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Frage von Monika G. •

Frage an Annette Faße von Monika G. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Faße

Ich schreibe an Sie als (Noch) SPD Wählerin, häufige Bahnfahrerin und da Sie stellvertretende Vorsitzende im Verkehrsausschuss sind. .
Obwohl ich schon lange kein linkes Profil bei der SPD mehr erkennen kann, hat mich die Privatisierung der Bahn erneut entsetzt.

Wie kann das ohne angemessene Diskussion so realisiert werden?
Wie kann die DB das Netz geschenkt bekommen und der Bund das Netz zurückkaufen müssen? Wie ist es möglich, dass die Qualität des Netzzustandes nicht gesichert wird?
Wieso werden die Länder zu machtlosen Bittstellern gemacht?

Welchen Nutzen hat die Bevölkerung davon? Die ständig verschlechterten Leistungen (besonders im Regionalverkehr) werden jetzt noch schlechter werden, weil die DB Gelder frei umschichten kann. Pendler auf der Rheinschiene haben jetzt schon mindestens 50% der Zeit mit Verspätungen zu kämpfen. Letzten Herbst hatte ich einer Woche 4 mal 40 min. bis zu 1 Std. Verspätung.

Bitte lesen sie die Zeitung „Pro Bahn“ (3/07) und informieren Sie sich objektiv.
Ich hoffe nicht nur auf eine Antwort sondern auf eine engagierte Diskussion im Bundestag, die mich davon überzeugt, dass in der SPD nicht nur eine „Seilschaft für Mehdorn“ (Pro Bahn) am Werk ist.

Mit freundlichem Gruß

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Groß,

haben Sie vielen Dank für Schreiben zur geplanten Teilprivatisierung der Deutsche Bahn AG (DB AG).

Mit dem von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes wollen wir gerade dazu beitragen, die Bahn noch attraktiver gegenüber der Straße zu machen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des immens wachsenden Güterverkehrs in Deutschland und in Europa.

Die Öffnung des europäischen Binnenmarktes für den Güterverkehr seit Beginn dieses Jahres und für den internationalen Personenverkehr ab dem Jahr 2010 wird für zusätzlichen Wettbewerb sorgen, und sie eröffnet unseren deutschen Bahnunternehmen neue Chancen in Europa. Aber nur mit einer starken Bahn können wir beim ökologisch vorbildlichen Verkehrsträger Schiene für Zuwachs sorgen.

Sie haben in Ihrem Schreiben die Sorge geäußert, dass die geplante Teilprivatisierung der DB AG das Angebot eines flächendeckenden Schienenverkehrs gefährden könnte. Ich kann Ihnen versichern, dass dies nicht geschehen wird. Denn wir haben in dem nun vorliegenden Gesetzentwurf eine Reihe von Sicherungsmechanismen eingebaut, die dafür sorgen, dass der Bund auch künftig seine Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur wahrnehmen kann.

So soll die Eisenbahninfrastruktur – also Schienennetz, Bahnhöfe, Energieversorgung etc. – vor einer Kapitalprivatisierung in das Eigentum des Bundes überführt werden. Juristische Risiken für die eigentümerrechtliche Position des Bundes werden damit ausgeschlossen, und es ist sichergestellt, dass kein privater Investor Zugriff auf das Schienennetz erhält und die in Jahrzehnten aus Steuermitteln finanzierte Eisenbahninfrastruktur als Volksvermögen erhalten bleibt.

Der Bund stellt den Ländern für die Bestellung des Regionalverkehrs Mittel in Höhe von rund sieben Milliarden Euro zur Verfügung. Die Länder sind für die Ausgestaltung und das Angebot des regionalen schienengebundenen Personenverkehrs verantwortlich. Daran wird sich auch durch das Gesetz über die Teilprivatisierung nichts ändern.

