihrer Zivilcourage wichtige Dienste, denn sie enthüllen unter anderem Korruption, Steuerhinterziehung oder Verstöße gegen Gesetze und internationale Abkommen.“
DIE LINKE wird auch in der kommenden Legislaturperiode weitere Initiativen zum Schutz von Whistleblowern ergreifen, um in Deutschland einen wirksamen Schutz durchzusetzen. DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, Whistleblowern politisches Asyl zu gewähren.
Mit freundlichen Grüßen
Annette Groth