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Frage von Michael K. •

Frage an Annette Faße von Michael K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Betr. Waffenrechtsverschärfung

Sehr geehrte Frau Faße !

Nach dem Morden in Winnenden haben sich die Angehörigen der Opfer zum
„Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden“ zusammengeschlossen.
Anliegen und ursprünglich erhobene Forderungen erscheinen sinnvoll:
Da ist von einer Begrenzung der Darstellung von Gewalt in den Medien, von Erziehung usw. die Rede, es wird auch die Frage nach der Notwendigkeit bestimmter schießsportlicher Disziplinen gestellt....

In der öffentlichen Diskussion spricht man aber nur noch von einer Verschärfung des Waffenrechts. Auch von den Parteien kommt fast nichts anderes.

Jäger und Sportschützen sehen sich immer wieder unter Generalverdacht gestellt, obwohl sie nach Erfurt durchwegs die gesetzlichen Auflagen erfüllt haben und sich nachweisbar überdurchschnittlich gesetzeskonform verhalten.

Die von der großen Koalition in Aussicht gestellten Verschärfungen des geltenden Rechts sind so offen formuliert, dass sie je nach Belieben einer Regierung allein über die Aufbewahrungsregelungen, die dem Innenministerium obliegen, jeden Privatbesitz an Waffen unmöglich machen könnten.

Als hiervon Betroffener fühlt man sich hier in Sippenhaft genommen für das Verbrechen des Sohnes eines einzigen Sportschützen, der die Aufbewahrungsvorschriften missachtet hatte.

Das ist mit normalem Gerechtigkeitsempfinden nicht vereinbar - das verstärkt einmal mehr die Parteien- und Politikverdrossenheit!
Schließlich: „ Die Freiheit ist immer die Freiheit der anderen“ (- sofern die anderen die
Gesetze achten, und das tun wir . - Wegen eines solches Satzes hat man vor Zeiten mal Wehrdienst geleistet.... )

Meine Frage ( die ich für meine Vereinskolleg/Innen an Sie richte)

welchen praktischen Wert ordnen Sie den von der großen Koalition vorgeschlagenen
Waffenrechtsverschärfungen zu?

Um eine Antwort wird gebeten - Ihre persönliche Stellungnahme ist uns wichtig.
Die offiziellen Darlegungen kennen wir.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Kaiser

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kaiser,

für Ihre Mail zum Thema Waffenrechtsverschärfung bedanke ich mich. Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass allein eine Verschärfung des Waffenrechts nicht die Lösung ist, aber ein Baustein, für den der Bund Verantwortung trägt. Mir ist selbstverständlich bewusst, dass in der Regel alle Jäger korrekt mit ihren Waffen umgehen. Keiner will alle Jäger und Schützen generell unter Verdacht stellen. Im folgenden übermittle ich Ihnen den aktuellen Stand der Beratungen der Innenpolitiker von Bund und Land, der deutlich macht, dass das Problem sich sehr umfassend darstellt und auch so thematisiert und bearbeitet werden muss.

Stellungnahme zur geplanten Modifizierung des Waffenrechts

Am 11. März 2009 tötete ein 17-jähriger in einer Schule im baden-württembergischen Winnenden mit einer halbautomatischen großkalibrigen Kurzwaffe (Kaliber 9 x 19 mm) fünfzehn Menschen und sich selbst. Nach den polizeilichen Ermittlungen gehörte die Schusswaffe dem Vater des Täters, der diese Waffe als Sportschütze zwar legal besaß, sie jedoch nicht seinen Pflichten als Waffenbesitzer entsprechend im Waffenschrank aufbewahrte. Dies ist der Anlass für die nun anstehende, erneute Verschärfung der waffenrechtlichen Vorschriften.

Die kritische Diskussion zu diesem Vorhaben spiegelt das Meinungsspektrum, das bei allen sicherheitspolitischen Maßnahmen in Erscheinung tritt: Ablehnung, weil die Maßnahmen zu wenig durchgreifen, Ablehnung, weil die Maßnahmen zu sehr eingreifen, Ablehnung, weil es immer Wege gibt, Präventionsmaßnahmen zu umgehen. Daher möchte ich einige allgemeine Bemerkungen voranstellen.

Es ist uns bewusst, dass der Griff zur Waffe nur das letzte Glied in einer langen Kette ist. Das letzte, im Hinblick auf die Opfer aber das entscheidende. Die tieferen Ursachen für derartige Verbrechen liegen im Geist der Menschen, die sich durch ihre Untaten für (vermeintliche) Kränkungen rächen und sich im Rausch eines durch die Waffe verliehenen Gefühls scheinbarer Überlegenheit als vermeintlicher Herr über Leben und Tod einen Namen machen wollen. Der Littleton-Mörder Dylon Klebold, ein zurückgebliebener Teenager, fantasierte sich vor seiner Tat in göttliche Dimensionen und schrieb: „Mein Zorn ist der eines Gottes. Wir werden Nachfolger haben, weil wir so verdammt göttlich sind.“ Derartige Verrücktheiten isolierter Hirne haben eine jahrelange Vorgeschichte. Dem Griff zur Waffe vorgelagert ist meist der suchtartige Konsum aggressiver Filme und Videospiele, durch die sich die meist männlichen Halbwüchsigen in die Rolle eines rücksichtslosen Rächers hineinsteigern, weil sie offenbar keine andere Rolle in der Welt zu finden meinen. Wir werden daher als weitere Maßnahme das System der Kontrolle exzessiv gewalthaltiger Spiele weiter verbessern müssen. Aber auch hier liegt natürlich nicht der Kern der Problematik, da das Verlangen nach derartigen Spielen seinerseits eine Vorgeschichte hat. Und damit landen wir bei Schule und Elternhaus.