Neu ist hingegen, dass die DB AG künftig jährlich einen Netzzustands- und Entwicklungsbericht vorlegen muss. Damit schaffen wir mehr Transparenz als bisher, insbesondere was die Qualität des Netzes in den einzelnen Regionen angeht. Und es führt dazu, dass die Länder mehr Spielraum haben, um die gegebenenfalls erforderlichen Konsequenzen bei der Planung und Organisation des Regional- und Nahverkehrs zu ziehen. Die Qualität der Infrastruktur wird künftig durch eine Reihe von gesetzlichen und vertraglichen Regelungen genau festgeschrieben, und zwar in der Fläche wie in den Ballungsräumen.

Dafür gibt es in Zukunft die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Sie enthält klare Vorgaben über den Netzzustand. Der Bund hat seinerseits die Möglichkeit, durch Messfahrten auf dem Schienennetz und mit Hilfe unabhängiger Sachverständiger die Angaben im Netzzustands- und Entwicklungsbericht zu überprüfen. Dieses Modell hat sich in den Niederlanden bereits bewährt. Für uns ist Sicherheit oberstes Gebot!

Sollte die DB AG diesem Auftrag nicht oder nur ungenügend nachkommen, müsste sie mit empfindlichen Sanktionen rechnen. Im vorliegenden Gesetzentwurf sind Kriterien und Verfahren detailliert geregelt. Damit trägt die Deutsche Bahn AG das Risiko für den ordnungsgemäßen Zustand der kompletten Infrastruktur.

Im Übrigen gibt es für Streckenstilllegungen ein ganz klar festgelegtes Verfahren, dem am Ende die zuständige Aufsichtsbehörde des Bundes in Absprache mit den Ländern zustimmen muss. Die Gefahr, dass verstärkt Stilllegungen drohen, besteht also nicht. Eine Zahl mag dies verdeutlichen: Die meisten Stilllegungen von unrentablen Strecken sind in der Zeit vor und unmittelbar nach der Wende erfolgt – mit rückläufiger Tendenz: In 2006 wurden im gesamten Bundesgebiet nur noch 100 km nach diesem Verfahren aufgegeben, also weniger als 0,3 Prozent des Gesamtnetzes.

Die Bewirtschaftung der Infrastruktur wird für 15 Jahre an die DB AG übertragen. Wenn der Gesetzgeber nichts anderes beschließt, fällt diese nach einer dreijährigen Abwicklungsfrist auch wirtschaftlich an den Bund zurück. Der Gesetzgeber kann aber auch die Sicherungsübereignung an die DB AG verlängern.

Den rund 230.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DB AG geben wir die Sicherheit, dass der konzerninterne Arbeitsmarkt und das Beschäftigungsbündnis weitergeführt werden können. Und: Die enge Sozialpartnerschaft zwischen dem Konzern und der Gewerkschaft Transnet soll auch nach der Teilprivatisierung erhalten bleiben – also auch über das Auslaufen des Beschäftigungspaktes im Jahr 2010 hinaus.

Der Verzicht auf eine Teilprivatisierung der DB AG ist aus unserer Sicht keine Alternative. Denn das Unternehmen hat Verbindlichkeiten von fast 20 Milliarden Euro, und sie muss diese abbauen. Wir wollen weitere Investitionen finanzieren und so Arbeitsplätze langfristig sichern bzw. neue schaffen. Zum Vergleich: In den letzten 24 Jahren des Bestehens der Bundesbahn bis 1994 wurden lediglich 50 Milliarden Euro investiert; dagegen wurde das System Schiene allein im Zeitraum von 1994 bis 2005 mit rund 92 Milliarden Euro im Rekordtempo modernisiert. Eine Fortsetzung dieser Investitionsoffensive ist ohne privates Kapital nicht möglich.

Wir wollen nichts „übers Knie brechen“, sondern wir werden uns die Zeit nehmen, über die Inhalte des Gesetzentwurfes im Verkehrsausschuss zu diskutieren und offene Fragen zu klären.

Mit freundlichen Grüßen
Annette Faße, MdB