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Annette Faße
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Frage von Johannes B. •

Frage an Annette Faße von Johannes B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Faße,

auch Ich muss leider mit Bedauern feststellen, dass Sie heute dem Gesetzentwurf über die Vorratsdatenspeicherung zugestimmt haben. Mich würde an dieser Stelle interessieren, weshalb Sie dies getan haben. Als überzeugter Gegner diese Gesetzes bin ich der Meinung, dass dieses Gesetz nicht vereinbar mit unserer Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung ist. So ermöglichen die gespeicherten Datensätze, auch wenn diese ohne Gesprächsinhalt aufgezeichnet werden, Verbindungen zwischen Personen nachzuvollziehen, zu analysieren und zu bewerten. Als vielgenanntes Beispiel möchte ich hier den Informantenschutz anführen, der bisher für unsere Pressefreiheit eine sehr entscheidende Rolle spielte und nun quasi über Nacht wirkungslos wird, wenn die Verbindungen zwischen Informant und Journalist sowieso nachvollziehbar sind und dazu führen wird, dass der für unsere Land wichtige investigative und kritische Journalismus demnächst der Vergangenheit angehört. Desweiteren muss ich Ihnen vorwerfen, dass sie mit der Zustimmung für diese Gesetz mich sowie 80 Mio. andere Menschen in diesem Land als potentielle Verbrecher betrachten, wenn durch dieses Gesetz präventiv einen Kanon meiner Verbindungsdaten und Standorte gespeichert wird. Wo soll das hinführen?
Wenn ich richtig informiert bin, soll die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vor dem Europäischen Gerichtshof geprüft werden-haben Sie sich dafür eingesetzt, dieses Urteil im Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen? Haben sie den andauernden breiten Protest in der Bevölkerung wahrgenommen?
Dürfte ich Sie an dieser Stelle noch fragen,was sie von den geplanten "Online-Durchsuchungen" halten?

Ich hoffe auf eine baldige Antwort und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!
Mit freundlichen Grüßen Johannes Bruening

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bruening,

ich möchte mich für Ihre Fragen bezüglich des Gesetzes zur Neuordnung der Telekommunikationsüberwachung und zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung bedanken. Gerne möchte ich diesen Anlass nutzen, Ihnen darüber hinaus einen Überblick zu geben.

Dieses Gesetz novelliert zunächst die bereits geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung zur Telekommunikationsüberwachung und zu anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen. Zugleich setzt es die EU-Richtlinie (2006/24/EG) zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht um. Dabei gilt zu beachten, dass der Artikel 15 dieser Richtlinie eine Umsetzung bis zum 15. September 2007 vorsah (siehe BT-Drs. 16/5846). Somit ist auch die von Ihnen angeführte Tatsache, dass diese EU-Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof geprüft wird, irrelevant für deren Überführung in Landesrecht.

Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung fordert uns sowohl Rechte als auch Pflichten ab. Daher haben wir bei dem Gesetz im Auge behalten, dass der Staat für unsere Sicherheit zu sorgen hat und die berechtigten Strafverfolgungsinteressen angemessen berücksichtigt werden müssen. Andererseits greifen verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein. Dass dies besondere Besorgnis erregt, zeigt uns der breite Protest innerhalb der Bevölkerung. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dementsprechend in den parlamentarischen Beratungen zu diesem Gesetz dafür Sorge getragen, dass der Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen zum Zweck der Kriminalitätsbekämpfung und dem Schutz vor schweren Straftaten mit hohen, grundrechtssichernden Schwellen verknüpft ist, um das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Dadurch liegen die Hürden für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung in Zukunft noch höher als jetzt. Dabei gilt wie bisher, dass solche Überwachungsmaßnahmen grundsätzlich nur von einem Richter angeordnet werden dürfen.

Im Folgenden möchte ich Ihnen die Bedingungen bzw. die rechtstaatlichen Hürden innerhalb des novellierten Gesetzes zur Telekommunikationsüberwachung vorstellen:

1. Das Vorliegen einer schweren Straftat
Dabei ist neu, dass Straftaten grundsätzlich nicht für eine Telekommunikationsüberwachung in Frage kommen, die im Höchstmaß mit weniger als fünf Jahren Freiheitsstrafe belegt werden. Die Tat muss – auch diese ausdrückliche Regelung ist neu – auch im konkreten Einzelfall schwer wiegen.

2. Der Kernbereichsschutz
Eine Telekommunikationsüberwachung ist unzulässig und hat zu unterbleiben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass durch die Überwachung allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung erlangt würden.

