Frage an Annette Faße von Andreas R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Faße,
seit vielen Jahren ist ein Prozeß der Mechanisierung/ Automatisierung und des Umsichgreifens der EDV in allen Bereichen der Arbeitswelt im Gange. Selbst auf den Müllwagen, auf denen vor gar nicht langer Zeit drei Leute fuhren, ist heute nur noch ein Fahrer und der Wagen hat einen "Roboterarm". Auch gutausgebildete Angestellte (z.B. in Banken) werden wegrationalisiert. Meiner Ansicht nach ist dieser Prozeß eigendynamisch, d.h. er wird nicht von einer "bösen Macht" gesteuert, sondern heizt sich selber an, weil z.B. die Betriebe unter starkem Wettbewerb stehen oder einfach nur mehr Profit machen wollen, weil technische Möglichkeiten Einsparungen ermöglichen, etc..
Nun sind in jeder Gesellschaft nicht alle Menschen gleich leistungsfähig. Es gibt immer einen Teil, der trotz aller Ausbildungsbemühungen nicht über ein gewisses Niveau hinaus kommen wird. Leider sind diese Menschen dann auch diejenigen, die als erstes ihre Arbeitsplätze verlieren und im Grunde "übrig" sind.
Da nicht zu erwarten ist, dass sich das Rad zurück dreht, man also wieder Knechte auf dem Bauernhof, Handlanger im Baugewerbe, etc. benötigt, stellt sich die Frage, wie es künftig weiter gehen soll. Man kann Menschen doch nicht ihr Leben lang mit Sozialleistungen abspeisen und hoffen, dass sie ruhig vor dem Fernseher ihr Aldi-Bier trinken bis sie dahinscheiden.
Mir geht es nicht um Kosten, die von der Gesellschaft aufgebracht werden müssen, sondern um das lebenswerte Leben. Der Mensch kann (meiner Ansicht nach) doch nur wirklich zufrieden sein, wenn er ein geregeltes Leben hat und gesellschaftlich anerkannt wird. Und, um einen altmodichen Begriff zu wählen´ jede geregelte Arbeit ist ehrbar, selbst wenn man "nur" mit der Schaufel Sand schippt.
Frage: Wie ist Ihre Zukunftsvision (bzw. die der SPD) für diesen immer größer werdenden Anteil unserer Gesellschaft? Wir sitzen (sinnbildlich) alle in einem Boot und gerade die Leistungsfähigen haben die soziale Verantwortung auch die Schwächeren mitzunehmen, statt sie als "faul und selber schuld" in die Ecke zu stellen.
Sehr geehrter Herr Raab.
Vielen Dank für Ihre Frage vom 25. August 2005 zum Thema „Arbeit“.
In Ihren Ausführungen gehen Sie auf die größer werdende Gruppe an Menschen ein, welche aufgrund der fortschreitenden Mechanisierung und Technisierung von Arbeitslosigkeit in weitaus höherem Maße betroffen sind als Höherqualifizierte und zudem aufgrund ihrer fehlenden Qualifikationen und geringen Einkommen an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden.
Ihre Sorgen sind berchtigt. Es gibt aber keine einfache Lösung des Problems.
Unser Ziel war und ist es, diesen Prozessen zunächst durch eine gute Ausbildung eines Jeden entgegenzuwirken. Es ist wichtig, dass die Jungen einen Schulabschluss erlangen, mit welchem sie in die Ausbildungs- und Berufswelt starten können. Die von uns eingeleitete Arbeitsmarktreform hat das Ziel, jedem Ausbildungssuchenden unter 25 Jahren entweder einen geeigneten Ausbildungsplatz, eine qualifizierende Praktikumstätigkeit oder einen Schulbesuch zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich erscheint es mir wichtig, den Menschen in niedrig qualifizierten Tätigkeitsfeldern weitere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu bieten, indem wir Produktionsstätten in Deutschland erhalten, einfache Tätigkeiten gesellschaftlich anerkennen und Kommunen wieder in die Lage versetzen, Menschen z.B im Bauhof einzusetzen. Es muss weiterhin möglich sein, mit dem Erwerb den Unterhalt der Familie zu sichern. Dies wird zu großen Teilen durch die Zusicherung eines Tarifmindestlohns ermöglicht. Das Entsendegesetz soll tariflich gerelt für alle Branchen geöffnet werden. Wo dies nicht der Fall sein wird, streben wir an, Mindestlöhne zuzusichern.
Mit freundlichen Grüßen.
Annettte Faße