Die Politik kann nicht fehlgeleitete Entwicklungen einzelner Jugendlicher aufhalten. Sie kann einzelne Verbrechen nicht zum Anlass nehmen, sich in (scheinbar) problematische Familien über die geltende Rechtslage hinaus einzumischen. Sie kann allerdings die – grundsätzlich in die Kompetenz der Bundesländer fallende - Schulpolitik so ausrichten, dass die Kinder und Jugendlichen dort auf eine Kultur der Anerkennung treffen, statt einem Prozess der Auslese unterworfen zu sein. Der Kern aggressiver Rächerfantasieen ist der Mangel an Anerkennung. Anerkennung des familiären und sozialen Umfelds, aber auch Anerkennung der Institutionen, insbesondere der Schule, die lange Jahre einen dominierenden Einfluss ausübt. Und die Politik kann und muss Gefahrenquellen eindämmen, auch wenn diese nicht die letzte Ursache darstellen sondern „nur“ das Mittel für den letzten Schritt. Die Eindämmung dieser Gefahr ist der Sinn der von uns beabsichtigten Änderungen des Waffengesetzes.

In Deutschland gibt es ca. 10 Millionen legale Waffen. Die Anzahl der illegalen Waffen ist naturgemäß nicht bekannt und dürfte um einiges höher liegen. Der Besitz illegaler Waffen ist strafbar. Eine Regelung der Art des Besitzes ist nur hinsichtlich legaler Waffen möglich. Diese Regelungen haben den Sinn, die von Waffen ausgehende Gefährlichkeit – die Gefahr ihrer unbefugten Nutzung zu kriminellen Zwecken – möglichst einzudämmen. Dieses bedeutet: ihre unbefugte Nutzung muss nach Möglichkeit minimiert werden.

Offensichtlich lässt sich nicht feststellen, ob ein ordnungsgemäßer Verschluss der in Winnenden benutzten Waffe die Tat verhindert hätte. Hätte der Täter sich eine illegale Waffe besorgt? Hätte er den Waffenschrank aufgebrochen? Wir wissen es nicht. Das hängt davon ab, mit welcher Intensität er sein Ziel verfolgt hat (Augenblickskurzschluss oder lang geplante Tat) und welche Möglichkeiten alternativer Vorgehensweise er gehabt hätte. Es hängt auch davon ab, ob sich zwischenzeitlich Änderungen in seinem Leben hätten ergeben können, die ihn von seiner Absicht abgebracht hätten. Diese Ungewissheit ist kein Einwand gegen die geplanten gesetzgeberischen Maßnahmen. Sie zeigt nur, dass je nach der individuellen Fallgestaltung eine auch gesetzlich verursachte Erhöhung der Schwellen und Hindernisse zu einem Abbruch der Tat führen kann.

Es gibt in diesem Zusammenhang ein Wahrnehmungsproblem, das bei der öffentlichen Diskussion berücksichtigt werden sollte: wenn die Umsetzung eines Tatplans durch gesetzgeberische Maßnahmen erfolgreich verhindert wird, ist dies in der Regel für die Sicherheitsbehörden nicht erkennbar und damit in der Öffentlichkeit nicht sichtbar. Eben weil nichts geschieht. Ein Verbrechen trotz der Maßnahmen wird hingegen als scheinbarer Beweis dafür interpretiert, dass die Maßnahmen nichts nutzen. Dabei liegt es schlicht auf der Hand, dass einerseits Verbrechen sich niemals absolut verhindern lassen, dass aber andererseits Prävention und Verfolgungsdruck die Anzahl der Verbrechen minimieren. Die Aufgabe verantwortlicher Politik ist es, die Maßnahmen zu ergreifen, welche die Schwelle zur Begehung von Verbrechen möglichst hoch setzen. Dies hat nichts mit einem „Generalverdacht“ gegen sämtliche legale Waffenbesitzer zu tun sondern damit, dass die Einhaltung bestimmter Vorgaben – beispielsweise zur Verwahrung der Waffen - ohne behördliche Kontrolle im Einzelfall laxer ausfällt als unter dem Druck einer jederzeit möglichen Kontrolle. Kontrollen und Kontrolldruck können nicht jeden Regelverstoß verhindern, aber sie werden mit Sicherheit dazu beitragen, dass die Regeln besser eingehalten werden. Das funktioniert im Prinzip nicht anders als Kontrollen im Straßenverkehr.

Die derzeit im parlamentarischen Verfahren diskutierten Maßnahmen haben
das Ziel
- Die Anzahl legaler und illegaler Waffen zu reduzieren
- Den Umgang mit großkalibrigen Waffen einzuschränken
- Die Verwahrung legaler Waffen besser zu sichern
- Mit neuester Technik in Zukunft dafür zu sorgen, dass nur noch legale Besitzer die Waffe nutzen können
- Die Recherche der Polizeibehörden nach Waffen und Waffenbesitzern wesentlich zu beschleunigen

Mit freundlichen Grüßen
Annette Faße, MdB