3. Der Berufsgeheimnisträgerschutz
Soll ein Berufsgeheimnisträger wegen des Ermittlungsverfahrens gegen einen Dritten, an dem er selbst in keiner Weise beteiligt ist, überwacht werden, gilt Folgendes:
Das Vertrauensverhältnis zu Seelsorgern, Strafverteidigern und Abgeordneten wird absolut geschützt. Sie haben eine besondere verfassungsrechtliche Stellung. Deshalb sind sie von allen Ermittlungsmaßnahmen ausgenommen, die sich auf die Informationen beziehen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger anvertraut wurden. Bei Ärzten, Rechtsanwälten, Journalisten und allen anderen zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern wird ausdrücklich klargestellt, dass sie in Ermittlungsmaßnahmen künftig nur nach einer sehr sorgfältigen Verhältnismäßigkeitsabwägung im Einzelfall in Ermittlungsmaßnahmen einbezogen werden dürfen. Für die Abwägung wird es zudem einen ausdrücklichen Maßstab im Gesetz geben: Betrifft das Verfahren keine Straftat von erheblicher Bedeutung, ist in der Regel nicht vom Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses auszugehen. Eine Straftat ist nur dann von erheblicher Bedeutung, wenn sie mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zugerechnet werden kann, den Rechtsfrieden empfindlich stört und dazu geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.

Ergibt die Prüfung also, dass es bei der Ermittlung nicht um eine erhebliche Straftat geht, sind jegliche Ermittlungsmaßnahmen gegen den Berufsgeheimnisträger regelmäßig unzulässig, weil unverhältnismäßig. Dementsprechend kann ich Ihre attestierte Wirkungslosigkeit unserer Pressefreiheit im Zuge dieser Gesetzesnovellierung nicht nachvollziehen. Auch zukünftig wird uns der investigative und kritische Journalismus als wichtiger Pfeiler der vierten Gewalt im Staate erhalten bleiben.

4. Der Berufsgeheimnisträgerschutz bei Verstrickung* *
Besteht gegen den Berufsgeheimnisträger, etwa einen Journalisten, selbst ein Beteiligungs- oder Begünstigungsverdacht, so können nach geltendem Recht zum Beispiel Unterlagen bei ihm beschlagnahmt werden, wenn diese für die Aufklärung einer Straftat relevant sind. Künftig muss sich die Annahme des Verstrickungsverdachts auf bestimmte Tatsachen gründen, so dass eine sorgfältige, sich auf konkrete Tatsachen stützende Prüfung erforderlich werden wird.

5. Das Beweisverwertungsverbot bei Zufallsfunden
Ein Zufallsfund ist Material, das auf eine Straftat hindeutet, aber nichts mit der Untersuchung zu tun hat, wegen derer eine Durchsuchung angeordnet wurde. Bei Journalisten dürfen solche Zufallsfunde künftig nicht als Beweise in einem Verfahren wegen Geheimnisverrats oder wegen sonstiger Straftaten, die mit einem Höchstmaß von unter fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, verwertet werden.

Das neue Gesetz enthält zusätzlich die erwähnte notwendige Umsetzung der EU-Richtlinie (2006/24/EG). Auch hier haben wir im Bewusstsein der Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung unsere Verpflichtung für Bürgerrechte ernst genommen und dafür Sorge getragen, dass die EU-Vorgaben so grundrechtsschonend wie möglich gestaltet wurden. So ist es Deutschland gegen den Widerstand vieler anderer Mitgliedstaaten gelungen, die Mindestspeicherungsdauer auf sechs Monate (statt der ursprünglich auf EU-Ebene diskutierten 36 Monate) zu beschränken. Dies ist ein vom Deutschen Bundestag wirksam unterstützter Verhandlungserfolg der Bundesregierung auf EU-Ebene.

Die wegen der Umsetzung künftig zu speichernden Daten sind im Wesentlichen Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute, üblicherweise zu Abrechnungszwecken, gespeichert werden und verfügbar sind. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzu kommt nur, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen nicht gespeichert werden.

Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das Telekommunikationsunternehmen lediglich, welchem Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung, nicht dagegen, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.

Diese Daten werden – wie bisher – nur bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Auch hier können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.

Im Übrigen sind wir nicht grundsätzlich gegen die sogenannten „Online-Durchsuchungen“. Jedoch sind bisher weder die technischen und rechtlichen Fragen hinreichend geklärt, noch deren tatsächliche Notwendigkeit belegt. Es bleibt zu beachten, dass sich die vorgetragenen Argumente zur Notwendigkeit dieses ermittlungstechnischen Instruments lediglich auf das eng begrenzte Feld der Terrorismusbekämpfung beschränken. Somit muss der berechtigten Sorge über ein uferloses Auswachsen dieses Ermittlungsinstrumentes Rechnung getragen werden und zunächst das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Klage gegen die nordrhein-westfälische Online-Durchsuchung abgewartet werden. Dementsprechend betonen wir, dass Online-Untersuchungen nur unter klaren rechtsstaatlichen Bedingungen vollzogen werden dürfen. Ein Richtervorbehalt ist für uns dabei selbstverständlich.

Mit freundlichen Grüßen

Annette Faße, MdB