Frage an Anne-Marie Keding von Georg W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Keding,
mich treibt zunehmend die Spaltung der Gesellschaft um. Anders als in vergangenen Krisen, z.B. bei der Elbeflut, die zu einer Stärkung des sozialen Zusammenhalts führte, wird heutzutage jede angespannte Lage ausgenutzt, um Unruhe und Mißtrauen in der Bürgerschaft zu sähen. Besonderes Unverständnis kommt bei mir gegenüber ungefilterten Meinungen in den sozialen Medien auf, aber auch gegenüber dem Auftreten von Politikern im Parlament oder in Pressestatments.
Provokationen, Stimmungsmache und persönliche Angriffe dürfen kein Mittel in der politischen Auseinandersetzung sein und müssen sehr streng sanktioniert werden. Die sachliche Diskussion sollte immer eingehalten werden und Politiker sollten in ihrer Sprache ein Vorbild für den gesellschaftlichen Diskurs sein. Davon sind wir nach meinem Empfinden meilenweit entfernt.
Ich frage mich, wie die Kommunikation in der Öffentlichkeit und im Parlament grundlegend verbessert werden kann. Auch habe ich wenig Verständnis dafür, dass öffentliche Gelder in hohem Maße an Bürgervertreter fließen, die sich einen Spaß aus Vernunft geprägter Politik machen und ihre Kompromisslosigkeit als große Stärke verkaufen.
Ich finde es dringend an der Zeit, Konzepte für einen respektvollen Umgang voranzubringen, um die größer werdenden Gräben zwischen den Menschen wieder zu schließen.
Ich wende mich mit diesem Anliegen an Sie und die CDU, weil ich es durch aus schätze, dass MP Haselhoff in schwierigen politischen Zeiten Ruhe bewahrt hat und überwiegend darauf verzichtet hat, Konflikte in der Öffentlichkeit allzu hoch kochen zu lassen. Ich wünsche mir, dass dieses in Zukunft noch viel intensiver umgesetzt wird.
Freundliche Grüße
G. Wiesinger
Sehr geehrter Herr Wiesinger,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihre Analyse der Kommunikationsbedingungen im politischen Betrieb besonders in Zeiten des Landtags- und beginnenden Bundestagswahlkampfes.
Einen wesentlichen Beitrag geliefert beziehungsweise eine grundlegende Veränderung in dieser Kommunikation haben auch nach meiner Ansicht die sozialen Medien bewirkt. Die Filterfunktion (das „Gate Keeping“) des Journalisten beziehungsweise Redakteurs entfällt bei der Nutzung sozialer Medien ersatzlos. Hinzu tritt noch das Interesse sowohl der Nutzer selbst, aber auch der Plattformen an möglichst hohen Verteilzahlen, an möglichst hohen Klickzahlen. Mit zugespitzten, verknappten und gern auch übertreibenden Äußerungen lässt sich diese Aufmerksamkeit sehr viel leichter erringen als mit abgewogenen und alle Argumente berücksichtigenden Beiträgen. Allerdings ist das ein Merkmal eines jeden Wahlkampfes, dass die Komplexität existierender Problemlagen reduziert und mit Zuspitzungen gearbeitet wird, um eine Wahlentscheidung überhaupt erst zu ermöglichen. Bis zu einem gewissen Grade halte ich das auch für legitim, die Grenze ist aber jedenfalls bei falschen Darstellungen wider besseres Wissen und bei persönlicher Diffamierung überschritten. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und die Grenzziehung fällt oft nicht leicht.
Ein Lösungsansatz könnte eine Selbstverpflichtung aller Wahlkämpfer und Wahlkämpferinnen sein, die oben beschriebenen Grenzen zu wahren, um damit stilprägend zu wirken.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre A. K.