Frage an Annette Groth von Dieter A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Groth,
die Stimmen, die ein militärisches Eingreifen im syrischen Bürgerkrieg fordern, werden immer lauter und zahlreicher. Seit dem Chemiewaffenangriff am 21.8. in der Nähe von Damaskus bereiten sich Frankreich, Großbritannien und die USA offensichtlich sehr konkret auf einen Militärschlag gegen Syrien vor.
Wie steht DIE LINKE zu einem möglichen militärischen Eingreifen auf Seiten der syrischen Opposition?
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Arthus
Sehr geehrter Herr Arthus,
vielen Dank für Ihre Frage.
DIE LINKE spricht sich entschieden und konsequent gegen ein militärisches Eingreifen in Syrien aus. Ich finde es unerträglich, wie in den USA und zahlreichen anderen Ländern - vor allem Europas - die Kriegstrommel gerührt wird. Eine Strategie, wie in Syrien wieder Frieden einkehren kann, wird hingegen nicht vorgelegt. Als sei irgendetwas damit gewonnen, das Land zu bombardieren und die Menschen dann wieder ihrem Schicksal zu überlassen!
Meiner Ansicht nach können Konflikte nie durch den Einsatz militärischer Mittel gelöst werden. Das gilt für Syrien genau wie es für den Irak oder Afghanistan galt und gilt. Wo immer die NATO militärisch interveniert hat, wurde keinesfalls Frieden geschaffen und Konflikte zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen haben sich eher noch verschärft. Der Irak ist hierfür ein gutes Beispiel - nicht zuletzt, weil der Irakkrieg 2003 ebenfalls mit dem Vorwand begonnen wurde, Saddam Hussein verfüge über Massenvernichtungswaffen. Ein Vorwurf, der sich im Nachhinein als haltlos erwiesen hat. Heute sterben im Irak jeden Tag Menschen. Tagtäglich werden Anschläge verübt, Menschen sterben allein aus dem Grund, dass sie Christen, Sunniten oder Schiiten sind. Traditionell haben solche Konflikte in der arabisch-islamischen Welt zumindest in dieser Intensität nicht bestanden. Geschürt wurden sie vor allem von den Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich, die nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ ihre absolute Kontrolle wahren und verfestigen wollten.
Heute sind es insbesondere die USA, die - gemeinsam mit ihren Verbündeten wie Katar oder Saudi-Arabien (nicht gerade demokratische Staaten) - die Gefahr eines angeblichen „schiitischen Halbmonds“ (Iran, Irak, Syrien, Hisbollah/Libanon, auch genannt „Achse des Bösen“) beschwören und zugleich extremistische Kräfte aufgebaut haben und weiterhin unterstützen, die ihrerseits eine tatsächliche Gefahr für Andersdenkende darstellen, seien es Christen, Säkulare oder nicht-sunnitische Muslime. Der tragische Bürgerkrieg in Syrien ist nicht zuletzt auch aus dieser Situation heraus explodiert.
Ein Militärschlag, wie er unter anderem von den USA angestrebt wird, würde gegen das Völkerrecht verstoßen - zumal ohne UN-Mandat. Genau wie bereits stattgefundene Angriffe der israelischen Armee gegen Syrien würde er gegen die Souveränität Syriens verstoßen. Und Frieden bringen würde er schon gar nicht. Der schon längst eskalierte Konflikt in der syrischen Bevölkerung würde damit nicht beendet. Die Bundesregierung muss nicht nur eine direkte Beteiligung an einem Militärschlag gegen Syrien verweigern, sondern auch jede indirekte Hilfe ablehnen. Zypern und Österreich haben bereits angekündigt, den USA keine Überflugrechte zu gewähren. Dem muss sich auch die Bundesregierung anschließen!
Der einzige Weg zu einer Lösung ist der von Verhandlungen. Und zwar Verhandlungen unter Beteiligung aller direkt und indirekt beteiligten Akteure, auch Iran und Russland
Zugleich muss oberste Priorität der EU-Staaten und der USA sein, die syrischen Flüchtlinge zu unterstützen. Sechs Millionen Syrer befinden sich auf der Flucht, zwei Millionen davon haben das Land verlassen. Davon wurden 97% in den angrenzenden Ländern aufgenommen. Die Nachbarländer sind nicht mehr in der Lage, diese Situation zu meistern und drohen, daran zu zerbreche. Ich finde es skandalös, dass die USA und die Länder der EU nur einen Bruchteik dieser Flüchtlinge aufzunehmen bereit sind. Dass die Bundesregierung 5.000 Flüchtlinge aufnimmt, ist geradezu lächerlich. Diese Anzahl an Menschen flüchtet allein jeden Tag aus Syrien. Schweden hat als erstes europäisches Land beschlossen, allen syrischen Flüchtlingen Asyl zu gewähren. Zunächst 8.000, sich bereits in Schweden befindende Flüchtlinge bekommen somit eine permanente Aufenthaltserlaubnis, welche auch den Nachzug von Familienangehörigen ermöglicht. Daran sollten sich andere Länder ein Beispiel nehmen und endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Dieser Krieg ist keine rein syrische Angelegenheit, sondern von vielen anderen Akteuren mit verschuldet und angeheizt. Sie alle haben die Aufgabe, auch zur Lösung beizutragen, anstatt der irrwitzigen Illusion aufzuliegen, mit Bomben könne jemals Frieden geschaffen werden! Wer weiter Waffen in eine Region exportiert, die in ihrer Gesamtheit jeden Moment zu explodieren droht, der kann nicht glaubwürdig von Frieden sprechen!
Mit freundlichen Grüßen
Annette Groth